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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Die deutschen Kolonien in Bosnien und der Krieg

setzte der kaum drei Jahre alte Verband deutscher bäuerlicher Kredit- und
Wirtschaftsgen offenschasten mit kräftiger Werbearbeit ein und brachte nahezu
eine Viertelmillion in barem Geld, im ganzen 300000 Kronen, an Zeichnungen
seitens der Kolonisten auf.

Dem Verband ist für seine erfolgreichen Bemühungen bei Aufbringung der
Anleihen -- weil es die erste und einzige Anerkennung ist, die uns, in bald
siebenjähriger Arbeit an den Kolonien, seitens der Regierung zuteil geworden
ist, sei es erwähnt -- eine schriftliche Belobigung der hohen Landesregierung
zugekommen."

Abgesehen von dieser Auszeichnung wurden die Leistungen der deutschen
Kolonien durch staatliche Spenden für die Schulen in der Höhe von rund
2000 Kronen, die aber zunächst nur auf ein Jahr bewilligt sind, anerkannt;
auch ein Besuch des Landeschefs in Windthorst und Rudolphsthal scheint Gutes
für die Zukunft hoffen zu lassen. Man muß sich aber darüber klar sein, daß
die Zukunft des Deutschtums in Bosnien vollständig im dunkeln liegt und im
wesentlichen abhängig ist von der endgültigen Regelung des staatsrechtlichen
Verhältnisses von Bosnien, die nach dem Kriege bevorsteht. Mit diesem Hinweis
wurde auch Pfarrer Osler entlassen, als er in Wien bei Finanzminister
von Koerber, dem Vertreter der gemeinsamen Regierung, in Sachen der Kolonien
vorstellig wurde. Die Behandlung der Deutschen durch den Landtag hat in
den Kolonien, und bezeichnenderweise namentlich in den Regierungs-Kolonien,
allmählich eine sehr verbitterte Stimmung aufkommen lassen, welche Osler dem
Minister mit den Worten wiedergab: "Wir wollen nicht länger die Stiefkinder
des Landes fein, gut genug, um überall herzuhalten, wo es sich um Requisition
von Menschen, Zugkraft und Lebensmitteln handelt, aber zu schlecht, um uns
Schulen, Straßen und gleiches Recht zu geben."

Sollten die Verhältnisse sür die Deutschen bei der Neuregelung der staats¬
rechtlichen Stellung Bosniens nicht günstiger werden, "so wäre", sagt Osler,
"abzuwarten, ob das deutsche Kolonistenmaterial nicht an anderem Ort lieber
gesehen würde und auch wertvoller wäre."

Um diesen Gedankengang zu würdigen, möge man sich vorhalten, daß
Österreich-Ungarn in den fünf Jahren vor dem Kriege neunhunderttausend Ein¬
wohner durch Auswanderung verloren hat!

Im Fall der Aufhebung des "Kondominiums" wäre wohl der günstigste
Fall für die Deutschen in Bosnien, sowohl für die Kolonisten als für die Stadt¬
bewohner und namentlich auch für die Beamten, die Angliederung Bosniens
mit der Herzegowina -- als des Hinterlandes von Dalmatien -- an Österreich.
Schon weniger günstig wäre es, wenn Bosnien -- als Hinterland von Sla-
wonien -- mit Ungarn vereinigt würde. Der schlimmste Fall wäre aber wohl
der einer engeren Vereinigung Bosniens mit Kroatien-Slawonien und Dal¬
matien, und der Sonderstellung dieses "südslawischen Teils der Gesamt¬
monarchie".


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Die deutschen Kolonien in Bosnien und der Krieg

setzte der kaum drei Jahre alte Verband deutscher bäuerlicher Kredit- und
Wirtschaftsgen offenschasten mit kräftiger Werbearbeit ein und brachte nahezu
eine Viertelmillion in barem Geld, im ganzen 300000 Kronen, an Zeichnungen
seitens der Kolonisten auf.

Dem Verband ist für seine erfolgreichen Bemühungen bei Aufbringung der
Anleihen — weil es die erste und einzige Anerkennung ist, die uns, in bald
siebenjähriger Arbeit an den Kolonien, seitens der Regierung zuteil geworden
ist, sei es erwähnt — eine schriftliche Belobigung der hohen Landesregierung
zugekommen."

Abgesehen von dieser Auszeichnung wurden die Leistungen der deutschen
Kolonien durch staatliche Spenden für die Schulen in der Höhe von rund
2000 Kronen, die aber zunächst nur auf ein Jahr bewilligt sind, anerkannt;
auch ein Besuch des Landeschefs in Windthorst und Rudolphsthal scheint Gutes
für die Zukunft hoffen zu lassen. Man muß sich aber darüber klar sein, daß
die Zukunft des Deutschtums in Bosnien vollständig im dunkeln liegt und im
wesentlichen abhängig ist von der endgültigen Regelung des staatsrechtlichen
Verhältnisses von Bosnien, die nach dem Kriege bevorsteht. Mit diesem Hinweis
wurde auch Pfarrer Osler entlassen, als er in Wien bei Finanzminister
von Koerber, dem Vertreter der gemeinsamen Regierung, in Sachen der Kolonien
vorstellig wurde. Die Behandlung der Deutschen durch den Landtag hat in
den Kolonien, und bezeichnenderweise namentlich in den Regierungs-Kolonien,
allmählich eine sehr verbitterte Stimmung aufkommen lassen, welche Osler dem
Minister mit den Worten wiedergab: „Wir wollen nicht länger die Stiefkinder
des Landes fein, gut genug, um überall herzuhalten, wo es sich um Requisition
von Menschen, Zugkraft und Lebensmitteln handelt, aber zu schlecht, um uns
Schulen, Straßen und gleiches Recht zu geben."

Sollten die Verhältnisse sür die Deutschen bei der Neuregelung der staats¬
rechtlichen Stellung Bosniens nicht günstiger werden, „so wäre", sagt Osler,
„abzuwarten, ob das deutsche Kolonistenmaterial nicht an anderem Ort lieber
gesehen würde und auch wertvoller wäre."

Um diesen Gedankengang zu würdigen, möge man sich vorhalten, daß
Österreich-Ungarn in den fünf Jahren vor dem Kriege neunhunderttausend Ein¬
wohner durch Auswanderung verloren hat!

Im Fall der Aufhebung des „Kondominiums" wäre wohl der günstigste
Fall für die Deutschen in Bosnien, sowohl für die Kolonisten als für die Stadt¬
bewohner und namentlich auch für die Beamten, die Angliederung Bosniens
mit der Herzegowina — als des Hinterlandes von Dalmatien — an Österreich.
Schon weniger günstig wäre es, wenn Bosnien — als Hinterland von Sla-
wonien — mit Ungarn vereinigt würde. Der schlimmste Fall wäre aber wohl
der einer engeren Vereinigung Bosniens mit Kroatien-Slawonien und Dal¬
matien, und der Sonderstellung dieses „südslawischen Teils der Gesamt¬
monarchie".


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[0127] Die deutschen Kolonien in Bosnien und der Krieg setzte der kaum drei Jahre alte Verband deutscher bäuerlicher Kredit- und Wirtschaftsgen offenschasten mit kräftiger Werbearbeit ein und brachte nahezu eine Viertelmillion in barem Geld, im ganzen 300000 Kronen, an Zeichnungen seitens der Kolonisten auf. Dem Verband ist für seine erfolgreichen Bemühungen bei Aufbringung der Anleihen — weil es die erste und einzige Anerkennung ist, die uns, in bald siebenjähriger Arbeit an den Kolonien, seitens der Regierung zuteil geworden ist, sei es erwähnt — eine schriftliche Belobigung der hohen Landesregierung zugekommen." Abgesehen von dieser Auszeichnung wurden die Leistungen der deutschen Kolonien durch staatliche Spenden für die Schulen in der Höhe von rund 2000 Kronen, die aber zunächst nur auf ein Jahr bewilligt sind, anerkannt; auch ein Besuch des Landeschefs in Windthorst und Rudolphsthal scheint Gutes für die Zukunft hoffen zu lassen. Man muß sich aber darüber klar sein, daß die Zukunft des Deutschtums in Bosnien vollständig im dunkeln liegt und im wesentlichen abhängig ist von der endgültigen Regelung des staatsrechtlichen Verhältnisses von Bosnien, die nach dem Kriege bevorsteht. Mit diesem Hinweis wurde auch Pfarrer Osler entlassen, als er in Wien bei Finanzminister von Koerber, dem Vertreter der gemeinsamen Regierung, in Sachen der Kolonien vorstellig wurde. Die Behandlung der Deutschen durch den Landtag hat in den Kolonien, und bezeichnenderweise namentlich in den Regierungs-Kolonien, allmählich eine sehr verbitterte Stimmung aufkommen lassen, welche Osler dem Minister mit den Worten wiedergab: „Wir wollen nicht länger die Stiefkinder des Landes fein, gut genug, um überall herzuhalten, wo es sich um Requisition von Menschen, Zugkraft und Lebensmitteln handelt, aber zu schlecht, um uns Schulen, Straßen und gleiches Recht zu geben." Sollten die Verhältnisse sür die Deutschen bei der Neuregelung der staats¬ rechtlichen Stellung Bosniens nicht günstiger werden, „so wäre", sagt Osler, „abzuwarten, ob das deutsche Kolonistenmaterial nicht an anderem Ort lieber gesehen würde und auch wertvoller wäre." Um diesen Gedankengang zu würdigen, möge man sich vorhalten, daß Österreich-Ungarn in den fünf Jahren vor dem Kriege neunhunderttausend Ein¬ wohner durch Auswanderung verloren hat! Im Fall der Aufhebung des „Kondominiums" wäre wohl der günstigste Fall für die Deutschen in Bosnien, sowohl für die Kolonisten als für die Stadt¬ bewohner und namentlich auch für die Beamten, die Angliederung Bosniens mit der Herzegowina — als des Hinterlandes von Dalmatien — an Österreich. Schon weniger günstig wäre es, wenn Bosnien — als Hinterland von Sla- wonien — mit Ungarn vereinigt würde. Der schlimmste Fall wäre aber wohl der einer engeren Vereinigung Bosniens mit Kroatien-Slawonien und Dal¬ matien, und der Sonderstellung dieses „südslawischen Teils der Gesamt¬ monarchie". 8*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/127>, abgerufen am 17.06.2024.