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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Postsparkassen

Nach einer in der vom Königlich Preußischen Statistischen Landesamt heraus¬
gegebenen "Statistischen Korrespondenz" vom 23. Juli 1910 (Jahrg. XXXVI
Ur. 28) enthaltenen Übersicht, die sich übrigens nicht überall auf die gleichen
Jahrgänge bezieht, zählten Deutschland und Preußen in den Jahren1907 bezw.1908
rund 30 bis 31 Bücher auf je hundert Einwohner und standen hiermit ungefähr
auf gleicher Stufe mit Belgien, Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden
und Australien, welche sämtlich Postsparkassen (neben Ortssparkassen) haben;
wesentlich höher kamen nur Dänemark mit 48,19, sowie die Schweiz mit 42,40,
Norwegen mit 38,59 und Schweden mit 37,83 Büchern (es sind dies, mit
Ausnahme von Schweden und der Schweiz, in welchen das Postsparkassenwesen
nur wenig entwickelt ist, Länder ohne Postsparkassen). Österreich und Italien
blieben dagegen weit zurück, mehr noch die Vereinigten Staaten von Amerika,
Ungarn und Rußland. Die Einlagen ans den Kopf der Bevölkerung sind am
größten (mit mehr als 300 Mark) in Dänemark, haben jedoch dort seit 1905
merklich abgenommen; über 200 Mark erheben sie sich noch in Australien,
Deutschland, Preußen, Norwegen und der Schweiz. Die höchste Durchschnitts¬
einlage auf ein Buch hatten die Vereinigten Staaten von Amerika mit
17K5.98 Mark; auch ihre Bestände an Einlagen waren im Jahre 1908 (trotz
eines leichten Rückgangs gegenüber dem Vorjahre) mit 15,37 Milliarden die
größten; Deutschland im Jahre 1907 schloß bereits dicht auf; alle anderen Länder
blieben unter 5 Milliarden.

Auf die Gefahr, welche die Einrichtung von Postsparkassen mit sich bringt,
wenn beim Eintritt großer Handelskrisen oder großer Kriege die Kündigungen
der Einlagen sich auf einen Punkt konzentrieren, ist namentlich auch bei Beratung
des im Jahre 1885 dem deutschen Reichstage von der Reichsregierung vorgelegten
Entwurfes eines Postsparkassengesetzes von dessen Gegnern hingewiesen worden.
Mit Recht hat damals die "Kreuzzeitung" bemerkt, daß das Reich von der im
§ 15 des Entwurfs vorgesehenen Käutel, nach welcher der Reichskanzler die
Kündigungsfrist für den 100 Mark übersteigenden Teil des Guthabens bis auf
sechs Monate verlängern kann, bei drohendem Kriege keinen Gebrauch machen
werde, weil dann schon sein auf das äußerste angespannter Kredit leiden würde,
während die kommunalen Sparkassen das Mittel unbedenklich anwenden dürften.
Bei diesen wird die Gefahr dezentralisiert und trifft nicht alle gleich schwer.
Ebenso fallen einige notleidende Kommunen weniger ins Gewicht als ein großes
notleidendes Reich.

In Würdigung dieser Umstände hat man denn auch in Deutschland bisher
von der Einführung der Postsparkasse abgesehen. Aber auch der Versuch, den
Sparkassen unter Einhaltung ihrer bisherigen Verfassung diejenige allgemeine
und umfangreiche Zugänglichkeit, welche den unbestreitbaren Vorzug des Post¬
sparkassenwesens bildet, dadurch zuteil werden zu lassen, daß man die Post
lediglich zu einem Hilfs- und Vermittelungsorgan der Sparkassen machte,
scheiterte an den großen Kosten, welche diese Organisation erforderte; sie könnten


Postsparkassen

Nach einer in der vom Königlich Preußischen Statistischen Landesamt heraus¬
gegebenen „Statistischen Korrespondenz" vom 23. Juli 1910 (Jahrg. XXXVI
Ur. 28) enthaltenen Übersicht, die sich übrigens nicht überall auf die gleichen
Jahrgänge bezieht, zählten Deutschland und Preußen in den Jahren1907 bezw.1908
rund 30 bis 31 Bücher auf je hundert Einwohner und standen hiermit ungefähr
auf gleicher Stufe mit Belgien, Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden
und Australien, welche sämtlich Postsparkassen (neben Ortssparkassen) haben;
wesentlich höher kamen nur Dänemark mit 48,19, sowie die Schweiz mit 42,40,
Norwegen mit 38,59 und Schweden mit 37,83 Büchern (es sind dies, mit
Ausnahme von Schweden und der Schweiz, in welchen das Postsparkassenwesen
nur wenig entwickelt ist, Länder ohne Postsparkassen). Österreich und Italien
blieben dagegen weit zurück, mehr noch die Vereinigten Staaten von Amerika,
Ungarn und Rußland. Die Einlagen ans den Kopf der Bevölkerung sind am
größten (mit mehr als 300 Mark) in Dänemark, haben jedoch dort seit 1905
merklich abgenommen; über 200 Mark erheben sie sich noch in Australien,
Deutschland, Preußen, Norwegen und der Schweiz. Die höchste Durchschnitts¬
einlage auf ein Buch hatten die Vereinigten Staaten von Amerika mit
17K5.98 Mark; auch ihre Bestände an Einlagen waren im Jahre 1908 (trotz
eines leichten Rückgangs gegenüber dem Vorjahre) mit 15,37 Milliarden die
größten; Deutschland im Jahre 1907 schloß bereits dicht auf; alle anderen Länder
blieben unter 5 Milliarden.

Auf die Gefahr, welche die Einrichtung von Postsparkassen mit sich bringt,
wenn beim Eintritt großer Handelskrisen oder großer Kriege die Kündigungen
der Einlagen sich auf einen Punkt konzentrieren, ist namentlich auch bei Beratung
des im Jahre 1885 dem deutschen Reichstage von der Reichsregierung vorgelegten
Entwurfes eines Postsparkassengesetzes von dessen Gegnern hingewiesen worden.
Mit Recht hat damals die „Kreuzzeitung" bemerkt, daß das Reich von der im
§ 15 des Entwurfs vorgesehenen Käutel, nach welcher der Reichskanzler die
Kündigungsfrist für den 100 Mark übersteigenden Teil des Guthabens bis auf
sechs Monate verlängern kann, bei drohendem Kriege keinen Gebrauch machen
werde, weil dann schon sein auf das äußerste angespannter Kredit leiden würde,
während die kommunalen Sparkassen das Mittel unbedenklich anwenden dürften.
Bei diesen wird die Gefahr dezentralisiert und trifft nicht alle gleich schwer.
Ebenso fallen einige notleidende Kommunen weniger ins Gewicht als ein großes
notleidendes Reich.

In Würdigung dieser Umstände hat man denn auch in Deutschland bisher
von der Einführung der Postsparkasse abgesehen. Aber auch der Versuch, den
Sparkassen unter Einhaltung ihrer bisherigen Verfassung diejenige allgemeine
und umfangreiche Zugänglichkeit, welche den unbestreitbaren Vorzug des Post¬
sparkassenwesens bildet, dadurch zuteil werden zu lassen, daß man die Post
lediglich zu einem Hilfs- und Vermittelungsorgan der Sparkassen machte,
scheiterte an den großen Kosten, welche diese Organisation erforderte; sie könnten


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[0038] Postsparkassen Nach einer in der vom Königlich Preußischen Statistischen Landesamt heraus¬ gegebenen „Statistischen Korrespondenz" vom 23. Juli 1910 (Jahrg. XXXVI Ur. 28) enthaltenen Übersicht, die sich übrigens nicht überall auf die gleichen Jahrgänge bezieht, zählten Deutschland und Preußen in den Jahren1907 bezw.1908 rund 30 bis 31 Bücher auf je hundert Einwohner und standen hiermit ungefähr auf gleicher Stufe mit Belgien, Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden und Australien, welche sämtlich Postsparkassen (neben Ortssparkassen) haben; wesentlich höher kamen nur Dänemark mit 48,19, sowie die Schweiz mit 42,40, Norwegen mit 38,59 und Schweden mit 37,83 Büchern (es sind dies, mit Ausnahme von Schweden und der Schweiz, in welchen das Postsparkassenwesen nur wenig entwickelt ist, Länder ohne Postsparkassen). Österreich und Italien blieben dagegen weit zurück, mehr noch die Vereinigten Staaten von Amerika, Ungarn und Rußland. Die Einlagen ans den Kopf der Bevölkerung sind am größten (mit mehr als 300 Mark) in Dänemark, haben jedoch dort seit 1905 merklich abgenommen; über 200 Mark erheben sie sich noch in Australien, Deutschland, Preußen, Norwegen und der Schweiz. Die höchste Durchschnitts¬ einlage auf ein Buch hatten die Vereinigten Staaten von Amerika mit 17K5.98 Mark; auch ihre Bestände an Einlagen waren im Jahre 1908 (trotz eines leichten Rückgangs gegenüber dem Vorjahre) mit 15,37 Milliarden die größten; Deutschland im Jahre 1907 schloß bereits dicht auf; alle anderen Länder blieben unter 5 Milliarden. Auf die Gefahr, welche die Einrichtung von Postsparkassen mit sich bringt, wenn beim Eintritt großer Handelskrisen oder großer Kriege die Kündigungen der Einlagen sich auf einen Punkt konzentrieren, ist namentlich auch bei Beratung des im Jahre 1885 dem deutschen Reichstage von der Reichsregierung vorgelegten Entwurfes eines Postsparkassengesetzes von dessen Gegnern hingewiesen worden. Mit Recht hat damals die „Kreuzzeitung" bemerkt, daß das Reich von der im § 15 des Entwurfs vorgesehenen Käutel, nach welcher der Reichskanzler die Kündigungsfrist für den 100 Mark übersteigenden Teil des Guthabens bis auf sechs Monate verlängern kann, bei drohendem Kriege keinen Gebrauch machen werde, weil dann schon sein auf das äußerste angespannter Kredit leiden würde, während die kommunalen Sparkassen das Mittel unbedenklich anwenden dürften. Bei diesen wird die Gefahr dezentralisiert und trifft nicht alle gleich schwer. Ebenso fallen einige notleidende Kommunen weniger ins Gewicht als ein großes notleidendes Reich. In Würdigung dieser Umstände hat man denn auch in Deutschland bisher von der Einführung der Postsparkasse abgesehen. Aber auch der Versuch, den Sparkassen unter Einhaltung ihrer bisherigen Verfassung diejenige allgemeine und umfangreiche Zugänglichkeit, welche den unbestreitbaren Vorzug des Post¬ sparkassenwesens bildet, dadurch zuteil werden zu lassen, daß man die Post lediglich zu einem Hilfs- und Vermittelungsorgan der Sparkassen machte, scheiterte an den großen Kosten, welche diese Organisation erforderte; sie könnten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/38>, abgerufen am 16.05.2024.