Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Krieg und (vedlandkultur

etwa 100000 Hektar. Von den preußischen Provinzen verfügt Hannover über
die bedeutendste Moorfläche, nämlich 662000 Hektar.

Die ersten Ansätze zu einer erfolgreichen Moorkultur wurden im 16. Jahr"
hundert in Holland unternommen. Die sogenannte holländische Veenkultur
bestand darin, daß man zur Schaffung von Absatzwegen für den Torf einen
Hauptkanal und zur Entwässerung zahlreiche Seitenkanäle anlegte, die oberste,
Bunkerde genannte Schicht des entwässerten Moores sorgfältig abhob, den
darunter liegenden Torf abstach, trocknete, als Brennmaterial verkaufte, und
auf dem enttorften Boden nun durch Vermischen der Bunkerde mit Sand- und
Stadtkehricht eine kulturfähige Fläche herstellte. Die Nachahmungen dieser
holländischen Moorkultur bei Osnabrück und Bremen sowie in Ostfriesland
hatten nur bei Bremen einigen Erfolg, da hier mit Umsicht vorgegangen wurde.
Eine allgemein verwertbare Kulturform brachte die holländische Veenkultur
nicht. Das lag hauptsächlich daran, daß es an dem notwendigen Dünger
fehlte. Erst als das Kali, der für die Moorkultur wichtigste Pflanzennährstoff,
in großen und für die Moorkultur geeigneten Mengen verfügbar wurde, war
es möglich, eine Moorkultur auf breiterer Grundlage durchzusetzen.

Hat es auch sonst an zahlreichen Bemühungen, die Moorkultur in Deutsch¬
land zu fördern, nicht gefehlt, so ist man doch von einer allgemeinen Kulti¬
vierung der Moorflächen noch weit entfernt. Der Grund dafür lag namentlich
darin, daß es bisher an größeren Mitteln zur Ausführung umfangreicherer
Pläne gefehlt hat. Darin wird aber jetzt ein Wandel eintreten, und die
wirtschaftliche Bedeutung der Moore -- teils als Futterland, teils als Getreide
produzierendes Land -- wird mehr und mehr erkannt werden; es wird sich
zeigen, daß die Moore tatsächlich eine unbenutzte Provinz auf heimatlichen
Boden bilden; hat man doch berechnet, daß die kultursähigen Flächen, als
Wiesen bebaut, jährlich rund 2^ Millionen Stück Großvieh mehr ernähren
würden als jetzt.

Während des Krieges hat sich, soweit berichtet wurde, nur die Verwaltung
des hannoverschen Kreises Fallingbosttl die Kultivierung der Moore angelegen
sein lassen und hierfür 2000 Kriegsgefangene zur Verfügung gestellt bekommen.
Nach dem Beispiele des Kreises Fallingbostel hat sich auch die Verwaltung des
Kreises Gifhorn entschlossen, die Moor--- und Ödlandkultur energisch in Angriff
zu nehmen. Sie erwarb kürzlich 1260 Morgen, wovon 300 Morgen au¬
leichten Sandboden und 960 Morgen auf Moorflächen entfallen. Die Kulti¬
vierungsarbeiten werden durch 500 Kriegsgefangene ausgeführt. Die Kulti¬
vierung von Ödflächcn durch Kriegsgefangene nimmt in der Provinz Hannover
immer größeren Umfang an. Im Kreise Versenvrück sollen bei der Ent¬
wässerung von 600 Hektar Hochmoor 1500 russische Kriegsgefangene beschäftigt
werden. 750 Gefangene sollen die Kultivierung des Königlichen Moores bei
Tostedt, wobei bisher Strafgefangene beschäftigt wurden, fortführen. In dem
Rodewalder Bruch bei Neustadt a. Nbg., wo 1500 Gefangene beschäftigt


Krieg und (vedlandkultur

etwa 100000 Hektar. Von den preußischen Provinzen verfügt Hannover über
die bedeutendste Moorfläche, nämlich 662000 Hektar.

Die ersten Ansätze zu einer erfolgreichen Moorkultur wurden im 16. Jahr»
hundert in Holland unternommen. Die sogenannte holländische Veenkultur
bestand darin, daß man zur Schaffung von Absatzwegen für den Torf einen
Hauptkanal und zur Entwässerung zahlreiche Seitenkanäle anlegte, die oberste,
Bunkerde genannte Schicht des entwässerten Moores sorgfältig abhob, den
darunter liegenden Torf abstach, trocknete, als Brennmaterial verkaufte, und
auf dem enttorften Boden nun durch Vermischen der Bunkerde mit Sand- und
Stadtkehricht eine kulturfähige Fläche herstellte. Die Nachahmungen dieser
holländischen Moorkultur bei Osnabrück und Bremen sowie in Ostfriesland
hatten nur bei Bremen einigen Erfolg, da hier mit Umsicht vorgegangen wurde.
Eine allgemein verwertbare Kulturform brachte die holländische Veenkultur
nicht. Das lag hauptsächlich daran, daß es an dem notwendigen Dünger
fehlte. Erst als das Kali, der für die Moorkultur wichtigste Pflanzennährstoff,
in großen und für die Moorkultur geeigneten Mengen verfügbar wurde, war
es möglich, eine Moorkultur auf breiterer Grundlage durchzusetzen.

Hat es auch sonst an zahlreichen Bemühungen, die Moorkultur in Deutsch¬
land zu fördern, nicht gefehlt, so ist man doch von einer allgemeinen Kulti¬
vierung der Moorflächen noch weit entfernt. Der Grund dafür lag namentlich
darin, daß es bisher an größeren Mitteln zur Ausführung umfangreicherer
Pläne gefehlt hat. Darin wird aber jetzt ein Wandel eintreten, und die
wirtschaftliche Bedeutung der Moore — teils als Futterland, teils als Getreide
produzierendes Land — wird mehr und mehr erkannt werden; es wird sich
zeigen, daß die Moore tatsächlich eine unbenutzte Provinz auf heimatlichen
Boden bilden; hat man doch berechnet, daß die kultursähigen Flächen, als
Wiesen bebaut, jährlich rund 2^ Millionen Stück Großvieh mehr ernähren
würden als jetzt.

Während des Krieges hat sich, soweit berichtet wurde, nur die Verwaltung
des hannoverschen Kreises Fallingbosttl die Kultivierung der Moore angelegen
sein lassen und hierfür 2000 Kriegsgefangene zur Verfügung gestellt bekommen.
Nach dem Beispiele des Kreises Fallingbostel hat sich auch die Verwaltung des
Kreises Gifhorn entschlossen, die Moor--- und Ödlandkultur energisch in Angriff
zu nehmen. Sie erwarb kürzlich 1260 Morgen, wovon 300 Morgen au¬
leichten Sandboden und 960 Morgen auf Moorflächen entfallen. Die Kulti¬
vierungsarbeiten werden durch 500 Kriegsgefangene ausgeführt. Die Kulti¬
vierung von Ödflächcn durch Kriegsgefangene nimmt in der Provinz Hannover
immer größeren Umfang an. Im Kreise Versenvrück sollen bei der Ent¬
wässerung von 600 Hektar Hochmoor 1500 russische Kriegsgefangene beschäftigt
werden. 750 Gefangene sollen die Kultivierung des Königlichen Moores bei
Tostedt, wobei bisher Strafgefangene beschäftigt wurden, fortführen. In dem
Rodewalder Bruch bei Neustadt a. Nbg., wo 1500 Gefangene beschäftigt


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0325" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/323422"/>
          <fw type="header" place="top"> Krieg und (vedlandkultur</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1051" prev="#ID_1050"> etwa 100000 Hektar. Von den preußischen Provinzen verfügt Hannover über<lb/>
die bedeutendste Moorfläche, nämlich 662000 Hektar.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1052"> Die ersten Ansätze zu einer erfolgreichen Moorkultur wurden im 16. Jahr»<lb/>
hundert in Holland unternommen. Die sogenannte holländische Veenkultur<lb/>
bestand darin, daß man zur Schaffung von Absatzwegen für den Torf einen<lb/>
Hauptkanal und zur Entwässerung zahlreiche Seitenkanäle anlegte, die oberste,<lb/>
Bunkerde genannte Schicht des entwässerten Moores sorgfältig abhob, den<lb/>
darunter liegenden Torf abstach, trocknete, als Brennmaterial verkaufte, und<lb/>
auf dem enttorften Boden nun durch Vermischen der Bunkerde mit Sand- und<lb/>
Stadtkehricht eine kulturfähige Fläche herstellte. Die Nachahmungen dieser<lb/>
holländischen Moorkultur bei Osnabrück und Bremen sowie in Ostfriesland<lb/>
hatten nur bei Bremen einigen Erfolg, da hier mit Umsicht vorgegangen wurde.<lb/>
Eine allgemein verwertbare Kulturform brachte die holländische Veenkultur<lb/>
nicht. Das lag hauptsächlich daran, daß es an dem notwendigen Dünger<lb/>
fehlte. Erst als das Kali, der für die Moorkultur wichtigste Pflanzennährstoff,<lb/>
in großen und für die Moorkultur geeigneten Mengen verfügbar wurde, war<lb/>
es möglich, eine Moorkultur auf breiterer Grundlage durchzusetzen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1053"> Hat es auch sonst an zahlreichen Bemühungen, die Moorkultur in Deutsch¬<lb/>
land zu fördern, nicht gefehlt, so ist man doch von einer allgemeinen Kulti¬<lb/>
vierung der Moorflächen noch weit entfernt. Der Grund dafür lag namentlich<lb/>
darin, daß es bisher an größeren Mitteln zur Ausführung umfangreicherer<lb/>
Pläne gefehlt hat. Darin wird aber jetzt ein Wandel eintreten, und die<lb/>
wirtschaftliche Bedeutung der Moore &#x2014; teils als Futterland, teils als Getreide<lb/>
produzierendes Land &#x2014; wird mehr und mehr erkannt werden; es wird sich<lb/>
zeigen, daß die Moore tatsächlich eine unbenutzte Provinz auf heimatlichen<lb/>
Boden bilden; hat man doch berechnet, daß die kultursähigen Flächen, als<lb/>
Wiesen bebaut, jährlich rund 2^ Millionen Stück Großvieh mehr ernähren<lb/>
würden als jetzt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1054" next="#ID_1055"> Während des Krieges hat sich, soweit berichtet wurde, nur die Verwaltung<lb/>
des hannoverschen Kreises Fallingbosttl die Kultivierung der Moore angelegen<lb/>
sein lassen und hierfür 2000 Kriegsgefangene zur Verfügung gestellt bekommen.<lb/>
Nach dem Beispiele des Kreises Fallingbostel hat sich auch die Verwaltung des<lb/>
Kreises Gifhorn entschlossen, die Moor--- und Ödlandkultur energisch in Angriff<lb/>
zu nehmen. Sie erwarb kürzlich 1260 Morgen, wovon 300 Morgen au¬<lb/>
leichten Sandboden und 960 Morgen auf Moorflächen entfallen. Die Kulti¬<lb/>
vierungsarbeiten werden durch 500 Kriegsgefangene ausgeführt. Die Kulti¬<lb/>
vierung von Ödflächcn durch Kriegsgefangene nimmt in der Provinz Hannover<lb/>
immer größeren Umfang an. Im Kreise Versenvrück sollen bei der Ent¬<lb/>
wässerung von 600 Hektar Hochmoor 1500 russische Kriegsgefangene beschäftigt<lb/>
werden. 750 Gefangene sollen die Kultivierung des Königlichen Moores bei<lb/>
Tostedt, wobei bisher Strafgefangene beschäftigt wurden, fortführen. In dem<lb/>
Rodewalder Bruch bei Neustadt a. Nbg., wo 1500 Gefangene beschäftigt</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0325] Krieg und (vedlandkultur etwa 100000 Hektar. Von den preußischen Provinzen verfügt Hannover über die bedeutendste Moorfläche, nämlich 662000 Hektar. Die ersten Ansätze zu einer erfolgreichen Moorkultur wurden im 16. Jahr» hundert in Holland unternommen. Die sogenannte holländische Veenkultur bestand darin, daß man zur Schaffung von Absatzwegen für den Torf einen Hauptkanal und zur Entwässerung zahlreiche Seitenkanäle anlegte, die oberste, Bunkerde genannte Schicht des entwässerten Moores sorgfältig abhob, den darunter liegenden Torf abstach, trocknete, als Brennmaterial verkaufte, und auf dem enttorften Boden nun durch Vermischen der Bunkerde mit Sand- und Stadtkehricht eine kulturfähige Fläche herstellte. Die Nachahmungen dieser holländischen Moorkultur bei Osnabrück und Bremen sowie in Ostfriesland hatten nur bei Bremen einigen Erfolg, da hier mit Umsicht vorgegangen wurde. Eine allgemein verwertbare Kulturform brachte die holländische Veenkultur nicht. Das lag hauptsächlich daran, daß es an dem notwendigen Dünger fehlte. Erst als das Kali, der für die Moorkultur wichtigste Pflanzennährstoff, in großen und für die Moorkultur geeigneten Mengen verfügbar wurde, war es möglich, eine Moorkultur auf breiterer Grundlage durchzusetzen. Hat es auch sonst an zahlreichen Bemühungen, die Moorkultur in Deutsch¬ land zu fördern, nicht gefehlt, so ist man doch von einer allgemeinen Kulti¬ vierung der Moorflächen noch weit entfernt. Der Grund dafür lag namentlich darin, daß es bisher an größeren Mitteln zur Ausführung umfangreicherer Pläne gefehlt hat. Darin wird aber jetzt ein Wandel eintreten, und die wirtschaftliche Bedeutung der Moore — teils als Futterland, teils als Getreide produzierendes Land — wird mehr und mehr erkannt werden; es wird sich zeigen, daß die Moore tatsächlich eine unbenutzte Provinz auf heimatlichen Boden bilden; hat man doch berechnet, daß die kultursähigen Flächen, als Wiesen bebaut, jährlich rund 2^ Millionen Stück Großvieh mehr ernähren würden als jetzt. Während des Krieges hat sich, soweit berichtet wurde, nur die Verwaltung des hannoverschen Kreises Fallingbosttl die Kultivierung der Moore angelegen sein lassen und hierfür 2000 Kriegsgefangene zur Verfügung gestellt bekommen. Nach dem Beispiele des Kreises Fallingbostel hat sich auch die Verwaltung des Kreises Gifhorn entschlossen, die Moor--- und Ödlandkultur energisch in Angriff zu nehmen. Sie erwarb kürzlich 1260 Morgen, wovon 300 Morgen au¬ leichten Sandboden und 960 Morgen auf Moorflächen entfallen. Die Kulti¬ vierungsarbeiten werden durch 500 Kriegsgefangene ausgeführt. Die Kulti¬ vierung von Ödflächcn durch Kriegsgefangene nimmt in der Provinz Hannover immer größeren Umfang an. Im Kreise Versenvrück sollen bei der Ent¬ wässerung von 600 Hektar Hochmoor 1500 russische Kriegsgefangene beschäftigt werden. 750 Gefangene sollen die Kultivierung des Königlichen Moores bei Tostedt, wobei bisher Strafgefangene beschäftigt wurden, fortführen. In dem Rodewalder Bruch bei Neustadt a. Nbg., wo 1500 Gefangene beschäftigt

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/325
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/325>, abgerufen am 29.05.2024.