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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Gin Blick in die ZVoövre, das Vorland von Toul und verbum

das Auge ausruhen und sich einstellen könnte. Um so sicherer zieht es den
Blick immer wieder hinauf zu dem gleichmäßigen Kamm des mächtigen Berg¬
walls der Code Lorraine, der das Bild abschließt. Wir müssen immer wieder
hinüberschauen, auch wenn uns nicht ein Flieger, der hoch über den Bergen
kreist, oder die Schrapnellwölkchen, die ihm folgen, in ihren Bann ziehen.

Das Fehlen von Landmarken verhindert in auffälliger Weise ein richtiges
Schätzen der Entfernungen, und man ist erstaunt, wenn man sich dem Fuß
der von weitem so stattlichen Bergkette nähert, daß diese immer niedriger
wird und auf eine Erhebung von 200 Metern über die Ebene zusammenschrumpft,
deren Meereshöhe selbst ebenfalls 200 Meter beträgt. Dafür sieht man dann,
daß die Code nicht so ungegliedert ist, wie es von weitem scheint; man erkennt
da und dort eine Bergnase und findet die vielen Runsen heraus, durch die die
zahlreichen Bächlein herunterrieseln, welche bei "Constans" zusammenkommen,
um mit der Orne der Mosel zuzuströmen.

Während wir den Ostabhang der Code betrachten, schweifen unsere Ge¬
danken unwillkürlich hinüber über die Höhe nach Se. Mihiel und Camp des
Romains, wo die tapferen Bayern stehen und weiter nach Verdun. Ein
französischer Kriegsschriftsteller schrieb, offenbar unter dem frischen Eindruck von
Mars-la-tour und Se. Privat, daß die Woevre der Schauplatz schrecklicher
künftiger Zusammenstöße sein werde. Dieser Traum von großen Feldschlachten
mit Reiterkämpfen in der allerdings dazu wie geschaffenen Ebene ist bis jetzt nicht in
Erfüllung gegangen und wird auch schwerlich in Erfüllung gehen; dagegen ist
die Woevre mit ihrer Hauptstraße Metz, Mars-la-tour, Constans, Etaint
wichtig geworden als Etappengebiet, und -- vielleicht wird man nach dem
Feldzug von ihr hören.

Es ist nicht allgemein bekannt, daß im Frankfurter Frieden bei der Ab¬
grenzung des "Glacis von Metz" nicht bloß militärische Gesichtspunkte ma߬
gebend waren, sondern auch wirtschaftliche. Auf den Rat eines Geologen war
beschlossen, auch die der Festung in weiterer Entfernung vorgelagerten Erzlager¬
stätten in deutschen Besitz zu bringen, obgleich deren Wert damals noch nicht
voll geschätzt werden konnte. Das lothringische Eisenerz, die "Minette", ein
bis zu 49 Prozent eisenhaltiges Gestein, enthält auch viel Phosphor, und das
"Thomasverfahren", welches die Verwertung dieser mit Phosphor "verunreinigten"
Erze erst recht ermöglicht, lag damals noch in den Windeln. Mittlerweile
hat sich herausgestellt, daß das Gebiet der Minette, des jurassischen Eisen-
sandsteins, unterirdisch weit in das damals bei Frankreich belassene Lothringen
hinübergreife. In der Gegend von Constans ist z. B. bei Droitaumont ein
prächtiges Minettewerk, das der Firma Schneider in Creuzot gehört. Dort
fördert schon lange ein preußischer Ingenieur mit den vorgefundenen ein¬
heimischen Arbeitern und einem französischen Ingenieur das Erz zu Tage, das
für französische Kanonen und Panzerplatten bestimmt war. Auch deutsche
Großindustrielle haben dort Besitz. Diese großartigen Werke mit ihren Höhen


Gin Blick in die ZVoövre, das Vorland von Toul und verbum

das Auge ausruhen und sich einstellen könnte. Um so sicherer zieht es den
Blick immer wieder hinauf zu dem gleichmäßigen Kamm des mächtigen Berg¬
walls der Code Lorraine, der das Bild abschließt. Wir müssen immer wieder
hinüberschauen, auch wenn uns nicht ein Flieger, der hoch über den Bergen
kreist, oder die Schrapnellwölkchen, die ihm folgen, in ihren Bann ziehen.

Das Fehlen von Landmarken verhindert in auffälliger Weise ein richtiges
Schätzen der Entfernungen, und man ist erstaunt, wenn man sich dem Fuß
der von weitem so stattlichen Bergkette nähert, daß diese immer niedriger
wird und auf eine Erhebung von 200 Metern über die Ebene zusammenschrumpft,
deren Meereshöhe selbst ebenfalls 200 Meter beträgt. Dafür sieht man dann,
daß die Code nicht so ungegliedert ist, wie es von weitem scheint; man erkennt
da und dort eine Bergnase und findet die vielen Runsen heraus, durch die die
zahlreichen Bächlein herunterrieseln, welche bei „Constans" zusammenkommen,
um mit der Orne der Mosel zuzuströmen.

Während wir den Ostabhang der Code betrachten, schweifen unsere Ge¬
danken unwillkürlich hinüber über die Höhe nach Se. Mihiel und Camp des
Romains, wo die tapferen Bayern stehen und weiter nach Verdun. Ein
französischer Kriegsschriftsteller schrieb, offenbar unter dem frischen Eindruck von
Mars-la-tour und Se. Privat, daß die Woevre der Schauplatz schrecklicher
künftiger Zusammenstöße sein werde. Dieser Traum von großen Feldschlachten
mit Reiterkämpfen in der allerdings dazu wie geschaffenen Ebene ist bis jetzt nicht in
Erfüllung gegangen und wird auch schwerlich in Erfüllung gehen; dagegen ist
die Woevre mit ihrer Hauptstraße Metz, Mars-la-tour, Constans, Etaint
wichtig geworden als Etappengebiet, und — vielleicht wird man nach dem
Feldzug von ihr hören.

Es ist nicht allgemein bekannt, daß im Frankfurter Frieden bei der Ab¬
grenzung des „Glacis von Metz" nicht bloß militärische Gesichtspunkte ma߬
gebend waren, sondern auch wirtschaftliche. Auf den Rat eines Geologen war
beschlossen, auch die der Festung in weiterer Entfernung vorgelagerten Erzlager¬
stätten in deutschen Besitz zu bringen, obgleich deren Wert damals noch nicht
voll geschätzt werden konnte. Das lothringische Eisenerz, die „Minette", ein
bis zu 49 Prozent eisenhaltiges Gestein, enthält auch viel Phosphor, und das
„Thomasverfahren", welches die Verwertung dieser mit Phosphor „verunreinigten"
Erze erst recht ermöglicht, lag damals noch in den Windeln. Mittlerweile
hat sich herausgestellt, daß das Gebiet der Minette, des jurassischen Eisen-
sandsteins, unterirdisch weit in das damals bei Frankreich belassene Lothringen
hinübergreife. In der Gegend von Constans ist z. B. bei Droitaumont ein
prächtiges Minettewerk, das der Firma Schneider in Creuzot gehört. Dort
fördert schon lange ein preußischer Ingenieur mit den vorgefundenen ein¬
heimischen Arbeitern und einem französischen Ingenieur das Erz zu Tage, das
für französische Kanonen und Panzerplatten bestimmt war. Auch deutsche
Großindustrielle haben dort Besitz. Diese großartigen Werke mit ihren Höhen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/135>, abgerufen am 18.05.2024.