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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Die deutschen Kolonien in Bosnien und der Arieg
Professor Dr. in. Reisten von

le Geschichte des Deutschtums in Bosnien beginnt mit der
"Okkupation" des Landes im Jahre 1878. Diese wurde von
Österreich-Ungarn nach dem russisch'türkischen Krieg durchgesetzt
als Machtausgleich gegenüber dem Machtzuwachs von Rußland
auf dem Balkan, den sich dieses durch die Schaffung seines
Vasallenstaates Bulgarien errungen hatte oder errungen zu haben glaubte. Es
ist viel zu wenig bekannt, was Österreich-Ungarn unter der zunächst eingesetzten
militärischen Verwaltung für Bosnien und die Herzegowina getan, und wieviel
es an Kulturarbeit in verhältnismäßig kurzer Zeit erreicht hat. Man wird,
wenn man das Geleistete betrachtet, an die großen Zeiten des Donaureichs
erinnert, als General Mercy, Maria Theresia und Joseph der Zweite das den
Türken in traurigem Zustand abgenommene Süd- und Südostungarn der Kultur
erschlossen. Wie es damals deutsche oder deutschdenkende Offiziere und Beamte
waren, die das große Werk vollbrachten, so ist der schwere Anfang der Kultivierung
Bosniens im wesentlichen gemacht worden durch einen Stab von deutschen
Offizieren und Beamten, die freilich in steigendem Maße durch Slawen und
Magyaren verdrängt wurden. Wie im achtzehnten Jahrhundert in Ungarn,
waren es aber auch im neunzehnten Jahrhundert, diesmal in Bosnien, deutsche
Bauern, welche durch ihre eigene Rodungsarbeit und durch ihr Beispiel die
Absichten der Regierung aufs wirksamste unterstützten, denn nur durch die Hebung
der Landwirtschaft kann ein fast ausschließlich von Ackerbau und Viehzucht
lebendes Land wie Bosnien in die Höhe gebracht werden.

Schon im Jahr 1879, ein Jahr nach der Besetzung, kamen Rheinländer,
die in dem fruchtbaren Vrbastal, zwischen Banjaluka und der Mündung des
Vrbas in die save die Kolonie Windthorst gründeten, welche sich seither aufs
beste entwickelt hat. Dasselbe gilt von einer gleichzeitig erfolgten Tiroler-
ansiedlung in der Nähe der Rheinländer, die sich zu Ehren des damaligen
Kronprinzen, Rudolphsthal, benannte. Diese deutschen Ansiedlungen waren
für die Eingeborenen wahre Lehrstätten. In welchem Maß sie das sein konnten,
versteht man erst recht, wenn man weiß, daß die böhmischen Bauern noch mi
hölzernen Pflügen arbeiteten, daß ihr Vieh ganz minderwertig war, daß ihnen
die Düngung ebensosehr ein Geheimnis war wie Lesen und Schreiben! Es
waren rein mittelalterliche Zustände, und wie tief dieselben verankert waren
oder sind, beweist die Tatsache, daß es der Regierung heute noch nicht gelungen




Die deutschen Kolonien in Bosnien und der Arieg
Professor Dr. in. Reisten von

le Geschichte des Deutschtums in Bosnien beginnt mit der
„Okkupation" des Landes im Jahre 1878. Diese wurde von
Österreich-Ungarn nach dem russisch'türkischen Krieg durchgesetzt
als Machtausgleich gegenüber dem Machtzuwachs von Rußland
auf dem Balkan, den sich dieses durch die Schaffung seines
Vasallenstaates Bulgarien errungen hatte oder errungen zu haben glaubte. Es
ist viel zu wenig bekannt, was Österreich-Ungarn unter der zunächst eingesetzten
militärischen Verwaltung für Bosnien und die Herzegowina getan, und wieviel
es an Kulturarbeit in verhältnismäßig kurzer Zeit erreicht hat. Man wird,
wenn man das Geleistete betrachtet, an die großen Zeiten des Donaureichs
erinnert, als General Mercy, Maria Theresia und Joseph der Zweite das den
Türken in traurigem Zustand abgenommene Süd- und Südostungarn der Kultur
erschlossen. Wie es damals deutsche oder deutschdenkende Offiziere und Beamte
waren, die das große Werk vollbrachten, so ist der schwere Anfang der Kultivierung
Bosniens im wesentlichen gemacht worden durch einen Stab von deutschen
Offizieren und Beamten, die freilich in steigendem Maße durch Slawen und
Magyaren verdrängt wurden. Wie im achtzehnten Jahrhundert in Ungarn,
waren es aber auch im neunzehnten Jahrhundert, diesmal in Bosnien, deutsche
Bauern, welche durch ihre eigene Rodungsarbeit und durch ihr Beispiel die
Absichten der Regierung aufs wirksamste unterstützten, denn nur durch die Hebung
der Landwirtschaft kann ein fast ausschließlich von Ackerbau und Viehzucht
lebendes Land wie Bosnien in die Höhe gebracht werden.

Schon im Jahr 1879, ein Jahr nach der Besetzung, kamen Rheinländer,
die in dem fruchtbaren Vrbastal, zwischen Banjaluka und der Mündung des
Vrbas in die save die Kolonie Windthorst gründeten, welche sich seither aufs
beste entwickelt hat. Dasselbe gilt von einer gleichzeitig erfolgten Tiroler-
ansiedlung in der Nähe der Rheinländer, die sich zu Ehren des damaligen
Kronprinzen, Rudolphsthal, benannte. Diese deutschen Ansiedlungen waren
für die Eingeborenen wahre Lehrstätten. In welchem Maß sie das sein konnten,
versteht man erst recht, wenn man weiß, daß die böhmischen Bauern noch mi
hölzernen Pflügen arbeiteten, daß ihr Vieh ganz minderwertig war, daß ihnen
die Düngung ebensosehr ein Geheimnis war wie Lesen und Schreiben! Es
waren rein mittelalterliche Zustände, und wie tief dieselben verankert waren
oder sind, beweist die Tatsache, daß es der Regierung heute noch nicht gelungen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/123>, abgerufen am 17.06.2024.