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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Die deutschen Kolonien in Bosnien und der Krieg

ist das Hörigkeitsverhältnis der -- christlichen -- Bauern (Kneten) von den
-- mohammedanischen -- Großgrundbesitzern (Begs) zu lösen. Die militärische
Verwaltung des neuen Reichslands erkannte auch alsbald den Nutzen, den die
nichtskostenden Ackerbauschulen Rudolphsthal und Windthorst dem Land brachten,
und machte sich ans Werk, neben diesen privaten Ansiedlungen, die sich mit
eigenem Geld angekauft hatten, Regierungs-Kolonien zu schaffen.

Ausiedlungslustigen wurde, wie seinerzeit in der schwäbischen Türkei und
im Banat, Grund und Boden umsonst, dazu allerlei Vergünstigungen, namentlich
auch die Errichtung von Kirchen ihrer Konfession und Schulen in ihrer Mutter¬
sprache versprochen. So kamen denn auch jüngere Söhne der schwäbischen
Bauern aus Ungarn und Galizien, solche aus dem benachbarten Slavonien
wie aus der Bukowina in ziemlicher Menge und ließen sich in konfessionell
getrennten Kolonien ansiedeln. Es war nicht immer der beste Boden, der
den Rodungslustigen angewiesen wurde, zum Teil sogar fast unfruchtbarer.
Eine Kolonie mußte, um sich zu retten, aus dem fieberschwangeren Tale auf eine
benachbarte Höhe umsiedeln, nach der sie sich dann "Schutzberg" benannte.
Auch sonst gab es Schwierigkeiten genug. Das Land war den Ansiedlern
zuerst gewissermaßen nur auf Probe geliehen, aber auch wenn diese die Bedingung
der Urbarmachung desselben erfüllt hatten, erfolgte die Überschreibung des
Grundes in das freie Eigentum der Rodenden nicht sofort. Es dauerte sieben
bis zehn Jahre, bis die Ansiedler staatlicherseits als Eigentümer anerkannt
wurden und damit endlich Kredit auf ihre Liegenschaften bekommen konnten.
Bis dahin hatten die armen Bauern, die ihr Letztes in ihre Anwesen hinein¬
gesteckt hatten, hilflos dagestanden und konnten Betriebsgelder nur gegen
unglaubliche Wucherzinsen bekommen. Selbst aus niederen Beamtungen, die
mit neidischen Eingeborenen besetzt waren, sind den "Schwobas" mehr als
einmal Prügel zwischen die Füße geworfen worden. Trotz alledem kamen diese
vorwärts und es bestehen zurzeit in Bosnien zweiundzwanzig deutsche Kolonien,
von denen die große Mehrzahl Regierungskolonien sind. Unter dieser Zahl
sind auch die ganz kleinen Tochterkolonien mitgerechnet, die bis jetzt nur aus
wenigen Familien bestehen, und die Gesamtzahl der Deutschen in den Kolonien
wird zehntausend Seelen nicht übersteigen (dazu käme aber noch die nicht
unbeträchtliche Zahl der Deutschen in den Städten). Von den Kolonien sind
viele noch weit zurück, mit den alten Stammkolonien Windthorst und Rudolphs¬
thal können sich nur wenige messen z. B. das von evangelischen Schwaben aus
dem Banat im Jahr 1830 gegründete Franz - Josephsthal an der serbischen
Grenze. Mit der Mehrzahl der deutschen Kolonien in Galizien -- wie sie
vor dem Russeneinfall waren -- und vollends mit den reichen Schwabendörfern
im Banat dürfen wir höchstens die drei genannten vergleichen.

Richtig in Gang kam der Fortschritt namentlich seit der evangelische
Pfarrer von Banjaluka W. I. Osler die ganze Zeit, die ihm sein Pfarramt
ließ, und seine ganze jugendliche Tatkraft den Kolonisten beider Konfessionen


Die deutschen Kolonien in Bosnien und der Krieg

ist das Hörigkeitsverhältnis der — christlichen — Bauern (Kneten) von den
— mohammedanischen — Großgrundbesitzern (Begs) zu lösen. Die militärische
Verwaltung des neuen Reichslands erkannte auch alsbald den Nutzen, den die
nichtskostenden Ackerbauschulen Rudolphsthal und Windthorst dem Land brachten,
und machte sich ans Werk, neben diesen privaten Ansiedlungen, die sich mit
eigenem Geld angekauft hatten, Regierungs-Kolonien zu schaffen.

Ausiedlungslustigen wurde, wie seinerzeit in der schwäbischen Türkei und
im Banat, Grund und Boden umsonst, dazu allerlei Vergünstigungen, namentlich
auch die Errichtung von Kirchen ihrer Konfession und Schulen in ihrer Mutter¬
sprache versprochen. So kamen denn auch jüngere Söhne der schwäbischen
Bauern aus Ungarn und Galizien, solche aus dem benachbarten Slavonien
wie aus der Bukowina in ziemlicher Menge und ließen sich in konfessionell
getrennten Kolonien ansiedeln. Es war nicht immer der beste Boden, der
den Rodungslustigen angewiesen wurde, zum Teil sogar fast unfruchtbarer.
Eine Kolonie mußte, um sich zu retten, aus dem fieberschwangeren Tale auf eine
benachbarte Höhe umsiedeln, nach der sie sich dann „Schutzberg" benannte.
Auch sonst gab es Schwierigkeiten genug. Das Land war den Ansiedlern
zuerst gewissermaßen nur auf Probe geliehen, aber auch wenn diese die Bedingung
der Urbarmachung desselben erfüllt hatten, erfolgte die Überschreibung des
Grundes in das freie Eigentum der Rodenden nicht sofort. Es dauerte sieben
bis zehn Jahre, bis die Ansiedler staatlicherseits als Eigentümer anerkannt
wurden und damit endlich Kredit auf ihre Liegenschaften bekommen konnten.
Bis dahin hatten die armen Bauern, die ihr Letztes in ihre Anwesen hinein¬
gesteckt hatten, hilflos dagestanden und konnten Betriebsgelder nur gegen
unglaubliche Wucherzinsen bekommen. Selbst aus niederen Beamtungen, die
mit neidischen Eingeborenen besetzt waren, sind den „Schwobas" mehr als
einmal Prügel zwischen die Füße geworfen worden. Trotz alledem kamen diese
vorwärts und es bestehen zurzeit in Bosnien zweiundzwanzig deutsche Kolonien,
von denen die große Mehrzahl Regierungskolonien sind. Unter dieser Zahl
sind auch die ganz kleinen Tochterkolonien mitgerechnet, die bis jetzt nur aus
wenigen Familien bestehen, und die Gesamtzahl der Deutschen in den Kolonien
wird zehntausend Seelen nicht übersteigen (dazu käme aber noch die nicht
unbeträchtliche Zahl der Deutschen in den Städten). Von den Kolonien sind
viele noch weit zurück, mit den alten Stammkolonien Windthorst und Rudolphs¬
thal können sich nur wenige messen z. B. das von evangelischen Schwaben aus
dem Banat im Jahr 1830 gegründete Franz - Josephsthal an der serbischen
Grenze. Mit der Mehrzahl der deutschen Kolonien in Galizien — wie sie
vor dem Russeneinfall waren — und vollends mit den reichen Schwabendörfern
im Banat dürfen wir höchstens die drei genannten vergleichen.

Richtig in Gang kam der Fortschritt namentlich seit der evangelische
Pfarrer von Banjaluka W. I. Osler die ganze Zeit, die ihm sein Pfarramt
ließ, und seine ganze jugendliche Tatkraft den Kolonisten beider Konfessionen


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[0124] Die deutschen Kolonien in Bosnien und der Krieg ist das Hörigkeitsverhältnis der — christlichen — Bauern (Kneten) von den — mohammedanischen — Großgrundbesitzern (Begs) zu lösen. Die militärische Verwaltung des neuen Reichslands erkannte auch alsbald den Nutzen, den die nichtskostenden Ackerbauschulen Rudolphsthal und Windthorst dem Land brachten, und machte sich ans Werk, neben diesen privaten Ansiedlungen, die sich mit eigenem Geld angekauft hatten, Regierungs-Kolonien zu schaffen. Ausiedlungslustigen wurde, wie seinerzeit in der schwäbischen Türkei und im Banat, Grund und Boden umsonst, dazu allerlei Vergünstigungen, namentlich auch die Errichtung von Kirchen ihrer Konfession und Schulen in ihrer Mutter¬ sprache versprochen. So kamen denn auch jüngere Söhne der schwäbischen Bauern aus Ungarn und Galizien, solche aus dem benachbarten Slavonien wie aus der Bukowina in ziemlicher Menge und ließen sich in konfessionell getrennten Kolonien ansiedeln. Es war nicht immer der beste Boden, der den Rodungslustigen angewiesen wurde, zum Teil sogar fast unfruchtbarer. Eine Kolonie mußte, um sich zu retten, aus dem fieberschwangeren Tale auf eine benachbarte Höhe umsiedeln, nach der sie sich dann „Schutzberg" benannte. Auch sonst gab es Schwierigkeiten genug. Das Land war den Ansiedlern zuerst gewissermaßen nur auf Probe geliehen, aber auch wenn diese die Bedingung der Urbarmachung desselben erfüllt hatten, erfolgte die Überschreibung des Grundes in das freie Eigentum der Rodenden nicht sofort. Es dauerte sieben bis zehn Jahre, bis die Ansiedler staatlicherseits als Eigentümer anerkannt wurden und damit endlich Kredit auf ihre Liegenschaften bekommen konnten. Bis dahin hatten die armen Bauern, die ihr Letztes in ihre Anwesen hinein¬ gesteckt hatten, hilflos dagestanden und konnten Betriebsgelder nur gegen unglaubliche Wucherzinsen bekommen. Selbst aus niederen Beamtungen, die mit neidischen Eingeborenen besetzt waren, sind den „Schwobas" mehr als einmal Prügel zwischen die Füße geworfen worden. Trotz alledem kamen diese vorwärts und es bestehen zurzeit in Bosnien zweiundzwanzig deutsche Kolonien, von denen die große Mehrzahl Regierungskolonien sind. Unter dieser Zahl sind auch die ganz kleinen Tochterkolonien mitgerechnet, die bis jetzt nur aus wenigen Familien bestehen, und die Gesamtzahl der Deutschen in den Kolonien wird zehntausend Seelen nicht übersteigen (dazu käme aber noch die nicht unbeträchtliche Zahl der Deutschen in den Städten). Von den Kolonien sind viele noch weit zurück, mit den alten Stammkolonien Windthorst und Rudolphs¬ thal können sich nur wenige messen z. B. das von evangelischen Schwaben aus dem Banat im Jahr 1830 gegründete Franz - Josephsthal an der serbischen Grenze. Mit der Mehrzahl der deutschen Kolonien in Galizien — wie sie vor dem Russeneinfall waren — und vollends mit den reichen Schwabendörfern im Banat dürfen wir höchstens die drei genannten vergleichen. Richtig in Gang kam der Fortschritt namentlich seit der evangelische Pfarrer von Banjaluka W. I. Osler die ganze Zeit, die ihm sein Pfarramt ließ, und seine ganze jugendliche Tatkraft den Kolonisten beider Konfessionen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/124>, abgerufen am 17.06.2024.