Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Aarl Goedeke

auf, weil er dann nicht mehr schaden kann. Aber der edle Herr will immer
vorher gefragt fein."

"Hängen darf er nicht I" Heilwig war aufgefahren, und der Vogt kniff seine
kleinen Augen zusammen und rieb den geschorenen Kopf.

"Anderswo darf der Vogt solch Gesinde! hängen!" murrte er. "Was soll
man sonst mit ihnen beginnen? Sie schaden nur!"

(Fortsetzung folgt)




Rarl Goedeke
Zu seinem hundertsten Geburtstage
Dr. Hans Hirschstein von

n der Zeit, da sich mit der politischen Befreiung unseres Volkes
von fremdem Joche die geistige vollendete, da die Romantik mit
der Hebung längst vergessener Geistesschätze und mit der Erweckung
des geschichtlichen Denkens der deutschen Kultur ungeahnte Werte
erschloß und dem nationalen Gedanken die festen Grundlagen
schuf, auf denen das neunzehnte Jahrhundert weiterbauen sollte, erblickte Karl
Ludwig Goedeke, einer der bedeutsamsten Vertreter und Förderer der deutschen
Literaturwissenschaft, das Licht der Welt. Am 15. April 1814 zu Celle als
Sohn eines wohlhabenden und geachteten Maurermeisters geboren, besuchte er
zuerst die unteren Klassen des Gymnasiums seiner Vaterstadt und bezog Michaelis
1828 das Pädagogium zu Ilfeld am Harz. Schon während seiner Schulzeit
wandte er der deutschen Literatur besondere Teilnahme zu. So studierte er
denn auch an der Göttinger Universität von Ostern 1833 bis 1838 vorzüglich
Philologie und Literaturgeschichte. Neben Dahlmann und Gervinus gaben ihm
besonders die Brüder Grimm reichste Anregung, denen er stets in gleicher
Liebe und Dankbarkeit anhing. Einen Abschluß in Promotion oder Staats¬
examen fanden seine Studien nicht. Der Hauptgrund hierfür ist wohl in
seiner gerade damals hervortretenden dichterischen und der durch die politischen
Ereignisse des Jahres 1837 hervorgerufenen journalistischen Tätigkeit zu er¬
blicken.

In diesem Jahre bestieg nämlich Königin Viktoria, die Nichte Wilhelms
des Vierten, als nächste Erbberechtigte den englischen Thron. Das in Hannover
geltende salische Gesetz löste dessen Personalunion mit England, die seit 1714
bestand, dem Jahre, da Georg der Erste als Sohn der Kurfürstin Sophie von
Hannover und Urenkel Jakobs des Ersten auf Grund der Sukzessionsakte von
1701 den englischen Thron bestiegen hatte. Hannover fiel Ernst August, dem


Aarl Goedeke

auf, weil er dann nicht mehr schaden kann. Aber der edle Herr will immer
vorher gefragt fein."

„Hängen darf er nicht I" Heilwig war aufgefahren, und der Vogt kniff seine
kleinen Augen zusammen und rieb den geschorenen Kopf.

„Anderswo darf der Vogt solch Gesinde! hängen!" murrte er. „Was soll
man sonst mit ihnen beginnen? Sie schaden nur!"

(Fortsetzung folgt)




Rarl Goedeke
Zu seinem hundertsten Geburtstage
Dr. Hans Hirschstein von

n der Zeit, da sich mit der politischen Befreiung unseres Volkes
von fremdem Joche die geistige vollendete, da die Romantik mit
der Hebung längst vergessener Geistesschätze und mit der Erweckung
des geschichtlichen Denkens der deutschen Kultur ungeahnte Werte
erschloß und dem nationalen Gedanken die festen Grundlagen
schuf, auf denen das neunzehnte Jahrhundert weiterbauen sollte, erblickte Karl
Ludwig Goedeke, einer der bedeutsamsten Vertreter und Förderer der deutschen
Literaturwissenschaft, das Licht der Welt. Am 15. April 1814 zu Celle als
Sohn eines wohlhabenden und geachteten Maurermeisters geboren, besuchte er
zuerst die unteren Klassen des Gymnasiums seiner Vaterstadt und bezog Michaelis
1828 das Pädagogium zu Ilfeld am Harz. Schon während seiner Schulzeit
wandte er der deutschen Literatur besondere Teilnahme zu. So studierte er
denn auch an der Göttinger Universität von Ostern 1833 bis 1838 vorzüglich
Philologie und Literaturgeschichte. Neben Dahlmann und Gervinus gaben ihm
besonders die Brüder Grimm reichste Anregung, denen er stets in gleicher
Liebe und Dankbarkeit anhing. Einen Abschluß in Promotion oder Staats¬
examen fanden seine Studien nicht. Der Hauptgrund hierfür ist wohl in
seiner gerade damals hervortretenden dichterischen und der durch die politischen
Ereignisse des Jahres 1837 hervorgerufenen journalistischen Tätigkeit zu er¬
blicken.

In diesem Jahre bestieg nämlich Königin Viktoria, die Nichte Wilhelms
des Vierten, als nächste Erbberechtigte den englischen Thron. Das in Hannover
geltende salische Gesetz löste dessen Personalunion mit England, die seit 1714
bestand, dem Jahre, da Georg der Erste als Sohn der Kurfürstin Sophie von
Hannover und Urenkel Jakobs des Ersten auf Grund der Sukzessionsakte von
1701 den englischen Thron bestiegen hatte. Hannover fiel Ernst August, dem


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0094" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328194"/>
          <fw type="header" place="top"> Aarl Goedeke</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_388" prev="#ID_387"> auf, weil er dann nicht mehr schaden kann. Aber der edle Herr will immer<lb/>
vorher gefragt fein."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_389"> &#x201E;Hängen darf er nicht I" Heilwig war aufgefahren, und der Vogt kniff seine<lb/>
kleinen Augen zusammen und rieb den geschorenen Kopf.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_390"> &#x201E;Anderswo darf der Vogt solch Gesinde! hängen!" murrte er. &#x201E;Was soll<lb/>
man sonst mit ihnen beginnen? Sie schaden nur!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_391"> (Fortsetzung folgt)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Rarl Goedeke<lb/>
Zu seinem hundertsten Geburtstage<lb/><note type="byline"> Dr. Hans Hirschstein</note> von</head><lb/>
          <p xml:id="ID_392"> n der Zeit, da sich mit der politischen Befreiung unseres Volkes<lb/>
von fremdem Joche die geistige vollendete, da die Romantik mit<lb/>
der Hebung längst vergessener Geistesschätze und mit der Erweckung<lb/>
des geschichtlichen Denkens der deutschen Kultur ungeahnte Werte<lb/>
erschloß und dem nationalen Gedanken die festen Grundlagen<lb/>
schuf, auf denen das neunzehnte Jahrhundert weiterbauen sollte, erblickte Karl<lb/>
Ludwig Goedeke, einer der bedeutsamsten Vertreter und Förderer der deutschen<lb/>
Literaturwissenschaft, das Licht der Welt. Am 15. April 1814 zu Celle als<lb/>
Sohn eines wohlhabenden und geachteten Maurermeisters geboren, besuchte er<lb/>
zuerst die unteren Klassen des Gymnasiums seiner Vaterstadt und bezog Michaelis<lb/>
1828 das Pädagogium zu Ilfeld am Harz. Schon während seiner Schulzeit<lb/>
wandte er der deutschen Literatur besondere Teilnahme zu. So studierte er<lb/>
denn auch an der Göttinger Universität von Ostern 1833 bis 1838 vorzüglich<lb/>
Philologie und Literaturgeschichte. Neben Dahlmann und Gervinus gaben ihm<lb/>
besonders die Brüder Grimm reichste Anregung, denen er stets in gleicher<lb/>
Liebe und Dankbarkeit anhing. Einen Abschluß in Promotion oder Staats¬<lb/>
examen fanden seine Studien nicht. Der Hauptgrund hierfür ist wohl in<lb/>
seiner gerade damals hervortretenden dichterischen und der durch die politischen<lb/>
Ereignisse des Jahres 1837 hervorgerufenen journalistischen Tätigkeit zu er¬<lb/>
blicken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_393" next="#ID_394"> In diesem Jahre bestieg nämlich Königin Viktoria, die Nichte Wilhelms<lb/>
des Vierten, als nächste Erbberechtigte den englischen Thron. Das in Hannover<lb/>
geltende salische Gesetz löste dessen Personalunion mit England, die seit 1714<lb/>
bestand, dem Jahre, da Georg der Erste als Sohn der Kurfürstin Sophie von<lb/>
Hannover und Urenkel Jakobs des Ersten auf Grund der Sukzessionsakte von<lb/>
1701 den englischen Thron bestiegen hatte. Hannover fiel Ernst August, dem</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0094] Aarl Goedeke auf, weil er dann nicht mehr schaden kann. Aber der edle Herr will immer vorher gefragt fein." „Hängen darf er nicht I" Heilwig war aufgefahren, und der Vogt kniff seine kleinen Augen zusammen und rieb den geschorenen Kopf. „Anderswo darf der Vogt solch Gesinde! hängen!" murrte er. „Was soll man sonst mit ihnen beginnen? Sie schaden nur!" (Fortsetzung folgt) Rarl Goedeke Zu seinem hundertsten Geburtstage Dr. Hans Hirschstein von n der Zeit, da sich mit der politischen Befreiung unseres Volkes von fremdem Joche die geistige vollendete, da die Romantik mit der Hebung längst vergessener Geistesschätze und mit der Erweckung des geschichtlichen Denkens der deutschen Kultur ungeahnte Werte erschloß und dem nationalen Gedanken die festen Grundlagen schuf, auf denen das neunzehnte Jahrhundert weiterbauen sollte, erblickte Karl Ludwig Goedeke, einer der bedeutsamsten Vertreter und Förderer der deutschen Literaturwissenschaft, das Licht der Welt. Am 15. April 1814 zu Celle als Sohn eines wohlhabenden und geachteten Maurermeisters geboren, besuchte er zuerst die unteren Klassen des Gymnasiums seiner Vaterstadt und bezog Michaelis 1828 das Pädagogium zu Ilfeld am Harz. Schon während seiner Schulzeit wandte er der deutschen Literatur besondere Teilnahme zu. So studierte er denn auch an der Göttinger Universität von Ostern 1833 bis 1838 vorzüglich Philologie und Literaturgeschichte. Neben Dahlmann und Gervinus gaben ihm besonders die Brüder Grimm reichste Anregung, denen er stets in gleicher Liebe und Dankbarkeit anhing. Einen Abschluß in Promotion oder Staats¬ examen fanden seine Studien nicht. Der Hauptgrund hierfür ist wohl in seiner gerade damals hervortretenden dichterischen und der durch die politischen Ereignisse des Jahres 1837 hervorgerufenen journalistischen Tätigkeit zu er¬ blicken. In diesem Jahre bestieg nämlich Königin Viktoria, die Nichte Wilhelms des Vierten, als nächste Erbberechtigte den englischen Thron. Das in Hannover geltende salische Gesetz löste dessen Personalunion mit England, die seit 1714 bestand, dem Jahre, da Georg der Erste als Sohn der Kurfürstin Sophie von Hannover und Urenkel Jakobs des Ersten auf Grund der Sukzessionsakte von 1701 den englischen Thron bestiegen hatte. Hannover fiel Ernst August, dem

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/94
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/94>, abgerufen am 16.06.2024.