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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Reichsspiegel

zulässig sein, aber auch ohne das dient sie als einfaches Verhinderungsmittel
nach selbstverständlichen Rechte, wie oben ausgeführt. Und zwar ist sie hier
immer das verhältnismäßig gelindere Mittel. Denn die Erlaubnis zum Ge¬
brauch der Waffe fügt das ausdrückliche Gesetz (Gesetz vom 20. März 1837
über den Waffengebrauch des Militärs) noch obendrein hinzu." (Mayer Bd. I,
S. 374.)

"Aber," fährt Katte fort, "der Geschäftsbetrieb der Heeresverwaltung be¬
schränkt sich nicht auf militärische Gebäude. Er entfaltet sich auch in Märschen,
Paraden, Aufstellungen auf öffentlichen Straßen usw. Hier ebenso wie im eigenen
Hause übt das Militär seine eigenen polizeilichen Funktionen gegen Störungen
jeder Art aus. Die Straße wird durch Posten gesperrt, der eilige Fußgänger,
der den Fahrdamm passieren will, sieht sich mit Gewalt daran verhindert. Er
muß warten, bis das Militär vorüber ist, und würde z. B. ein Fuhrmann es
wagen, mit seinem Wagen durch die Reihen der marschierenden Soldaten hindurch
zu fahren, so wäre es ein vollkommen ordnungsmäßiges Verhalten des Truppen¬
führers, ihn durch Soldaten festnehmen und auf die nächste Polizeiwache führen
zu lassen. ,Das ist nicht, wie es scheinen könnte, einfache Gewalt, sondern
Selbstverteidigung einer gegen Störungen allerdings sehr empfindlichen öffent¬
lichen Gewalt, Polizei'." (Mayer a. a. O.)

Tiefer noch steigt mit seinen Beweisen Herr Dr. Kahn, ein bekannter Rechts¬
anwalt in Mainz, der konservativer Gesinnung nicht verdächtig ist.

Von den vielen rechtlichen Anfechtungen, die die einzelnen Vorfälle erfahren
haben, kommen, nach seiner Auffassung, insbesondere die nachfolgenden drei
Punkte in Betracht:

"1. Der Vorfall vom 28. November auf dem Schloßplatz in Zabern (Auf¬
forderung der Menge zum Auseinandergehen nach erfolgten: Signal, Verhaftung
verschiedener Personen und deren Inhaftierung in der Kaserne während der
Nacht).

2. Die Frage des Verhaftungsrechts der Posten und Wachen gegen
Zivilisten überhaupt.

3. Der Vorfall in Dettweiler (Verhaftung des Schuhmachers Blank unter
dem Verdacht, ein beleidigendes Wort gerufen zu haben; Gebrauch der Waffe
gegen Blank bei dessen Versuch, sich der Verhaftung zu entziehen).

Die wichtigste gesetzliche Grundlage für alle drei in Betracht kommenden
Punkte ist das preußische Gesetz vom 20. März 1837. das zufolge Artikel 61
der Reichsverfassung auch im Reiche gilt, während für Elsaß-Lothringen ein
inhaltlich gleichlautendes Gesetz unter dem 28. März 1872 erlassen ist. Mit
diesem Gesetz steht im engsten Zusammenhang die Verordnung vom 17. August
1835 und die zu dem Gesetz erlassene kriegsministerielle Instruktion vom
1. Mai 1851. Für den Vorfall vom 28. November kommt nun zunächst § 11
des Gesetzes von 1837 in Verbindung mit Z 8 der Verordnung von 1835 in
Anwendung, welcher lautet:


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zulässig sein, aber auch ohne das dient sie als einfaches Verhinderungsmittel
nach selbstverständlichen Rechte, wie oben ausgeführt. Und zwar ist sie hier
immer das verhältnismäßig gelindere Mittel. Denn die Erlaubnis zum Ge¬
brauch der Waffe fügt das ausdrückliche Gesetz (Gesetz vom 20. März 1837
über den Waffengebrauch des Militärs) noch obendrein hinzu." (Mayer Bd. I,
S. 374.)

„Aber," fährt Katte fort, „der Geschäftsbetrieb der Heeresverwaltung be¬
schränkt sich nicht auf militärische Gebäude. Er entfaltet sich auch in Märschen,
Paraden, Aufstellungen auf öffentlichen Straßen usw. Hier ebenso wie im eigenen
Hause übt das Militär seine eigenen polizeilichen Funktionen gegen Störungen
jeder Art aus. Die Straße wird durch Posten gesperrt, der eilige Fußgänger,
der den Fahrdamm passieren will, sieht sich mit Gewalt daran verhindert. Er
muß warten, bis das Militär vorüber ist, und würde z. B. ein Fuhrmann es
wagen, mit seinem Wagen durch die Reihen der marschierenden Soldaten hindurch
zu fahren, so wäre es ein vollkommen ordnungsmäßiges Verhalten des Truppen¬
führers, ihn durch Soldaten festnehmen und auf die nächste Polizeiwache führen
zu lassen. ,Das ist nicht, wie es scheinen könnte, einfache Gewalt, sondern
Selbstverteidigung einer gegen Störungen allerdings sehr empfindlichen öffent¬
lichen Gewalt, Polizei'." (Mayer a. a. O.)

Tiefer noch steigt mit seinen Beweisen Herr Dr. Kahn, ein bekannter Rechts¬
anwalt in Mainz, der konservativer Gesinnung nicht verdächtig ist.

Von den vielen rechtlichen Anfechtungen, die die einzelnen Vorfälle erfahren
haben, kommen, nach seiner Auffassung, insbesondere die nachfolgenden drei
Punkte in Betracht:

„1. Der Vorfall vom 28. November auf dem Schloßplatz in Zabern (Auf¬
forderung der Menge zum Auseinandergehen nach erfolgten: Signal, Verhaftung
verschiedener Personen und deren Inhaftierung in der Kaserne während der
Nacht).

2. Die Frage des Verhaftungsrechts der Posten und Wachen gegen
Zivilisten überhaupt.

3. Der Vorfall in Dettweiler (Verhaftung des Schuhmachers Blank unter
dem Verdacht, ein beleidigendes Wort gerufen zu haben; Gebrauch der Waffe
gegen Blank bei dessen Versuch, sich der Verhaftung zu entziehen).

Die wichtigste gesetzliche Grundlage für alle drei in Betracht kommenden
Punkte ist das preußische Gesetz vom 20. März 1837. das zufolge Artikel 61
der Reichsverfassung auch im Reiche gilt, während für Elsaß-Lothringen ein
inhaltlich gleichlautendes Gesetz unter dem 28. März 1872 erlassen ist. Mit
diesem Gesetz steht im engsten Zusammenhang die Verordnung vom 17. August
1835 und die zu dem Gesetz erlassene kriegsministerielle Instruktion vom
1. Mai 1851. Für den Vorfall vom 28. November kommt nun zunächst § 11
des Gesetzes von 1837 in Verbindung mit Z 8 der Verordnung von 1835 in
Anwendung, welcher lautet:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/537>, abgerufen am 25.05.2024.