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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Volkswille und Kriegführung

In der Bekämpfung des Kanzlers waren verschiedene Abstufungen zu unter¬
scheiden, die aber leider in der Wirkung einen Zusammenklang erzeugten. Neben
gutem Glauben und achtungswerter Überzeugung, wie sie angesehene Parteien
und Zeitungen vertraten, standen giftige Machenschaften, die mit Klatsch und
Intrige arbeitend im Dunkeln schlichen. Wer dieses widerwärtige Treiben länger
mitangesehen hat, begreift den Zorn des Reichskanzlers in seiner Rede vom
5. Juni. Wenn die konservative Partei und ihre verantwortlichen Führer die
Kenntnis dieses Treibens weit von sich wiesen, so erklärten sie damit etwas,
was nicht anders erwartet werden durfte. Aber es kann leider nicht geleugnet
werden, daß die verleumderischen Klatschgeschichten aus dunkler Quelle, die, von
Mund zu Mund weitergetragen, das Vertrauen zum Kanzler erschütterten, ihr
Verbreitungsgebiet vorzugsweise in konservativen Kreisen suchten und hier bei
harmlosen, gut patriotischen, um das Vaterland treu besorgten, persönlich an¬
ständigen Männern ehrlichen Glauben fanden. Mit dieser Stimmung zusammen
wirkte wie Kette und Einschlag die auffallend kaltschnäuzige Haltung der Partei
gegenüber dem warmherzigen Auftreten des Reichskanzlers und die Agitation
der Zeitungen, die nicht müde wurden, nach jedem Wort zu spähen, das die
Stellung und die Absichten des Reichskanzlers diskreditieren konnte. Zugegeben,
daß auch die Gegnerschaft gegen den Kanzler ihr gutes Recht hat; zugegeben, daß
Vertrauen sich nicht erzwingen läßt, -- so bleibt doch durch die Mitwirkung der
erwähnten dunkeln und unsauberen Einflüsse in dieser Agitation etwas Pein¬
liches und Gemeinschädliches, in dessen Bekämpfung bei dem Ernst der Zeit
sich möglichst viele zusammenfinden sollten und zu dessen Bekämpfung auch wirklich
eine größere Zahl bereit ist, als es bisher vielleicht scheinen konnte. Der
Kanzler mag hier und da Fehler gemacht haben, dieser Art der Bekämpfung
gegenüber hat er in der gegenwärtigen Lage recht, unbedingt recht und verdient
Unterstützung.

Um so mehr als sich die Opposition auch auf ein Gebiet erstreckt hat, das
unbedingt von jeder politischen Agitation unberührt bleiben müßte, das Gebiet
der Mittel und Wege der Kriegführung. Ob es im Fall eines unglücklichen
Krieges Lagen gibt, wo die öffentliche Meinung ein gewisses Recht hat, die
Kriegführung zu korrigieren, ist eine Frage, die uns glücklicherweise nicht zu
beschäftigen braucht. Das ist ein zweischneidiges Schwert, die ultima, ratio
einer nationalen Katastrophe. Unsere Heerführung hat das Vertrauen, das ihr
entgegengebracht worden ist, bisher gerechtfertigt; sie hat mehr geleistet, als ver¬
nünftigerweise erwartet worden konnte. Sollte sie das nicht vor unverantwort¬
lichen Ratgebern und vor unnötigen Dreinreden schützen? Die mannigfachen
und verwickelten Aufgaben dieses ungeheueren Krieges in Einklang zu halten
mit den politischen Erfordernissen, ist eine Arbeit, die gewiß nicht ganz der
Kritik entzogen bleiben soll, die aber, soweit sie ein wesentliches Stück der Krieg¬
führung ist, nicht dem Einfluß des Volkswillens ausgeliefert werden darf. Die
Entschlüsse der Heeresleitung und die damit in unmittelbarem Zusammenhange


Volkswille und Kriegführung

In der Bekämpfung des Kanzlers waren verschiedene Abstufungen zu unter¬
scheiden, die aber leider in der Wirkung einen Zusammenklang erzeugten. Neben
gutem Glauben und achtungswerter Überzeugung, wie sie angesehene Parteien
und Zeitungen vertraten, standen giftige Machenschaften, die mit Klatsch und
Intrige arbeitend im Dunkeln schlichen. Wer dieses widerwärtige Treiben länger
mitangesehen hat, begreift den Zorn des Reichskanzlers in seiner Rede vom
5. Juni. Wenn die konservative Partei und ihre verantwortlichen Führer die
Kenntnis dieses Treibens weit von sich wiesen, so erklärten sie damit etwas,
was nicht anders erwartet werden durfte. Aber es kann leider nicht geleugnet
werden, daß die verleumderischen Klatschgeschichten aus dunkler Quelle, die, von
Mund zu Mund weitergetragen, das Vertrauen zum Kanzler erschütterten, ihr
Verbreitungsgebiet vorzugsweise in konservativen Kreisen suchten und hier bei
harmlosen, gut patriotischen, um das Vaterland treu besorgten, persönlich an¬
ständigen Männern ehrlichen Glauben fanden. Mit dieser Stimmung zusammen
wirkte wie Kette und Einschlag die auffallend kaltschnäuzige Haltung der Partei
gegenüber dem warmherzigen Auftreten des Reichskanzlers und die Agitation
der Zeitungen, die nicht müde wurden, nach jedem Wort zu spähen, das die
Stellung und die Absichten des Reichskanzlers diskreditieren konnte. Zugegeben,
daß auch die Gegnerschaft gegen den Kanzler ihr gutes Recht hat; zugegeben, daß
Vertrauen sich nicht erzwingen läßt, — so bleibt doch durch die Mitwirkung der
erwähnten dunkeln und unsauberen Einflüsse in dieser Agitation etwas Pein¬
liches und Gemeinschädliches, in dessen Bekämpfung bei dem Ernst der Zeit
sich möglichst viele zusammenfinden sollten und zu dessen Bekämpfung auch wirklich
eine größere Zahl bereit ist, als es bisher vielleicht scheinen konnte. Der
Kanzler mag hier und da Fehler gemacht haben, dieser Art der Bekämpfung
gegenüber hat er in der gegenwärtigen Lage recht, unbedingt recht und verdient
Unterstützung.

Um so mehr als sich die Opposition auch auf ein Gebiet erstreckt hat, das
unbedingt von jeder politischen Agitation unberührt bleiben müßte, das Gebiet
der Mittel und Wege der Kriegführung. Ob es im Fall eines unglücklichen
Krieges Lagen gibt, wo die öffentliche Meinung ein gewisses Recht hat, die
Kriegführung zu korrigieren, ist eine Frage, die uns glücklicherweise nicht zu
beschäftigen braucht. Das ist ein zweischneidiges Schwert, die ultima, ratio
einer nationalen Katastrophe. Unsere Heerführung hat das Vertrauen, das ihr
entgegengebracht worden ist, bisher gerechtfertigt; sie hat mehr geleistet, als ver¬
nünftigerweise erwartet worden konnte. Sollte sie das nicht vor unverantwort¬
lichen Ratgebern und vor unnötigen Dreinreden schützen? Die mannigfachen
und verwickelten Aufgaben dieses ungeheueren Krieges in Einklang zu halten
mit den politischen Erfordernissen, ist eine Arbeit, die gewiß nicht ganz der
Kritik entzogen bleiben soll, die aber, soweit sie ein wesentliches Stück der Krieg¬
führung ist, nicht dem Einfluß des Volkswillens ausgeliefert werden darf. Die
Entschlüsse der Heeresleitung und die damit in unmittelbarem Zusammenhange


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[0149] Volkswille und Kriegführung In der Bekämpfung des Kanzlers waren verschiedene Abstufungen zu unter¬ scheiden, die aber leider in der Wirkung einen Zusammenklang erzeugten. Neben gutem Glauben und achtungswerter Überzeugung, wie sie angesehene Parteien und Zeitungen vertraten, standen giftige Machenschaften, die mit Klatsch und Intrige arbeitend im Dunkeln schlichen. Wer dieses widerwärtige Treiben länger mitangesehen hat, begreift den Zorn des Reichskanzlers in seiner Rede vom 5. Juni. Wenn die konservative Partei und ihre verantwortlichen Führer die Kenntnis dieses Treibens weit von sich wiesen, so erklärten sie damit etwas, was nicht anders erwartet werden durfte. Aber es kann leider nicht geleugnet werden, daß die verleumderischen Klatschgeschichten aus dunkler Quelle, die, von Mund zu Mund weitergetragen, das Vertrauen zum Kanzler erschütterten, ihr Verbreitungsgebiet vorzugsweise in konservativen Kreisen suchten und hier bei harmlosen, gut patriotischen, um das Vaterland treu besorgten, persönlich an¬ ständigen Männern ehrlichen Glauben fanden. Mit dieser Stimmung zusammen wirkte wie Kette und Einschlag die auffallend kaltschnäuzige Haltung der Partei gegenüber dem warmherzigen Auftreten des Reichskanzlers und die Agitation der Zeitungen, die nicht müde wurden, nach jedem Wort zu spähen, das die Stellung und die Absichten des Reichskanzlers diskreditieren konnte. Zugegeben, daß auch die Gegnerschaft gegen den Kanzler ihr gutes Recht hat; zugegeben, daß Vertrauen sich nicht erzwingen läßt, — so bleibt doch durch die Mitwirkung der erwähnten dunkeln und unsauberen Einflüsse in dieser Agitation etwas Pein¬ liches und Gemeinschädliches, in dessen Bekämpfung bei dem Ernst der Zeit sich möglichst viele zusammenfinden sollten und zu dessen Bekämpfung auch wirklich eine größere Zahl bereit ist, als es bisher vielleicht scheinen konnte. Der Kanzler mag hier und da Fehler gemacht haben, dieser Art der Bekämpfung gegenüber hat er in der gegenwärtigen Lage recht, unbedingt recht und verdient Unterstützung. Um so mehr als sich die Opposition auch auf ein Gebiet erstreckt hat, das unbedingt von jeder politischen Agitation unberührt bleiben müßte, das Gebiet der Mittel und Wege der Kriegführung. Ob es im Fall eines unglücklichen Krieges Lagen gibt, wo die öffentliche Meinung ein gewisses Recht hat, die Kriegführung zu korrigieren, ist eine Frage, die uns glücklicherweise nicht zu beschäftigen braucht. Das ist ein zweischneidiges Schwert, die ultima, ratio einer nationalen Katastrophe. Unsere Heerführung hat das Vertrauen, das ihr entgegengebracht worden ist, bisher gerechtfertigt; sie hat mehr geleistet, als ver¬ nünftigerweise erwartet worden konnte. Sollte sie das nicht vor unverantwort¬ lichen Ratgebern und vor unnötigen Dreinreden schützen? Die mannigfachen und verwickelten Aufgaben dieses ungeheueren Krieges in Einklang zu halten mit den politischen Erfordernissen, ist eine Arbeit, die gewiß nicht ganz der Kritik entzogen bleiben soll, die aber, soweit sie ein wesentliches Stück der Krieg¬ führung ist, nicht dem Einfluß des Volkswillens ausgeliefert werden darf. Die Entschlüsse der Heeresleitung und die damit in unmittelbarem Zusammenhange

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/149>, abgerufen am 17.06.2024.