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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Briefwechsel von Gustav Lreytag mit Graf und Gräfin Baudissin

Kehle steht; wir haben längst eingesehen wie gut es war, daß der Herzog in's
Land ging was uns damals gewagt schien -- jetzt scheint auch das kaum mehr
auszureichen; es sieht aus als ob die Engländer Dänemark, die Großmächte
Schleswig-Holstein knebeln würden, und so die Personalunion unter stummen
u. ohnmächtigen Klagen zu Stande kommen würde? --

Ich in meinem beschränkten noch dazu weiblichen Unterthanverstand habe
die fixe Idee daß in England auf die ohnehin dem Krieg feindliche Volks¬
stimmung gewirkt werden müßte. Warum hat der Herzog da garnichts gethan.
Es sind ja einzelne Wohlgesinnte u. Unterrichtete da; mir scheint es wäre nicht
schwer durch Meetings den Leuten klar zu machen daß sie sich eben sowohl für
uns als für Ungarn u. Polen begeistern können?

Unser Landsmann u. Neffe Luckner der Beust täglich spricht hat noch immer
Muth. Die Anwesenheit dieses heitern Menschen ist uns jetzt recht wohltätig
da der Zustand meines Schwagers leider noch immer sehr niederdrückend auf
unsere Stimmung wirkt. Zwar ist er Gottlob schmerzlos, auch ißt er feit einigen
Tagen wieder oben bei uns, aber sein Aussehn u. sein abgespanntes Wesen
find recht betrübend. Sogar die Politik läßt ihn gleichgültig. Luft u. Wärme
werden will's Gott die Kraft wieder heben, noch darf er nicht ausfahren. --

Klee war in letzter Zeit recht vernünftig, jetzt soll ihn die verzweifelte Lage
der Politischen Zustände wieder recht melancholisch machen -- wir erwarten
ihn Sonnabend Mittag. -- Lotte schreibt ziemlich muthlos. Dunker dagegen
hat noch Hoffnung. Sehr zuverlässig sind aber feine Ansichten nicht; die Ueber¬
zeugung der König werde beim ersten Kanonenschuß vom Londoner Protocoll
abfallen, hat sich doch nicht bestätigt. -- Wolfs Vetter Scheel-Plessen war
neulich bei uns u. machte kein Hehl aus seinen Personalunion-Wünschen
gestand aber daß er keineswegs auf ihre Erfüllung hoffen könne. Das war
doch ein Trost. -- Nun lieber guter Hofrath, vergeben Sie mir diese nichts¬
sagenden Zeilen u. bleiben Sie uns gut -- u. schreiben Sie; noch lieber kommen
Sie bald. Was macht das Buch? -- Grüßen Sie die liebe Frau Hofräthin
von uns Beiden.

Ihre S. B.
Freytag an Baudissin.

Mein hochverehrter theurer Freund!

Ueber die letzten Erfolge unserer Sache war mir sorglich zu Muth ge¬
worden, denn sie scheinen zu gut um dauerhaft zu sein. Jetzt läßt Bismarck
nicht ohne Grund herabstimmen. In der That sind wir noch nicht über den
Berg, u. ich fürchte, selbst Beust steht die Sache günstiger an, als sie liegt.
Von der Danewerklinie bis über Gravenstein hinaus ist noch ein weiter Weg.
Und was vorausgegangen berechtigt gar nicht zu Siegeshoffnungen. Wäre man



>) Der Sächsische Minister.
Briefwechsel von Gustav Lreytag mit Graf und Gräfin Baudissin

Kehle steht; wir haben längst eingesehen wie gut es war, daß der Herzog in's
Land ging was uns damals gewagt schien — jetzt scheint auch das kaum mehr
auszureichen; es sieht aus als ob die Engländer Dänemark, die Großmächte
Schleswig-Holstein knebeln würden, und so die Personalunion unter stummen
u. ohnmächtigen Klagen zu Stande kommen würde? —

Ich in meinem beschränkten noch dazu weiblichen Unterthanverstand habe
die fixe Idee daß in England auf die ohnehin dem Krieg feindliche Volks¬
stimmung gewirkt werden müßte. Warum hat der Herzog da garnichts gethan.
Es sind ja einzelne Wohlgesinnte u. Unterrichtete da; mir scheint es wäre nicht
schwer durch Meetings den Leuten klar zu machen daß sie sich eben sowohl für
uns als für Ungarn u. Polen begeistern können?

Unser Landsmann u. Neffe Luckner der Beust täglich spricht hat noch immer
Muth. Die Anwesenheit dieses heitern Menschen ist uns jetzt recht wohltätig
da der Zustand meines Schwagers leider noch immer sehr niederdrückend auf
unsere Stimmung wirkt. Zwar ist er Gottlob schmerzlos, auch ißt er feit einigen
Tagen wieder oben bei uns, aber sein Aussehn u. sein abgespanntes Wesen
find recht betrübend. Sogar die Politik läßt ihn gleichgültig. Luft u. Wärme
werden will's Gott die Kraft wieder heben, noch darf er nicht ausfahren. —

Klee war in letzter Zeit recht vernünftig, jetzt soll ihn die verzweifelte Lage
der Politischen Zustände wieder recht melancholisch machen — wir erwarten
ihn Sonnabend Mittag. — Lotte schreibt ziemlich muthlos. Dunker dagegen
hat noch Hoffnung. Sehr zuverlässig sind aber feine Ansichten nicht; die Ueber¬
zeugung der König werde beim ersten Kanonenschuß vom Londoner Protocoll
abfallen, hat sich doch nicht bestätigt. — Wolfs Vetter Scheel-Plessen war
neulich bei uns u. machte kein Hehl aus seinen Personalunion-Wünschen
gestand aber daß er keineswegs auf ihre Erfüllung hoffen könne. Das war
doch ein Trost. — Nun lieber guter Hofrath, vergeben Sie mir diese nichts¬
sagenden Zeilen u. bleiben Sie uns gut — u. schreiben Sie; noch lieber kommen
Sie bald. Was macht das Buch? — Grüßen Sie die liebe Frau Hofräthin
von uns Beiden.

Ihre S. B.
Freytag an Baudissin.

Mein hochverehrter theurer Freund!

Ueber die letzten Erfolge unserer Sache war mir sorglich zu Muth ge¬
worden, denn sie scheinen zu gut um dauerhaft zu sein. Jetzt läßt Bismarck
nicht ohne Grund herabstimmen. In der That sind wir noch nicht über den
Berg, u. ich fürchte, selbst Beust steht die Sache günstiger an, als sie liegt.
Von der Danewerklinie bis über Gravenstein hinaus ist noch ein weiter Weg.
Und was vorausgegangen berechtigt gar nicht zu Siegeshoffnungen. Wäre man



>) Der Sächsische Minister.
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[0134] Briefwechsel von Gustav Lreytag mit Graf und Gräfin Baudissin Kehle steht; wir haben längst eingesehen wie gut es war, daß der Herzog in's Land ging was uns damals gewagt schien — jetzt scheint auch das kaum mehr auszureichen; es sieht aus als ob die Engländer Dänemark, die Großmächte Schleswig-Holstein knebeln würden, und so die Personalunion unter stummen u. ohnmächtigen Klagen zu Stande kommen würde? — Ich in meinem beschränkten noch dazu weiblichen Unterthanverstand habe die fixe Idee daß in England auf die ohnehin dem Krieg feindliche Volks¬ stimmung gewirkt werden müßte. Warum hat der Herzog da garnichts gethan. Es sind ja einzelne Wohlgesinnte u. Unterrichtete da; mir scheint es wäre nicht schwer durch Meetings den Leuten klar zu machen daß sie sich eben sowohl für uns als für Ungarn u. Polen begeistern können? Unser Landsmann u. Neffe Luckner der Beust täglich spricht hat noch immer Muth. Die Anwesenheit dieses heitern Menschen ist uns jetzt recht wohltätig da der Zustand meines Schwagers leider noch immer sehr niederdrückend auf unsere Stimmung wirkt. Zwar ist er Gottlob schmerzlos, auch ißt er feit einigen Tagen wieder oben bei uns, aber sein Aussehn u. sein abgespanntes Wesen find recht betrübend. Sogar die Politik läßt ihn gleichgültig. Luft u. Wärme werden will's Gott die Kraft wieder heben, noch darf er nicht ausfahren. — Klee war in letzter Zeit recht vernünftig, jetzt soll ihn die verzweifelte Lage der Politischen Zustände wieder recht melancholisch machen — wir erwarten ihn Sonnabend Mittag. — Lotte schreibt ziemlich muthlos. Dunker dagegen hat noch Hoffnung. Sehr zuverlässig sind aber feine Ansichten nicht; die Ueber¬ zeugung der König werde beim ersten Kanonenschuß vom Londoner Protocoll abfallen, hat sich doch nicht bestätigt. — Wolfs Vetter Scheel-Plessen war neulich bei uns u. machte kein Hehl aus seinen Personalunion-Wünschen gestand aber daß er keineswegs auf ihre Erfüllung hoffen könne. Das war doch ein Trost. — Nun lieber guter Hofrath, vergeben Sie mir diese nichts¬ sagenden Zeilen u. bleiben Sie uns gut — u. schreiben Sie; noch lieber kommen Sie bald. Was macht das Buch? — Grüßen Sie die liebe Frau Hofräthin von uns Beiden. Ihre S. B. Freytag an Baudissin. Mein hochverehrter theurer Freund! Ueber die letzten Erfolge unserer Sache war mir sorglich zu Muth ge¬ worden, denn sie scheinen zu gut um dauerhaft zu sein. Jetzt läßt Bismarck nicht ohne Grund herabstimmen. In der That sind wir noch nicht über den Berg, u. ich fürchte, selbst Beust steht die Sache günstiger an, als sie liegt. Von der Danewerklinie bis über Gravenstein hinaus ist noch ein weiter Weg. Und was vorausgegangen berechtigt gar nicht zu Siegeshoffnungen. Wäre man >) Der Sächsische Minister.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/134>, abgerufen am 17.06.2024.