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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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Ziele des 1<riegcs

Selbstzweck, sondern eines der Mittel zum Zweck. Um so unerläßlicher ist die
Klarheit über diesen Zweck.

Auf Grund dieser Vorbemerkungen erhebt sich mit verdoppelter Dringlichkeit
die Frage: wissen wir, was wir von diesem Kriege wollen? Die Hoffnung
scheint berechtigt, daß die meisten unserer Volksgenossen über die unmittelbare
Antwort: "Die Vernichtung unserer Gegner" zu der weiteren und wichtigeren:
"Deutschland als Weltmacht" vorgedrungen sind. Aber auf welchem Wege
dieses Ziel zu erreichen ist, darüber zerbrechen sich wohl nur wenige den Kopf
-- wenn anders der Überblick über Tagespresse und "Erscheinungen ein zu¬
treffendes Urteil gestatten.

Und doch ist auch dies wichtig. Es genügt nicht, alles den leitenden
Staatsmännern anzuvertrauen oder eine Erörterung als taktlos und unangebracht
abzulehnen. Gewiß entziehen sich die Einzelheiten der allgemeinen Beurteilung.
Aber anderseits ist die Führung einer erfolgreichen Politik in unserem Zeit¬
alter der Parlamente, der Selbstverwaltung und der umfassenden Heranziehung
der Laien zu Staatsgeschäften nur bei der bewußten Mitarbeit und Zustimmung
dieser Kreise möglich.

Der Lauf der Ereignisse hat erwiesen, daß die Forderungen, die ich in
meinem Aufsatz über "Deutschen Imperialismus" (Heft Ur. 21, Jahrgang 72
der Grenzboten) als unerläßlich für Deutschlands Stellung als Weltmacht er¬
hoben habe, berechtigt gewesen sind: Festigung der Stellung Deutsch¬
lands als mitteleuropäischer Großmacht und in zweiter Linie Ver¬
größerung seines überseeischen Gebietes. Nur deshalb hat Deutschland
dem Ansturm seiner Feinde bisher so erfolgreich Widerstand zu leisten vermocht,
weil es militärisch gerüstet war, wie nie zuvor ein anderes Volk, und weil
eine gleichmäßige Entwicklung aller seiner Erwerbsstände ihm eine wirtschaftliche
Kriegsbereitschaft und Unabhängigkeit vom Auslande gewährte.

Die deutsche Wirtschaftspolitik hat also die ernsteste Probe erfolgreich be¬
standen. Es kann sich daher in Zukunft nur darum handeln, sie weiter aus¬
zubauen und das Deutsche Reich dem Ideal einer Weltmacht, dem sich selbst
genügenden Staat (Autarkie) näher zu bringen. Eine, wenn möglich, völlige
Unabhängigkeit vom Auslande in der Beschaffung unserer Rohprodukte, eine
möglichst gleichmäßige gedeihliche Entwicklung aller Erwerbsstände -- Land¬
wirtschaft, Gewerbe und Handel -- werden vor allem am besten dazu dienen,
Deutschland gegen alle künftigen Angriffe zu wappnen und seine Stellung als
mitteleuropäische Großmacht zu festigen. Nur soweit sie diesem Zwecke dienen,
werden also die Forderungen zu bemessen sein, die wir an den Ausgang diese?
Krieges knüpfen.

In die Praxis übertragen ergibt sich somit für Deutschland ein zweifaches
Gebot: zunächst Landerwerb soweit zu fordern/ und zwar unbedingt
zu fordern, als er zur strategischen Sicherung, also zur Gewähr¬
leistung eines dauernden Friedens notwendig ist: und ferner, darüber


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Selbstzweck, sondern eines der Mittel zum Zweck. Um so unerläßlicher ist die
Klarheit über diesen Zweck.

Auf Grund dieser Vorbemerkungen erhebt sich mit verdoppelter Dringlichkeit
die Frage: wissen wir, was wir von diesem Kriege wollen? Die Hoffnung
scheint berechtigt, daß die meisten unserer Volksgenossen über die unmittelbare
Antwort: „Die Vernichtung unserer Gegner" zu der weiteren und wichtigeren:
„Deutschland als Weltmacht" vorgedrungen sind. Aber auf welchem Wege
dieses Ziel zu erreichen ist, darüber zerbrechen sich wohl nur wenige den Kopf
— wenn anders der Überblick über Tagespresse und »Erscheinungen ein zu¬
treffendes Urteil gestatten.

Und doch ist auch dies wichtig. Es genügt nicht, alles den leitenden
Staatsmännern anzuvertrauen oder eine Erörterung als taktlos und unangebracht
abzulehnen. Gewiß entziehen sich die Einzelheiten der allgemeinen Beurteilung.
Aber anderseits ist die Führung einer erfolgreichen Politik in unserem Zeit¬
alter der Parlamente, der Selbstverwaltung und der umfassenden Heranziehung
der Laien zu Staatsgeschäften nur bei der bewußten Mitarbeit und Zustimmung
dieser Kreise möglich.

Der Lauf der Ereignisse hat erwiesen, daß die Forderungen, die ich in
meinem Aufsatz über „Deutschen Imperialismus" (Heft Ur. 21, Jahrgang 72
der Grenzboten) als unerläßlich für Deutschlands Stellung als Weltmacht er¬
hoben habe, berechtigt gewesen sind: Festigung der Stellung Deutsch¬
lands als mitteleuropäischer Großmacht und in zweiter Linie Ver¬
größerung seines überseeischen Gebietes. Nur deshalb hat Deutschland
dem Ansturm seiner Feinde bisher so erfolgreich Widerstand zu leisten vermocht,
weil es militärisch gerüstet war, wie nie zuvor ein anderes Volk, und weil
eine gleichmäßige Entwicklung aller seiner Erwerbsstände ihm eine wirtschaftliche
Kriegsbereitschaft und Unabhängigkeit vom Auslande gewährte.

Die deutsche Wirtschaftspolitik hat also die ernsteste Probe erfolgreich be¬
standen. Es kann sich daher in Zukunft nur darum handeln, sie weiter aus¬
zubauen und das Deutsche Reich dem Ideal einer Weltmacht, dem sich selbst
genügenden Staat (Autarkie) näher zu bringen. Eine, wenn möglich, völlige
Unabhängigkeit vom Auslande in der Beschaffung unserer Rohprodukte, eine
möglichst gleichmäßige gedeihliche Entwicklung aller Erwerbsstände — Land¬
wirtschaft, Gewerbe und Handel — werden vor allem am besten dazu dienen,
Deutschland gegen alle künftigen Angriffe zu wappnen und seine Stellung als
mitteleuropäische Großmacht zu festigen. Nur soweit sie diesem Zwecke dienen,
werden also die Forderungen zu bemessen sein, die wir an den Ausgang diese?
Krieges knüpfen.

In die Praxis übertragen ergibt sich somit für Deutschland ein zweifaches
Gebot: zunächst Landerwerb soweit zu fordern/ und zwar unbedingt
zu fordern, als er zur strategischen Sicherung, also zur Gewähr¬
leistung eines dauernden Friedens notwendig ist: und ferner, darüber


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[0176] Ziele des 1<riegcs Selbstzweck, sondern eines der Mittel zum Zweck. Um so unerläßlicher ist die Klarheit über diesen Zweck. Auf Grund dieser Vorbemerkungen erhebt sich mit verdoppelter Dringlichkeit die Frage: wissen wir, was wir von diesem Kriege wollen? Die Hoffnung scheint berechtigt, daß die meisten unserer Volksgenossen über die unmittelbare Antwort: „Die Vernichtung unserer Gegner" zu der weiteren und wichtigeren: „Deutschland als Weltmacht" vorgedrungen sind. Aber auf welchem Wege dieses Ziel zu erreichen ist, darüber zerbrechen sich wohl nur wenige den Kopf — wenn anders der Überblick über Tagespresse und »Erscheinungen ein zu¬ treffendes Urteil gestatten. Und doch ist auch dies wichtig. Es genügt nicht, alles den leitenden Staatsmännern anzuvertrauen oder eine Erörterung als taktlos und unangebracht abzulehnen. Gewiß entziehen sich die Einzelheiten der allgemeinen Beurteilung. Aber anderseits ist die Führung einer erfolgreichen Politik in unserem Zeit¬ alter der Parlamente, der Selbstverwaltung und der umfassenden Heranziehung der Laien zu Staatsgeschäften nur bei der bewußten Mitarbeit und Zustimmung dieser Kreise möglich. Der Lauf der Ereignisse hat erwiesen, daß die Forderungen, die ich in meinem Aufsatz über „Deutschen Imperialismus" (Heft Ur. 21, Jahrgang 72 der Grenzboten) als unerläßlich für Deutschlands Stellung als Weltmacht er¬ hoben habe, berechtigt gewesen sind: Festigung der Stellung Deutsch¬ lands als mitteleuropäischer Großmacht und in zweiter Linie Ver¬ größerung seines überseeischen Gebietes. Nur deshalb hat Deutschland dem Ansturm seiner Feinde bisher so erfolgreich Widerstand zu leisten vermocht, weil es militärisch gerüstet war, wie nie zuvor ein anderes Volk, und weil eine gleichmäßige Entwicklung aller seiner Erwerbsstände ihm eine wirtschaftliche Kriegsbereitschaft und Unabhängigkeit vom Auslande gewährte. Die deutsche Wirtschaftspolitik hat also die ernsteste Probe erfolgreich be¬ standen. Es kann sich daher in Zukunft nur darum handeln, sie weiter aus¬ zubauen und das Deutsche Reich dem Ideal einer Weltmacht, dem sich selbst genügenden Staat (Autarkie) näher zu bringen. Eine, wenn möglich, völlige Unabhängigkeit vom Auslande in der Beschaffung unserer Rohprodukte, eine möglichst gleichmäßige gedeihliche Entwicklung aller Erwerbsstände — Land¬ wirtschaft, Gewerbe und Handel — werden vor allem am besten dazu dienen, Deutschland gegen alle künftigen Angriffe zu wappnen und seine Stellung als mitteleuropäische Großmacht zu festigen. Nur soweit sie diesem Zwecke dienen, werden also die Forderungen zu bemessen sein, die wir an den Ausgang diese? Krieges knüpfen. In die Praxis übertragen ergibt sich somit für Deutschland ein zweifaches Gebot: zunächst Landerwerb soweit zu fordern/ und zwar unbedingt zu fordern, als er zur strategischen Sicherung, also zur Gewähr¬ leistung eines dauernden Friedens notwendig ist: und ferner, darüber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/176>, abgerufen am 31.05.2024.