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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Postsparkassen

statt baren Geldes Staatsrenten, welche 64 wert waren, zum Zwangskurse von
80 anzunehmen.

Ohne Zweifel wird die Gefahr der Verquickung des Kredites der Sparkassen
mit dem Kredite des Staates um so größer, je höher der in den Sparkassen
des Landes investierte Teil des Volksvermögens ist. In Preußen hatte dieses
Kapital 1907 den Betrag von 9,12 Milliarden Mark, in Deutschland von
13,92 Milliarden Mark erreicht.

Schachner bemerkt bei Gelegenheit der Besprechung der Frage der Anlegung
der Sparkapitalien in Staatspapieren seitens der kommunalen Sparkassen demnach
durchaus zutreffend: "Der Staatskredit und Sparkassenkredit dürfen nicht in zu
großem Umfange sich miteinander verbinden. Diese größte Schwäche des Post¬
sparkassenwesens darf unseren deutschen Lokalsparkassen nicht aufoktroyiert
werden."

Die Gefahren einer solchen Verbindung sind aber so groß, daß meines
Erachtens auch Bedenken dagegen sprechen, die Postsparkasse neben den kommmmlen
Sparkassen in Deutschland zur Einführung zu bringen. Denn das scheint mir
allerdings nach den Erfahrungen in anderen Ländern, namentlich in Frankreich,
Italien und Österreich festzustehen, daß durch den Betrieb der Postsparkassen die
Wirksamkeit der Ortssparkafse nicht beeinträchtigt wird. Durch ersteren sind
vielmehr die Ortssparkassen in diesen Ländern zu einer nachhaltigen Verbesserung
ihrer Einrichtungen durch Vermehrung der Sparstellen und ihrer Zugänglichkeit,
Einführung von Pfennig- und Schulsparkassen, Sparmarken usw. mehr angeregt
worden. Aus dein Grunde einer mangelnden Konkurrenzfähigkeit der kommunalen
Sparkassen gegenüber den Postsparkassen wäre also wohl ein Grund gegen die
Einführung der letzteren ohne weiteres nicht herzuleiten.

Dagegen ergibt, wie schon oben angedeutet, eine Vergleichung der statistischen
Zahlen der einzelnen Staaten keineswegs, daß die Länder, in denen Postspar¬
kassen allein oder neben Ortssparkassen bestehen, höhere Sparsummen aus¬
zuweisen haben als diejenigen, welche Postsparkassen nicht besitzen; im Gegenteil
nehmen Deutschland und Preußen bei einer solchen Vergleichung eine recht vor¬
teilhafte Stellung ein.

Allerdings muß bei eiuer solchen Vergleichung stets beachtet werden, daß
die Ergebnisse internationaler Übersichten der Sparkassen nicht ohne weiteres zur
Beurteilung des Sparsinnes und der Sparfähigkeit der verschiedenen Völker
benutzt werden können, weil das Bedürfnis nach Vermittlern zur Anlegung
persönlicher Ersparnisse, der Mitbewerb anderer Vermittler, wie der Genossen¬
schaften und dergleichen, die Vorliebe für bestimmte Anlageformen, die Vorschriften
der Sparkassen über Höchsteinlagen usw. sehr verschieden sind; immerhin
beanspruchen sie doch schon ein großes Interesse, wenn man ihnen lediglich ent¬
nimmt, welche Ausbreitung die Sparkassenbücher im Verhältnisse zur Bevölkerung
erfahren haben und mit welchen Summen die Sparkassen als Kreditinstitute
und Verwalter erheblicher Volksvermögen in Betracht kommen.


Grenzboten IV 1910 4
Postsparkassen

statt baren Geldes Staatsrenten, welche 64 wert waren, zum Zwangskurse von
80 anzunehmen.

Ohne Zweifel wird die Gefahr der Verquickung des Kredites der Sparkassen
mit dem Kredite des Staates um so größer, je höher der in den Sparkassen
des Landes investierte Teil des Volksvermögens ist. In Preußen hatte dieses
Kapital 1907 den Betrag von 9,12 Milliarden Mark, in Deutschland von
13,92 Milliarden Mark erreicht.

Schachner bemerkt bei Gelegenheit der Besprechung der Frage der Anlegung
der Sparkapitalien in Staatspapieren seitens der kommunalen Sparkassen demnach
durchaus zutreffend: „Der Staatskredit und Sparkassenkredit dürfen nicht in zu
großem Umfange sich miteinander verbinden. Diese größte Schwäche des Post¬
sparkassenwesens darf unseren deutschen Lokalsparkassen nicht aufoktroyiert
werden."

Die Gefahren einer solchen Verbindung sind aber so groß, daß meines
Erachtens auch Bedenken dagegen sprechen, die Postsparkasse neben den kommmmlen
Sparkassen in Deutschland zur Einführung zu bringen. Denn das scheint mir
allerdings nach den Erfahrungen in anderen Ländern, namentlich in Frankreich,
Italien und Österreich festzustehen, daß durch den Betrieb der Postsparkassen die
Wirksamkeit der Ortssparkafse nicht beeinträchtigt wird. Durch ersteren sind
vielmehr die Ortssparkassen in diesen Ländern zu einer nachhaltigen Verbesserung
ihrer Einrichtungen durch Vermehrung der Sparstellen und ihrer Zugänglichkeit,
Einführung von Pfennig- und Schulsparkassen, Sparmarken usw. mehr angeregt
worden. Aus dein Grunde einer mangelnden Konkurrenzfähigkeit der kommunalen
Sparkassen gegenüber den Postsparkassen wäre also wohl ein Grund gegen die
Einführung der letzteren ohne weiteres nicht herzuleiten.

Dagegen ergibt, wie schon oben angedeutet, eine Vergleichung der statistischen
Zahlen der einzelnen Staaten keineswegs, daß die Länder, in denen Postspar¬
kassen allein oder neben Ortssparkassen bestehen, höhere Sparsummen aus¬
zuweisen haben als diejenigen, welche Postsparkassen nicht besitzen; im Gegenteil
nehmen Deutschland und Preußen bei einer solchen Vergleichung eine recht vor¬
teilhafte Stellung ein.

Allerdings muß bei eiuer solchen Vergleichung stets beachtet werden, daß
die Ergebnisse internationaler Übersichten der Sparkassen nicht ohne weiteres zur
Beurteilung des Sparsinnes und der Sparfähigkeit der verschiedenen Völker
benutzt werden können, weil das Bedürfnis nach Vermittlern zur Anlegung
persönlicher Ersparnisse, der Mitbewerb anderer Vermittler, wie der Genossen¬
schaften und dergleichen, die Vorliebe für bestimmte Anlageformen, die Vorschriften
der Sparkassen über Höchsteinlagen usw. sehr verschieden sind; immerhin
beanspruchen sie doch schon ein großes Interesse, wenn man ihnen lediglich ent¬
nimmt, welche Ausbreitung die Sparkassenbücher im Verhältnisse zur Bevölkerung
erfahren haben und mit welchen Summen die Sparkassen als Kreditinstitute
und Verwalter erheblicher Volksvermögen in Betracht kommen.


Grenzboten IV 1910 4
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[0037] Postsparkassen statt baren Geldes Staatsrenten, welche 64 wert waren, zum Zwangskurse von 80 anzunehmen. Ohne Zweifel wird die Gefahr der Verquickung des Kredites der Sparkassen mit dem Kredite des Staates um so größer, je höher der in den Sparkassen des Landes investierte Teil des Volksvermögens ist. In Preußen hatte dieses Kapital 1907 den Betrag von 9,12 Milliarden Mark, in Deutschland von 13,92 Milliarden Mark erreicht. Schachner bemerkt bei Gelegenheit der Besprechung der Frage der Anlegung der Sparkapitalien in Staatspapieren seitens der kommunalen Sparkassen demnach durchaus zutreffend: „Der Staatskredit und Sparkassenkredit dürfen nicht in zu großem Umfange sich miteinander verbinden. Diese größte Schwäche des Post¬ sparkassenwesens darf unseren deutschen Lokalsparkassen nicht aufoktroyiert werden." Die Gefahren einer solchen Verbindung sind aber so groß, daß meines Erachtens auch Bedenken dagegen sprechen, die Postsparkasse neben den kommmmlen Sparkassen in Deutschland zur Einführung zu bringen. Denn das scheint mir allerdings nach den Erfahrungen in anderen Ländern, namentlich in Frankreich, Italien und Österreich festzustehen, daß durch den Betrieb der Postsparkassen die Wirksamkeit der Ortssparkafse nicht beeinträchtigt wird. Durch ersteren sind vielmehr die Ortssparkassen in diesen Ländern zu einer nachhaltigen Verbesserung ihrer Einrichtungen durch Vermehrung der Sparstellen und ihrer Zugänglichkeit, Einführung von Pfennig- und Schulsparkassen, Sparmarken usw. mehr angeregt worden. Aus dein Grunde einer mangelnden Konkurrenzfähigkeit der kommunalen Sparkassen gegenüber den Postsparkassen wäre also wohl ein Grund gegen die Einführung der letzteren ohne weiteres nicht herzuleiten. Dagegen ergibt, wie schon oben angedeutet, eine Vergleichung der statistischen Zahlen der einzelnen Staaten keineswegs, daß die Länder, in denen Postspar¬ kassen allein oder neben Ortssparkassen bestehen, höhere Sparsummen aus¬ zuweisen haben als diejenigen, welche Postsparkassen nicht besitzen; im Gegenteil nehmen Deutschland und Preußen bei einer solchen Vergleichung eine recht vor¬ teilhafte Stellung ein. Allerdings muß bei eiuer solchen Vergleichung stets beachtet werden, daß die Ergebnisse internationaler Übersichten der Sparkassen nicht ohne weiteres zur Beurteilung des Sparsinnes und der Sparfähigkeit der verschiedenen Völker benutzt werden können, weil das Bedürfnis nach Vermittlern zur Anlegung persönlicher Ersparnisse, der Mitbewerb anderer Vermittler, wie der Genossen¬ schaften und dergleichen, die Vorliebe für bestimmte Anlageformen, die Vorschriften der Sparkassen über Höchsteinlagen usw. sehr verschieden sind; immerhin beanspruchen sie doch schon ein großes Interesse, wenn man ihnen lediglich ent¬ nimmt, welche Ausbreitung die Sparkassenbücher im Verhältnisse zur Bevölkerung erfahren haben und mit welchen Summen die Sparkassen als Kreditinstitute und Verwalter erheblicher Volksvermögen in Betracht kommen. Grenzboten IV 1910 4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/37>, abgerufen am 15.05.2024.