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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Briefwechsel von Gustav Freytag mit Graf und Gräfin Baudissin

An Herrn Grafen u. Hrn. General meine herzlichsten Empfehlungen. Für
Ihren Brief den innigen Dank


Ihres^ Verehrers
Freytag.

Siebleber 25 Dec. ^18M.


Sophie Baudissin an Freytag.

Mfang 1864.)


Lieber vortrefflicher Freund,

In der Kleeschen Angelegenheit hat meine Schwester Philippine (Gönne)
die Initiative ergriffen indem sie Hertel in Leipzig aufforderte Klee eine wissen¬
schaftliche Forschung in Italien zu übertragen. Zu den Reisekosten würden
gern alle Freunde heimlich beisteuern. Meine Schwester glaubt -- ob sie Recht
hat weiß ich nicht -- Italien sei die höchste Sehnsucht feines Herzens von
jeher u. das werde ihn herausreißen. Ob sie darin recht hat weiß ich nicht --
Gefahr bleibt für ihn überall, hier freilich die allergrößte. Daß wir Klee
nicht aufgeben kann ich mit gutem Gewissen versprechen. Freilich war er bei
seinem letzten Besuch in einem Zustand der auch den übrigen Gästen seine
unglückliche Neigung verrieth. Es waren aber wohlwollende liebe Leute die
gleich uns wahre Trauer darüber empfanden Pastor Rosenhagen u. Frau u.
Mme. Arnemann aus u. in Holstein kann man sagen denn hier leben wir jetzt
alle nicht sondern dort. Ihr Brief gab uns neuen Muth, denn das Nachgeben
der Dänen hatte uns sehr erschreckt u. Oesterreich empörte uns über alle
Maaßen. Die rändigen Schafe in der Versammlung haben uns auch tief
gekränkt. An Reventlow, Jersbeck glauben wir noch nicht -- von Scheel-
Plesfen u. Blonne war nicht viel anderes zu erwarten. Graf Rantzau hatte
gestern einen Brief des Letzteren der aber so völlig unleserlich geschrieben war,
daß man nur die eine Phrase zusammen brachte: "Gott meinte es gut die
Menschen verderben Alles" -- das kann aber auf die holsteinische Gesinnung
ebenso wohl passen. Der Brief war geöffnet u. ganz naiv mit einem Schilling
wieder gesiegelt worden. -- Nun nochmals Dank für Ihr rasches gutes Antworten.

Wir haben hier einen Frauenverein für Holstein gegründet. -- Nun Glück
auf dem Vaterland!


Ihre Getreusten S. u. W.
Sophie Baudissin an Freytag.

d. 3. März 1864.


Lieber vortrefflicher Freund,

Jetzt ist's wieder einmal genug geschwiegen, wir sehnen uns zu sehr nach
einem Wort von ihnen, jetzt wo uns in den Herzogthümern das Messer an der


Briefwechsel von Gustav Freytag mit Graf und Gräfin Baudissin

An Herrn Grafen u. Hrn. General meine herzlichsten Empfehlungen. Für
Ihren Brief den innigen Dank


Ihres^ Verehrers
Freytag.

Siebleber 25 Dec. ^18M.


Sophie Baudissin an Freytag.

Mfang 1864.)


Lieber vortrefflicher Freund,

In der Kleeschen Angelegenheit hat meine Schwester Philippine (Gönne)
die Initiative ergriffen indem sie Hertel in Leipzig aufforderte Klee eine wissen¬
schaftliche Forschung in Italien zu übertragen. Zu den Reisekosten würden
gern alle Freunde heimlich beisteuern. Meine Schwester glaubt — ob sie Recht
hat weiß ich nicht — Italien sei die höchste Sehnsucht feines Herzens von
jeher u. das werde ihn herausreißen. Ob sie darin recht hat weiß ich nicht —
Gefahr bleibt für ihn überall, hier freilich die allergrößte. Daß wir Klee
nicht aufgeben kann ich mit gutem Gewissen versprechen. Freilich war er bei
seinem letzten Besuch in einem Zustand der auch den übrigen Gästen seine
unglückliche Neigung verrieth. Es waren aber wohlwollende liebe Leute die
gleich uns wahre Trauer darüber empfanden Pastor Rosenhagen u. Frau u.
Mme. Arnemann aus u. in Holstein kann man sagen denn hier leben wir jetzt
alle nicht sondern dort. Ihr Brief gab uns neuen Muth, denn das Nachgeben
der Dänen hatte uns sehr erschreckt u. Oesterreich empörte uns über alle
Maaßen. Die rändigen Schafe in der Versammlung haben uns auch tief
gekränkt. An Reventlow, Jersbeck glauben wir noch nicht — von Scheel-
Plesfen u. Blonne war nicht viel anderes zu erwarten. Graf Rantzau hatte
gestern einen Brief des Letzteren der aber so völlig unleserlich geschrieben war,
daß man nur die eine Phrase zusammen brachte: „Gott meinte es gut die
Menschen verderben Alles" — das kann aber auf die holsteinische Gesinnung
ebenso wohl passen. Der Brief war geöffnet u. ganz naiv mit einem Schilling
wieder gesiegelt worden. — Nun nochmals Dank für Ihr rasches gutes Antworten.

Wir haben hier einen Frauenverein für Holstein gegründet. — Nun Glück
auf dem Vaterland!


Ihre Getreusten S. u. W.
Sophie Baudissin an Freytag.

d. 3. März 1864.


Lieber vortrefflicher Freund,

Jetzt ist's wieder einmal genug geschwiegen, wir sehnen uns zu sehr nach
einem Wort von ihnen, jetzt wo uns in den Herzogthümern das Messer an der


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[0133] Briefwechsel von Gustav Freytag mit Graf und Gräfin Baudissin An Herrn Grafen u. Hrn. General meine herzlichsten Empfehlungen. Für Ihren Brief den innigen Dank Ihres^ Verehrers Freytag. Siebleber 25 Dec. ^18M. Sophie Baudissin an Freytag. Mfang 1864.) Lieber vortrefflicher Freund, In der Kleeschen Angelegenheit hat meine Schwester Philippine (Gönne) die Initiative ergriffen indem sie Hertel in Leipzig aufforderte Klee eine wissen¬ schaftliche Forschung in Italien zu übertragen. Zu den Reisekosten würden gern alle Freunde heimlich beisteuern. Meine Schwester glaubt — ob sie Recht hat weiß ich nicht — Italien sei die höchste Sehnsucht feines Herzens von jeher u. das werde ihn herausreißen. Ob sie darin recht hat weiß ich nicht — Gefahr bleibt für ihn überall, hier freilich die allergrößte. Daß wir Klee nicht aufgeben kann ich mit gutem Gewissen versprechen. Freilich war er bei seinem letzten Besuch in einem Zustand der auch den übrigen Gästen seine unglückliche Neigung verrieth. Es waren aber wohlwollende liebe Leute die gleich uns wahre Trauer darüber empfanden Pastor Rosenhagen u. Frau u. Mme. Arnemann aus u. in Holstein kann man sagen denn hier leben wir jetzt alle nicht sondern dort. Ihr Brief gab uns neuen Muth, denn das Nachgeben der Dänen hatte uns sehr erschreckt u. Oesterreich empörte uns über alle Maaßen. Die rändigen Schafe in der Versammlung haben uns auch tief gekränkt. An Reventlow, Jersbeck glauben wir noch nicht — von Scheel- Plesfen u. Blonne war nicht viel anderes zu erwarten. Graf Rantzau hatte gestern einen Brief des Letzteren der aber so völlig unleserlich geschrieben war, daß man nur die eine Phrase zusammen brachte: „Gott meinte es gut die Menschen verderben Alles" — das kann aber auf die holsteinische Gesinnung ebenso wohl passen. Der Brief war geöffnet u. ganz naiv mit einem Schilling wieder gesiegelt worden. — Nun nochmals Dank für Ihr rasches gutes Antworten. Wir haben hier einen Frauenverein für Holstein gegründet. — Nun Glück auf dem Vaterland! Ihre Getreusten S. u. W. Sophie Baudissin an Freytag. d. 3. März 1864. Lieber vortrefflicher Freund, Jetzt ist's wieder einmal genug geschwiegen, wir sehnen uns zu sehr nach einem Wort von ihnen, jetzt wo uns in den Herzogthümern das Messer an der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/133>, abgerufen am 17.06.2024.