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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Frankreichs Werben um Belgien

In diesen letzten vierzehn Jahren sind unter anderen folgend" bedeutendere
Vereine zum Zwecke der Verbreitung französischer Sprache und französischen
Einflusses gegründet worden:

^Iliance ^ran?al8s, in mehreren Städten. Das Mutterinstitut in Paris
hält Prüfungen ab und verleiht Zeugnisse, ist also eine staatlich anerkannte
Anstalt. 1. Kongreß 1905 in Lüttich; 2" Kongreß 1909 in Arel; 3. Kongreß
1913 in Gent.

/^mitis8 ^ran?al8ö8, gegründet 1907 in Lüttich, Sitz ebenfalls in mehreren
Städten. Nach den Satzungen wollen sie "in einer mächtigen und tätigen
(aAlssante) Gesellschaft alle diejenigen vereinigen, welcher Partei oder welchem
Lande sie auch angehören, die in der französischen Kultur eine gemeinsame Lebens¬
form sehen" (Mrenes as I'lZst 1910/11, Seite 75). Die ständige Geschäftsstelle
befindet sich in Paris und wird von drei Franzosen geleitet.

Lsi-als8 cZe8 ^nnale3. Die Pariser Annales, die Zeitschrift des sentimentalen
Chauvinismus, gründete an mehreren Orten geschlossene Klubs; sie hatten mit
den vornehmeren Kreisen Fühlung.

t^öäsration internationale pour I'extension et Is, culture ac Is, lanZus
iiANLai8e, gegründet 1905 in Lüttich. Jährlich ein Kongreß. Der siebente
fand 1913 in Gent statt. Ehrenpräsident ist der französische Akademiker Henri
de Regnier.

I^S8 ^mi3 cle la lanZus kraneai8e. Sitz Löwen.

Diese Vereine vermittelten allen Städten Belgiens, in denen auch nur
ein geringer Bruchteil der Bevölkerung französisch spricht, wie zum Beispiel
in Gent und Arel, alle Regungen des Pariser Geistes. Daß diese Vereinigungen
fast sämtlich einen deutschfeindlichen Charakter trugen, ist bei den Zielen der
ganzen gegen den germanischen Einfluß gerichteten Bestrebung selbstverständlich.
Sehr gern wird deshalb über Elsaß-Lothringen gesprochen; so von Georges
Ducrocq, dem Herausgeber der treibenden Pariser Zeitschrift "l.es ^arene8
6e M8t", und von Ruyssen, Professor an der Universität Bordeaux. Sie
bezwecken damit, auch den Belgiern die französischen Scheuklappen anzulegen
und ihnen die Anschauung beizubringen, daß es eine elsaß-lothringische Frage
gibt, die mit internationaler Hilfe gelöst werden muß.

In Brüssel hatten sich im Jahre 1913 die Vereine schon derartig vermehrt,
daß Willmotte sie gar nicht mehr aufzählen kann. Derselbe Lütticher Hochschul¬
lehrer gibt auch einen offenherzigen Bericht über die Tätigkeit und Ziele der
Vereine (Ksvue 6e LelAique, 1913, Seite 1044): Eine einzige Vereinigung
hat innerhalb sieben Jahre sechzig französische Redner eingeladen. Es handelt
sich meistens um streng geschlossene Gesellschaften (jalouLement iermee8). Die
Laienpredigten der französischen Redner seien nicht ohne Einfluß auf die
Gesinnung der Bevölkerung geblieben. Das Publikum habe sich gewöhnt, von
den "Propagandisten Überzeugungen zu verlangen". Die Tätigkeit der einen sei
bewußt und programmmäßig festgelegt; die anderen wirken auf Umwegen und


Frankreichs Werben um Belgien

In diesen letzten vierzehn Jahren sind unter anderen folgend« bedeutendere
Vereine zum Zwecke der Verbreitung französischer Sprache und französischen
Einflusses gegründet worden:

^Iliance ^ran?al8s, in mehreren Städten. Das Mutterinstitut in Paris
hält Prüfungen ab und verleiht Zeugnisse, ist also eine staatlich anerkannte
Anstalt. 1. Kongreß 1905 in Lüttich; 2» Kongreß 1909 in Arel; 3. Kongreß
1913 in Gent.

/^mitis8 ^ran?al8ö8, gegründet 1907 in Lüttich, Sitz ebenfalls in mehreren
Städten. Nach den Satzungen wollen sie „in einer mächtigen und tätigen
(aAlssante) Gesellschaft alle diejenigen vereinigen, welcher Partei oder welchem
Lande sie auch angehören, die in der französischen Kultur eine gemeinsame Lebens¬
form sehen" (Mrenes as I'lZst 1910/11, Seite 75). Die ständige Geschäftsstelle
befindet sich in Paris und wird von drei Franzosen geleitet.

Lsi-als8 cZe8 ^nnale3. Die Pariser Annales, die Zeitschrift des sentimentalen
Chauvinismus, gründete an mehreren Orten geschlossene Klubs; sie hatten mit
den vornehmeren Kreisen Fühlung.

t^öäsration internationale pour I'extension et Is, culture ac Is, lanZus
iiANLai8e, gegründet 1905 in Lüttich. Jährlich ein Kongreß. Der siebente
fand 1913 in Gent statt. Ehrenpräsident ist der französische Akademiker Henri
de Regnier.

I^S8 ^mi3 cle la lanZus kraneai8e. Sitz Löwen.

Diese Vereine vermittelten allen Städten Belgiens, in denen auch nur
ein geringer Bruchteil der Bevölkerung französisch spricht, wie zum Beispiel
in Gent und Arel, alle Regungen des Pariser Geistes. Daß diese Vereinigungen
fast sämtlich einen deutschfeindlichen Charakter trugen, ist bei den Zielen der
ganzen gegen den germanischen Einfluß gerichteten Bestrebung selbstverständlich.
Sehr gern wird deshalb über Elsaß-Lothringen gesprochen; so von Georges
Ducrocq, dem Herausgeber der treibenden Pariser Zeitschrift „l.es ^arene8
6e M8t", und von Ruyssen, Professor an der Universität Bordeaux. Sie
bezwecken damit, auch den Belgiern die französischen Scheuklappen anzulegen
und ihnen die Anschauung beizubringen, daß es eine elsaß-lothringische Frage
gibt, die mit internationaler Hilfe gelöst werden muß.

In Brüssel hatten sich im Jahre 1913 die Vereine schon derartig vermehrt,
daß Willmotte sie gar nicht mehr aufzählen kann. Derselbe Lütticher Hochschul¬
lehrer gibt auch einen offenherzigen Bericht über die Tätigkeit und Ziele der
Vereine (Ksvue 6e LelAique, 1913, Seite 1044): Eine einzige Vereinigung
hat innerhalb sieben Jahre sechzig französische Redner eingeladen. Es handelt
sich meistens um streng geschlossene Gesellschaften (jalouLement iermee8). Die
Laienpredigten der französischen Redner seien nicht ohne Einfluß auf die
Gesinnung der Bevölkerung geblieben. Das Publikum habe sich gewöhnt, von
den „Propagandisten Überzeugungen zu verlangen". Die Tätigkeit der einen sei
bewußt und programmmäßig festgelegt; die anderen wirken auf Umwegen und


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[0129] Frankreichs Werben um Belgien In diesen letzten vierzehn Jahren sind unter anderen folgend« bedeutendere Vereine zum Zwecke der Verbreitung französischer Sprache und französischen Einflusses gegründet worden: ^Iliance ^ran?al8s, in mehreren Städten. Das Mutterinstitut in Paris hält Prüfungen ab und verleiht Zeugnisse, ist also eine staatlich anerkannte Anstalt. 1. Kongreß 1905 in Lüttich; 2» Kongreß 1909 in Arel; 3. Kongreß 1913 in Gent. /^mitis8 ^ran?al8ö8, gegründet 1907 in Lüttich, Sitz ebenfalls in mehreren Städten. Nach den Satzungen wollen sie „in einer mächtigen und tätigen (aAlssante) Gesellschaft alle diejenigen vereinigen, welcher Partei oder welchem Lande sie auch angehören, die in der französischen Kultur eine gemeinsame Lebens¬ form sehen" (Mrenes as I'lZst 1910/11, Seite 75). Die ständige Geschäftsstelle befindet sich in Paris und wird von drei Franzosen geleitet. Lsi-als8 cZe8 ^nnale3. Die Pariser Annales, die Zeitschrift des sentimentalen Chauvinismus, gründete an mehreren Orten geschlossene Klubs; sie hatten mit den vornehmeren Kreisen Fühlung. t^öäsration internationale pour I'extension et Is, culture ac Is, lanZus iiANLai8e, gegründet 1905 in Lüttich. Jährlich ein Kongreß. Der siebente fand 1913 in Gent statt. Ehrenpräsident ist der französische Akademiker Henri de Regnier. I^S8 ^mi3 cle la lanZus kraneai8e. Sitz Löwen. Diese Vereine vermittelten allen Städten Belgiens, in denen auch nur ein geringer Bruchteil der Bevölkerung französisch spricht, wie zum Beispiel in Gent und Arel, alle Regungen des Pariser Geistes. Daß diese Vereinigungen fast sämtlich einen deutschfeindlichen Charakter trugen, ist bei den Zielen der ganzen gegen den germanischen Einfluß gerichteten Bestrebung selbstverständlich. Sehr gern wird deshalb über Elsaß-Lothringen gesprochen; so von Georges Ducrocq, dem Herausgeber der treibenden Pariser Zeitschrift „l.es ^arene8 6e M8t", und von Ruyssen, Professor an der Universität Bordeaux. Sie bezwecken damit, auch den Belgiern die französischen Scheuklappen anzulegen und ihnen die Anschauung beizubringen, daß es eine elsaß-lothringische Frage gibt, die mit internationaler Hilfe gelöst werden muß. In Brüssel hatten sich im Jahre 1913 die Vereine schon derartig vermehrt, daß Willmotte sie gar nicht mehr aufzählen kann. Derselbe Lütticher Hochschul¬ lehrer gibt auch einen offenherzigen Bericht über die Tätigkeit und Ziele der Vereine (Ksvue 6e LelAique, 1913, Seite 1044): Eine einzige Vereinigung hat innerhalb sieben Jahre sechzig französische Redner eingeladen. Es handelt sich meistens um streng geschlossene Gesellschaften (jalouLement iermee8). Die Laienpredigten der französischen Redner seien nicht ohne Einfluß auf die Gesinnung der Bevölkerung geblieben. Das Publikum habe sich gewöhnt, von den „Propagandisten Überzeugungen zu verlangen". Die Tätigkeit der einen sei bewußt und programmmäßig festgelegt; die anderen wirken auf Umwegen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/129>, abgerufen am 16.05.2024.