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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Die preußische verrvaltungsorganisation früher

sie im gesamten öffentlichen Leben ihrer Provinzen die dauernden Spuren ihres
Wirkens hätten hinterlassen können -- und dies alles in einer Zeit, wo die
Oberpräsidenten noch keinen "Körper" hatten, denn diesen erhielten sie erst am
letzten Tage des Jahres 1825, also nachdem die Hauptarbeit des Übergangs
geleistet war.

Aber alle diese Männer wurden dann leider nicht ersetzt durch Nachfolger,
die ihnen gleich waren -- wir werden sehen, wie dies kam. Und in demselben
Maße, wie die Beamten der alten Zeit ausstarben, gingen die Leistungen der
Verwaltung selbst zurück. Auch hierfür ist Minister von Delbrück ein klassischer
Zeuge. Und was er sagt, ist namentlich auch sehr bezeichnend für die Richtung,
in der sich die neue Beamtenschaft innerlich verändert hatte. Er beklagt nämlich,
daß zwar im einzelnen oft ganz gut verwaltet worden sei, daß aber im ganzen
gefehlt hätten der feste Wille, das planmäßige Handeln und die lebendige
Anschauung der wirtschaftlichen Zustände, daß dagegen vorhanden gewesen sei
die Selbstüberhebung -- ich füge hinzu: des Bureaukratismus. Dieses Urteil
bezieht sich allerdings hauptsächlich auf die Gewerbe- und Handelsverwaltung;
aber wir sind berechtigt, es auf die ganze Verwaltung der damaligen Zeit
auszudehnen; es liegen genug Anzeichen dafür vor, daß es in den andern
Ressorts nicht anders war.

Wie sehr alle Mißstände, die äußerlich unter der Herrschaft der Stein-
Hardenbergischen Verwaltungsorganisation hervortraten, in persönlichen Ver¬
hältnissen begründet waren, zeigt der Umstand, daß sich diese Organisation bis
in die neuere Zeit hinein vortrefflich bewährt hat, sobald sich Männer fanden,
die sie zu handhaben verstanden. Das bezeugen der Oberpräsident von Ernsthausen
und der Regierungspräsident von Diest in ihren Lebenserinnerungen, also zwei
Männer, deren Sachkunde auf diesem Gebiet man wohl nicht bestreiten wird.
Namentlich läßt sich Ernsthausen wiederholt über diesen Punkt aus. Er beruft
sich dabei auf die Beobachtungen, die er im Anfang der fünfziger Jahre als
Regierungsreferendar in Köln unter, dem Regierungspräsidenten von Möller,
dein spätern ersten Oberpräsidenten der Provinz Hessen-Nassau und der Reichs¬
lande, einem ausgezeichneten Verwaltungsbeamten, "rächen konnte, und auf seine
spätern eigenen Erlebnisse und Erfahrungen als Regierungsvizepräsident in
Königsberg und als Regierungspräsident in Trier. In Königsberg hatte er
unter anderen den ostpreußischen Notstand von 1867/68 zu bekämpfen und in
Trier erlebte er den deutsch-französischen Krieg. Er bemerkt nun ausdrücklich,
daß sich die alte Regierungsinstruktion in diesen schwierigen Zeiten vollständig
bewährt habe, wie sie überhaupt eine Fülle von Verwaltungsweisheit enthalte.
Dazu trugen nach seiner Schilderung besonders bei die früher erwähnte Vorschrift,
die es dem Regierungspräsidenten ermöglichte, wichtige und dringende Sachen
zur eigenen Bearbeitung an sich zu ziehen und die Zusammensetzung der
Regierung aus verschiedenen Verwaltungszweigen, die er im Gegensatz zu Lotz
überhaupt hoch bewertet. Während des ostpreußischen Notstands war es z.B.


Die preußische verrvaltungsorganisation früher

sie im gesamten öffentlichen Leben ihrer Provinzen die dauernden Spuren ihres
Wirkens hätten hinterlassen können — und dies alles in einer Zeit, wo die
Oberpräsidenten noch keinen „Körper" hatten, denn diesen erhielten sie erst am
letzten Tage des Jahres 1825, also nachdem die Hauptarbeit des Übergangs
geleistet war.

Aber alle diese Männer wurden dann leider nicht ersetzt durch Nachfolger,
die ihnen gleich waren — wir werden sehen, wie dies kam. Und in demselben
Maße, wie die Beamten der alten Zeit ausstarben, gingen die Leistungen der
Verwaltung selbst zurück. Auch hierfür ist Minister von Delbrück ein klassischer
Zeuge. Und was er sagt, ist namentlich auch sehr bezeichnend für die Richtung,
in der sich die neue Beamtenschaft innerlich verändert hatte. Er beklagt nämlich,
daß zwar im einzelnen oft ganz gut verwaltet worden sei, daß aber im ganzen
gefehlt hätten der feste Wille, das planmäßige Handeln und die lebendige
Anschauung der wirtschaftlichen Zustände, daß dagegen vorhanden gewesen sei
die Selbstüberhebung — ich füge hinzu: des Bureaukratismus. Dieses Urteil
bezieht sich allerdings hauptsächlich auf die Gewerbe- und Handelsverwaltung;
aber wir sind berechtigt, es auf die ganze Verwaltung der damaligen Zeit
auszudehnen; es liegen genug Anzeichen dafür vor, daß es in den andern
Ressorts nicht anders war.

Wie sehr alle Mißstände, die äußerlich unter der Herrschaft der Stein-
Hardenbergischen Verwaltungsorganisation hervortraten, in persönlichen Ver¬
hältnissen begründet waren, zeigt der Umstand, daß sich diese Organisation bis
in die neuere Zeit hinein vortrefflich bewährt hat, sobald sich Männer fanden,
die sie zu handhaben verstanden. Das bezeugen der Oberpräsident von Ernsthausen
und der Regierungspräsident von Diest in ihren Lebenserinnerungen, also zwei
Männer, deren Sachkunde auf diesem Gebiet man wohl nicht bestreiten wird.
Namentlich läßt sich Ernsthausen wiederholt über diesen Punkt aus. Er beruft
sich dabei auf die Beobachtungen, die er im Anfang der fünfziger Jahre als
Regierungsreferendar in Köln unter, dem Regierungspräsidenten von Möller,
dein spätern ersten Oberpräsidenten der Provinz Hessen-Nassau und der Reichs¬
lande, einem ausgezeichneten Verwaltungsbeamten, »rächen konnte, und auf seine
spätern eigenen Erlebnisse und Erfahrungen als Regierungsvizepräsident in
Königsberg und als Regierungspräsident in Trier. In Königsberg hatte er
unter anderen den ostpreußischen Notstand von 1867/68 zu bekämpfen und in
Trier erlebte er den deutsch-französischen Krieg. Er bemerkt nun ausdrücklich,
daß sich die alte Regierungsinstruktion in diesen schwierigen Zeiten vollständig
bewährt habe, wie sie überhaupt eine Fülle von Verwaltungsweisheit enthalte.
Dazu trugen nach seiner Schilderung besonders bei die früher erwähnte Vorschrift,
die es dem Regierungspräsidenten ermöglichte, wichtige und dringende Sachen
zur eigenen Bearbeitung an sich zu ziehen und die Zusammensetzung der
Regierung aus verschiedenen Verwaltungszweigen, die er im Gegensatz zu Lotz
überhaupt hoch bewertet. Während des ostpreußischen Notstands war es z.B.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/82>, abgerufen am 17.06.2024.