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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Urieg und 5chute

Oder das schlichte Bild von einem zehnjährigen Mädchen:

(2. Strophe)

Anderseits fehlen auch burschikose Verse nicht, wie das Gedicht einer elf¬
jährigen kleinen Berlinerin auf Hindenburg beweist, dessen dritte Strophe lautet

Oder ein schlagender Klapperreim wie der folgende:

Mehr erreichen schließlich die meisten Erwachsenen auch nicht, und meist
bleiben sie dahinter zurück, weil die angewandte Mühe dem Effekt nicht ent¬
spricht. Zu warnen ist entschieden vor allen Veröffentlichungen von Kinder¬
gedichten, die auf die Kinderpsyche einen geradezu verheerenden Einfluß aus¬
zuüben pflegen.

Überaus lehrreich ist ferner die große Masse von Kinderzeichnungen mit
kriegerischen Vorwürfen. Am beliebtesten scheinen bombenwerfende Zeppeline
und Stürme auf Schützengräben zu sein, aber auch behaglich oder schalkhaft er¬
zählende Blätter von der Ankunft der Liebesgabenautos und ähnliches fehlen
nicht. Besonders interessant ist es dabei, die mit größerem Alter allmählich
bewußt oder unbewußt auftretende Einwirkung bildlicher Vorlagen zu studieren,
die übrigens meistens sehr frei benutzt oder doch zum mindesten durch besonders
hervorgehobene oder ergänzte Einzelheiten stark belebt werden. Nur Vereinzelte
haben den Drang, wirklich Bilder zu malen, der Mehrzahl ist es nur um die
stets stark empfundene Sache zu tun. was natürlich, vor allem bei den so¬
genannten Papierbildern (aus aufgeklebten bunten Papiersilhouetten) starke de¬
korative Wirkung nicht ausschließt. Wer sich im einzelnen mit der Psychologie
der Kinderzeichnung beschäftigt, findet hier reichliches, durch die stoffliche Ein¬
heitlichkeit und die verhältnismäßig leicht kontrollierbaren Vorstellungen des
Dargestellten besonders wertvolles Material. Auch interessante plastische Dar¬
stellungen, wie die Heldentat von "U 9" sind hier zu sehen.

Wie die Empfindung und das Interesse für den Krieg und das Wissen
von ihm vertieft werden können, dafür gibt die Ausstellung Beispiele in Hülle
und Fülle. Die Hauptsache ist Selbstbetätigung: man stellt ganz einfach ganze
Zweige der Schultätigkeit in den Dienst des Krieges, so wie es die Jugend¬
wehrbewegung, die ebenfalls vertreten ist, mit den sonst auf Sport gerichteten
Kräften tut. Dahin gehören Elternabende zugunsten des Roten Kreuzes mit
Deklamation und kleinen Vorführungen, Lazarettbesuche mit Chorgesängen, Liebes-


Urieg und 5chute

Oder das schlichte Bild von einem zehnjährigen Mädchen:

(2. Strophe)

Anderseits fehlen auch burschikose Verse nicht, wie das Gedicht einer elf¬
jährigen kleinen Berlinerin auf Hindenburg beweist, dessen dritte Strophe lautet

Oder ein schlagender Klapperreim wie der folgende:

Mehr erreichen schließlich die meisten Erwachsenen auch nicht, und meist
bleiben sie dahinter zurück, weil die angewandte Mühe dem Effekt nicht ent¬
spricht. Zu warnen ist entschieden vor allen Veröffentlichungen von Kinder¬
gedichten, die auf die Kinderpsyche einen geradezu verheerenden Einfluß aus¬
zuüben pflegen.

Überaus lehrreich ist ferner die große Masse von Kinderzeichnungen mit
kriegerischen Vorwürfen. Am beliebtesten scheinen bombenwerfende Zeppeline
und Stürme auf Schützengräben zu sein, aber auch behaglich oder schalkhaft er¬
zählende Blätter von der Ankunft der Liebesgabenautos und ähnliches fehlen
nicht. Besonders interessant ist es dabei, die mit größerem Alter allmählich
bewußt oder unbewußt auftretende Einwirkung bildlicher Vorlagen zu studieren,
die übrigens meistens sehr frei benutzt oder doch zum mindesten durch besonders
hervorgehobene oder ergänzte Einzelheiten stark belebt werden. Nur Vereinzelte
haben den Drang, wirklich Bilder zu malen, der Mehrzahl ist es nur um die
stets stark empfundene Sache zu tun. was natürlich, vor allem bei den so¬
genannten Papierbildern (aus aufgeklebten bunten Papiersilhouetten) starke de¬
korative Wirkung nicht ausschließt. Wer sich im einzelnen mit der Psychologie
der Kinderzeichnung beschäftigt, findet hier reichliches, durch die stoffliche Ein¬
heitlichkeit und die verhältnismäßig leicht kontrollierbaren Vorstellungen des
Dargestellten besonders wertvolles Material. Auch interessante plastische Dar¬
stellungen, wie die Heldentat von „U 9" sind hier zu sehen.

Wie die Empfindung und das Interesse für den Krieg und das Wissen
von ihm vertieft werden können, dafür gibt die Ausstellung Beispiele in Hülle
und Fülle. Die Hauptsache ist Selbstbetätigung: man stellt ganz einfach ganze
Zweige der Schultätigkeit in den Dienst des Krieges, so wie es die Jugend¬
wehrbewegung, die ebenfalls vertreten ist, mit den sonst auf Sport gerichteten
Kräften tut. Dahin gehören Elternabende zugunsten des Roten Kreuzes mit
Deklamation und kleinen Vorführungen, Lazarettbesuche mit Chorgesängen, Liebes-


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[0166] Urieg und 5chute Oder das schlichte Bild von einem zehnjährigen Mädchen: (2. Strophe) Anderseits fehlen auch burschikose Verse nicht, wie das Gedicht einer elf¬ jährigen kleinen Berlinerin auf Hindenburg beweist, dessen dritte Strophe lautet Oder ein schlagender Klapperreim wie der folgende: Mehr erreichen schließlich die meisten Erwachsenen auch nicht, und meist bleiben sie dahinter zurück, weil die angewandte Mühe dem Effekt nicht ent¬ spricht. Zu warnen ist entschieden vor allen Veröffentlichungen von Kinder¬ gedichten, die auf die Kinderpsyche einen geradezu verheerenden Einfluß aus¬ zuüben pflegen. Überaus lehrreich ist ferner die große Masse von Kinderzeichnungen mit kriegerischen Vorwürfen. Am beliebtesten scheinen bombenwerfende Zeppeline und Stürme auf Schützengräben zu sein, aber auch behaglich oder schalkhaft er¬ zählende Blätter von der Ankunft der Liebesgabenautos und ähnliches fehlen nicht. Besonders interessant ist es dabei, die mit größerem Alter allmählich bewußt oder unbewußt auftretende Einwirkung bildlicher Vorlagen zu studieren, die übrigens meistens sehr frei benutzt oder doch zum mindesten durch besonders hervorgehobene oder ergänzte Einzelheiten stark belebt werden. Nur Vereinzelte haben den Drang, wirklich Bilder zu malen, der Mehrzahl ist es nur um die stets stark empfundene Sache zu tun. was natürlich, vor allem bei den so¬ genannten Papierbildern (aus aufgeklebten bunten Papiersilhouetten) starke de¬ korative Wirkung nicht ausschließt. Wer sich im einzelnen mit der Psychologie der Kinderzeichnung beschäftigt, findet hier reichliches, durch die stoffliche Ein¬ heitlichkeit und die verhältnismäßig leicht kontrollierbaren Vorstellungen des Dargestellten besonders wertvolles Material. Auch interessante plastische Dar¬ stellungen, wie die Heldentat von „U 9" sind hier zu sehen. Wie die Empfindung und das Interesse für den Krieg und das Wissen von ihm vertieft werden können, dafür gibt die Ausstellung Beispiele in Hülle und Fülle. Die Hauptsache ist Selbstbetätigung: man stellt ganz einfach ganze Zweige der Schultätigkeit in den Dienst des Krieges, so wie es die Jugend¬ wehrbewegung, die ebenfalls vertreten ist, mit den sonst auf Sport gerichteten Kräften tut. Dahin gehören Elternabende zugunsten des Roten Kreuzes mit Deklamation und kleinen Vorführungen, Lazarettbesuche mit Chorgesängen, Liebes-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/166>, abgerufen am 12.05.2024.