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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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Der Vernichtungskrieg und seine Folgen

Pflicht gegen unseren neuen Bundesgenossen, die Türkei, diesen Austrag. Ein
vorzeitiger Friede, ein solcher, der nicht die Bedingungen des Falls der
englischen Hegemonie in sich schließt -- sofern es uns nicht gelingen sollte, dies
Land direkt militärisch niederzuringen --, würde die planmäßige Unterjochung
des mohammedanischen Elements in den nächsten Jahren mit Bestimmtheit
herbeiführen, und damit wäre die erfolgreichste Möglichkeit zur Bekämpfung
des Jnselrcichs, der Abfall der Kolonien, zum größten Teil von vornherein
auszuscheiden.

An einen solchen vorzeitigen Frieden scheint aber England in eigenem
Interesse bereits jetzt zu denken, wenn es allerlei Notizen über angebliche deutsche
Kriegsmüdigkeit in auswärtige Blätter bringen läßt; und folgerichtig bereitet
es sich jetzt schon auf den nächsten endgültigen Wassergang vor, indem es nicht
sowohl die deutschen Kämpfer außer Gefecht zu setzen, sondern die deutsche
Volkszahl dauernd herabzumindern, die deutsche wirtschaftliche Lage dauernd zu
schädigen eifrigst bemüht ist.

Ich halte die unwürdigen Verhältnisse in den englischen Konzentrations¬
lagern, die Verwendung von Expansionsgeschossen, neuerdings mit Phosphor¬
füllung, sowie den wirtschaftlichen Krieg für eine wohldurchdachte Vorbereitung
für den nächsten Krieg, falls der jetzige die Vernichtung Deutschlands nicht
herbeiführen sollte.

Bei den von uns beklagten Verstößen gegen die Genfer Konvention, sowie
gegen sonstige Grundsätze des Völkerrechts, ist streng zu unterscheiden zwischen
den von einzelnen Personen im Zustande der Erregung begangenen Verbrechen
und den Verbrechen von Staats wegen. Die Verbrechen von Einzelpersonen
find gewiß zu beklagen und erfordern strenge Gegenmaßregeln. Immerhin sind
diese "Franktireurtaten" leichter zu unterdrücken und schaden auch der Zukunft
unseres Volkes weniger, als das gesetzwidrige Vorgehen der feindlichen Staaten.
Das Land des Franktireurtums par excellenLs ist stets Frankreich gewesen,
woher ja auch der Name stammt; und trotzdem sind wir stets geneigt gewesen,
die Franzosen als Gegner zu achten und in gute Beziehungen zu Frankreich zu
treten. Das Land aber, welches immer kalten Blutes zur Vernichtung des
Gegners die grausamsten Verbrechen begangen hat, ist England gewesen --
und hier dürfen wir nicht verzeihen!

Grausamste Vernichtung verbrämt mit ekelhafter Heuchelei war von jeher
die Gewohnheit englischer Staatsleitung. Der eigentliche Vater des "cant"
ist der politische Tartüffe sans pkrase, Oliver Cromwell, der es fertig brachte,
die unmündigen Kinder seiner politischen Widersacher, des katholischen Adels,
in ihren Schlössern zu verbrennen, und dann in frommen Briefen zu erzählen,
daß es Gott dem Herrn gefallen habe, die Papistenbrut dem Flammentode zu
überliefern! Und in würdiger Nachfolge schufen die Engländer die berüchtigten
Konzentrationslager des Burenkrieges, in denen während des Krieges 25 000
Burenfrauen und Kinder am Hungertyphus starben. Da aber diese Lager


Der Vernichtungskrieg und seine Folgen

Pflicht gegen unseren neuen Bundesgenossen, die Türkei, diesen Austrag. Ein
vorzeitiger Friede, ein solcher, der nicht die Bedingungen des Falls der
englischen Hegemonie in sich schließt — sofern es uns nicht gelingen sollte, dies
Land direkt militärisch niederzuringen —, würde die planmäßige Unterjochung
des mohammedanischen Elements in den nächsten Jahren mit Bestimmtheit
herbeiführen, und damit wäre die erfolgreichste Möglichkeit zur Bekämpfung
des Jnselrcichs, der Abfall der Kolonien, zum größten Teil von vornherein
auszuscheiden.

An einen solchen vorzeitigen Frieden scheint aber England in eigenem
Interesse bereits jetzt zu denken, wenn es allerlei Notizen über angebliche deutsche
Kriegsmüdigkeit in auswärtige Blätter bringen läßt; und folgerichtig bereitet
es sich jetzt schon auf den nächsten endgültigen Wassergang vor, indem es nicht
sowohl die deutschen Kämpfer außer Gefecht zu setzen, sondern die deutsche
Volkszahl dauernd herabzumindern, die deutsche wirtschaftliche Lage dauernd zu
schädigen eifrigst bemüht ist.

Ich halte die unwürdigen Verhältnisse in den englischen Konzentrations¬
lagern, die Verwendung von Expansionsgeschossen, neuerdings mit Phosphor¬
füllung, sowie den wirtschaftlichen Krieg für eine wohldurchdachte Vorbereitung
für den nächsten Krieg, falls der jetzige die Vernichtung Deutschlands nicht
herbeiführen sollte.

Bei den von uns beklagten Verstößen gegen die Genfer Konvention, sowie
gegen sonstige Grundsätze des Völkerrechts, ist streng zu unterscheiden zwischen
den von einzelnen Personen im Zustande der Erregung begangenen Verbrechen
und den Verbrechen von Staats wegen. Die Verbrechen von Einzelpersonen
find gewiß zu beklagen und erfordern strenge Gegenmaßregeln. Immerhin sind
diese „Franktireurtaten" leichter zu unterdrücken und schaden auch der Zukunft
unseres Volkes weniger, als das gesetzwidrige Vorgehen der feindlichen Staaten.
Das Land des Franktireurtums par excellenLs ist stets Frankreich gewesen,
woher ja auch der Name stammt; und trotzdem sind wir stets geneigt gewesen,
die Franzosen als Gegner zu achten und in gute Beziehungen zu Frankreich zu
treten. Das Land aber, welches immer kalten Blutes zur Vernichtung des
Gegners die grausamsten Verbrechen begangen hat, ist England gewesen —
und hier dürfen wir nicht verzeihen!

Grausamste Vernichtung verbrämt mit ekelhafter Heuchelei war von jeher
die Gewohnheit englischer Staatsleitung. Der eigentliche Vater des „cant"
ist der politische Tartüffe sans pkrase, Oliver Cromwell, der es fertig brachte,
die unmündigen Kinder seiner politischen Widersacher, des katholischen Adels,
in ihren Schlössern zu verbrennen, und dann in frommen Briefen zu erzählen,
daß es Gott dem Herrn gefallen habe, die Papistenbrut dem Flammentode zu
überliefern! Und in würdiger Nachfolge schufen die Engländer die berüchtigten
Konzentrationslager des Burenkrieges, in denen während des Krieges 25 000
Burenfrauen und Kinder am Hungertyphus starben. Da aber diese Lager


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/112>, abgerufen am 29.05.2024.