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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Die deutschen Rolonien in Bosnien und der Krieg

einige wenige, so wie so auf schwachen Füßen stehende Wirtschaften in einer
Gemeinde (Königsfeld), die von einer Mißernte getroffen war, ganz zusammen¬
gebrochen, aber "wesentlich verbessert hat sich der Besitzstand des Durchschnitts¬
bauern jedenfalls nicht." Die Genossenschaften haben den Krieg "so gut als
nur denkbar" überstanden, obgleich "wir im Gegensatz zu den meisten hiesigen
Geldinstituten von dem Grundsatz abgewichen sind, während des Krieges keine
Darlehen abzugeben." Auch sonst hat der Krieg den deutschen Kolonien in
Bosnien -- wie denen in Galizien -- Gelegenheit gegeben, ihre Leistungs¬
fähigkeit zu zeigen, und "um ihre kriegswirtschaftliche Bedeutung nicht gar zu
schnell in Vergessenheit geraten zu lassen", sei kurz wenigstens Folgendes fest¬
gehalten: "Die Gespanne mit schweren Pferden, die in Bosnien bei der
Mobilisierung aufgekauft wurden, stammen von den Kolonien oder aus deren
Zucht. Sie hatten außerdem den Vorzug tüchtiger, teurer Beschirrung. Zu
Führern der Wagenkolonnen wurden schon wegen ihrer Zweisprachigkeit mit
Vorliebe Kolonisten genommen. Die zurückbleibenden Männer wurden sofort
zur Verstärkung der Gensdarmerie herangezogen und leisteten als Schutzkorps
wertvolle Dienste. Die dann noch verfügbaren Männer organisierten wir als
Bürgerwehr. Als dann die Lebensmittel-Requisition und die Versorgung der
Städte Mühe machte, waren es wieder die Kolonien, die herhalten mußten und --
herhalten konnten. Wer baute z. B. im Kreise Banjaluka Weizen und Kartoffeln
in nennenswerter Weise außer den Kolonisten und wer es von ihnen gelernt
hatte I Das Gleiche gilt von der Aufzucht von Mastschweinen. Für die Rote-
kreuzspitäler wurden die Milchkühe bei Deutschen zusammengekauft. Die
Käsereien desTrappiftenklosters, die unserer Genossenschaften und anderer Erzeuger
konnten nicht schnell genug die Bestellungen des Militärs erfüllen. Dazu kam
die Versorgung der Zivilbevölkerung. Die Milch für unsere Spitäler und
Bürger mußte zum größten Teil aus der Kolonie Rudolphsthal zwanzig
Kilometer mit Wagen hergeführt werden. Ans Militärärar lieferten vier
deutsche Kolonisten nicht weniger als sechzig Waggon Preßstroh. Das fehlende
Saatgut für die zwangsweise Bestellung der Bosniakenfelder wurde größtenteils
in den Kolonien requiriert, besonders Hafer, Weizen, Kleesamen und Kartoffeln.
Von den, allein im Bezirk Gradiska tätigen, und von der Regierung gebildeten
sechsundfünfzig Anbauüberwachungs-Kommissionen hatten dreiundvierzig einen
deutschen Kolonisten als Vorsitzenden! In Rudolphsthal war 1915 mehr
Bodenfläche angebaut als in Friedenszeiten.

Als zahlreiche Flüchtlinge von der Ostgrenze und später zeitweilig Evakuierte
aus Sarajewo unterzubringen waren, und in den Städten weder genügend
Platz noch Verpflegungsmöglichkeit sich fand, mußten wieder deutsche Kolonien
eine Zufluchtsstätte bieten.

Überraschend stark war die Beteiligung der deutschen Kolonien an der
Zeichnung der drei Kriegsanleihen. Während der Verband der serbischen Ge¬
nossenschaften (d. h. der griechisch-katholischen Eingeborenen) Konkurs machte.


Die deutschen Rolonien in Bosnien und der Krieg

einige wenige, so wie so auf schwachen Füßen stehende Wirtschaften in einer
Gemeinde (Königsfeld), die von einer Mißernte getroffen war, ganz zusammen¬
gebrochen, aber „wesentlich verbessert hat sich der Besitzstand des Durchschnitts¬
bauern jedenfalls nicht." Die Genossenschaften haben den Krieg „so gut als
nur denkbar" überstanden, obgleich „wir im Gegensatz zu den meisten hiesigen
Geldinstituten von dem Grundsatz abgewichen sind, während des Krieges keine
Darlehen abzugeben." Auch sonst hat der Krieg den deutschen Kolonien in
Bosnien — wie denen in Galizien — Gelegenheit gegeben, ihre Leistungs¬
fähigkeit zu zeigen, und „um ihre kriegswirtschaftliche Bedeutung nicht gar zu
schnell in Vergessenheit geraten zu lassen", sei kurz wenigstens Folgendes fest¬
gehalten: „Die Gespanne mit schweren Pferden, die in Bosnien bei der
Mobilisierung aufgekauft wurden, stammen von den Kolonien oder aus deren
Zucht. Sie hatten außerdem den Vorzug tüchtiger, teurer Beschirrung. Zu
Führern der Wagenkolonnen wurden schon wegen ihrer Zweisprachigkeit mit
Vorliebe Kolonisten genommen. Die zurückbleibenden Männer wurden sofort
zur Verstärkung der Gensdarmerie herangezogen und leisteten als Schutzkorps
wertvolle Dienste. Die dann noch verfügbaren Männer organisierten wir als
Bürgerwehr. Als dann die Lebensmittel-Requisition und die Versorgung der
Städte Mühe machte, waren es wieder die Kolonien, die herhalten mußten und —
herhalten konnten. Wer baute z. B. im Kreise Banjaluka Weizen und Kartoffeln
in nennenswerter Weise außer den Kolonisten und wer es von ihnen gelernt
hatte I Das Gleiche gilt von der Aufzucht von Mastschweinen. Für die Rote-
kreuzspitäler wurden die Milchkühe bei Deutschen zusammengekauft. Die
Käsereien desTrappiftenklosters, die unserer Genossenschaften und anderer Erzeuger
konnten nicht schnell genug die Bestellungen des Militärs erfüllen. Dazu kam
die Versorgung der Zivilbevölkerung. Die Milch für unsere Spitäler und
Bürger mußte zum größten Teil aus der Kolonie Rudolphsthal zwanzig
Kilometer mit Wagen hergeführt werden. Ans Militärärar lieferten vier
deutsche Kolonisten nicht weniger als sechzig Waggon Preßstroh. Das fehlende
Saatgut für die zwangsweise Bestellung der Bosniakenfelder wurde größtenteils
in den Kolonien requiriert, besonders Hafer, Weizen, Kleesamen und Kartoffeln.
Von den, allein im Bezirk Gradiska tätigen, und von der Regierung gebildeten
sechsundfünfzig Anbauüberwachungs-Kommissionen hatten dreiundvierzig einen
deutschen Kolonisten als Vorsitzenden! In Rudolphsthal war 1915 mehr
Bodenfläche angebaut als in Friedenszeiten.

Als zahlreiche Flüchtlinge von der Ostgrenze und später zeitweilig Evakuierte
aus Sarajewo unterzubringen waren, und in den Städten weder genügend
Platz noch Verpflegungsmöglichkeit sich fand, mußten wieder deutsche Kolonien
eine Zufluchtsstätte bieten.

Überraschend stark war die Beteiligung der deutschen Kolonien an der
Zeichnung der drei Kriegsanleihen. Während der Verband der serbischen Ge¬
nossenschaften (d. h. der griechisch-katholischen Eingeborenen) Konkurs machte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/126>, abgerufen am 17.06.2024.