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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Ein deutscher Reichsvolkswirtschaftsrat

Kriege fast aus dem Boden stampfen mußten*). Man darf aber nicht verkennen,
daß der Krieg im Laufe der menschheitlicher Entwicklung allmählich ein Ausnahme¬
zustand geworden ist, während er früher die Regel bildete. Deshalb muß man
annehmen, daß die weitere Entwicklung dahin drängt, ihn jedenfalls immer
seltener werden zu lassen. Daher müssen wir zunächst die Einrichtungen treffen,
die im Frieden notwendig sind; wenn möglich freilich solche, aus denen in leichter
Weise, fast selbsttätig und automatisch, die für den Krieg erforderlichen Orga¬
nisationen gebildet werden können. Durch die Einführung eines Volkswirtschafts¬
rates würde aber nicht nur unser politisches und unser Parteileben von einer
Verquickung mit den wirtschaftlichen Interessen erlöst, sondern auch eine Körperschaft
ins Leben gerufen, die jederzeit einen Stab sachkundigster und zum Teil auch
persönlich uninteressierter Berater den im Kriege zu bildenden Organisationen zur
Verfügung stellen könnte.

An den Bundesstaaten (dem Bundesrat) und dem Reichstage liegt es, der
Schöpfung eines Volkswirtschafsrates sofort beim Friedensschluß oder noch vorher
näher zu treten. Schon Bismarck hat den Plan erwogen, einen Volkswirtschaftsrat
zu schaffen, ihn aber vor dem Widerstand des Reichstages wieder fallen lassen.
Jetzt, nachdem uns der Krieg ein so harter Lehrmeister in vielen Beziehungen,
besonders auch auf wirtschaftlichem Gebiete, gewesen ist, darf man hoffen, daß
die Geister empfänglicher für jenen Gedanken geworden sind.

Der Friedensschluß wird uns an einen der wichtigsten Wendepunkte der
deutschen Geschichte führen. Man sollte es dann aber auch angezeigt finden,
an die Umgestaltung unserer innerpolitischen Verhältnisse heranzutreten, soweit
diese eine dringende Notwendigkeit ist. Deshalb darf man die Hoffnung hegen,
daß auch der Reichstag, wenn nur der Bundesrat und der Reichskanzler demnächst
kräftig die Initiative zur Einführung eines Volkwirtschaftsrates ergreifen, diese
Schöpfung willkommen heißen und ihr in hoher Selbstbescheidung seine Zustimmung
nicht versagen wird.





*) Nichts beweist mehr die Friedensliebe Deutschlands, als daß es in keiner Weise für
die volkswirtschaftliche Mobilmachung gesorgt hat, wie sie zu einem Angriffskrieg notwendig
gewesen wäre. Während die militärische, finanzielle und verkehrstechnische Mobilmachung
glänzend vorbereitet war -- mit einem Verteidigungskrieg gegen die halbe Welt mußte man
ja seit Jahren rechnen, -- fehlte es in wirtschaftlicher Hinsicht an jeder Vorbereitung und
jedem Plan.
Ein deutscher Reichsvolkswirtschaftsrat

Kriege fast aus dem Boden stampfen mußten*). Man darf aber nicht verkennen,
daß der Krieg im Laufe der menschheitlicher Entwicklung allmählich ein Ausnahme¬
zustand geworden ist, während er früher die Regel bildete. Deshalb muß man
annehmen, daß die weitere Entwicklung dahin drängt, ihn jedenfalls immer
seltener werden zu lassen. Daher müssen wir zunächst die Einrichtungen treffen,
die im Frieden notwendig sind; wenn möglich freilich solche, aus denen in leichter
Weise, fast selbsttätig und automatisch, die für den Krieg erforderlichen Orga¬
nisationen gebildet werden können. Durch die Einführung eines Volkswirtschafts¬
rates würde aber nicht nur unser politisches und unser Parteileben von einer
Verquickung mit den wirtschaftlichen Interessen erlöst, sondern auch eine Körperschaft
ins Leben gerufen, die jederzeit einen Stab sachkundigster und zum Teil auch
persönlich uninteressierter Berater den im Kriege zu bildenden Organisationen zur
Verfügung stellen könnte.

An den Bundesstaaten (dem Bundesrat) und dem Reichstage liegt es, der
Schöpfung eines Volkswirtschafsrates sofort beim Friedensschluß oder noch vorher
näher zu treten. Schon Bismarck hat den Plan erwogen, einen Volkswirtschaftsrat
zu schaffen, ihn aber vor dem Widerstand des Reichstages wieder fallen lassen.
Jetzt, nachdem uns der Krieg ein so harter Lehrmeister in vielen Beziehungen,
besonders auch auf wirtschaftlichem Gebiete, gewesen ist, darf man hoffen, daß
die Geister empfänglicher für jenen Gedanken geworden sind.

Der Friedensschluß wird uns an einen der wichtigsten Wendepunkte der
deutschen Geschichte führen. Man sollte es dann aber auch angezeigt finden,
an die Umgestaltung unserer innerpolitischen Verhältnisse heranzutreten, soweit
diese eine dringende Notwendigkeit ist. Deshalb darf man die Hoffnung hegen,
daß auch der Reichstag, wenn nur der Bundesrat und der Reichskanzler demnächst
kräftig die Initiative zur Einführung eines Volkwirtschaftsrates ergreifen, diese
Schöpfung willkommen heißen und ihr in hoher Selbstbescheidung seine Zustimmung
nicht versagen wird.





*) Nichts beweist mehr die Friedensliebe Deutschlands, als daß es in keiner Weise für
die volkswirtschaftliche Mobilmachung gesorgt hat, wie sie zu einem Angriffskrieg notwendig
gewesen wäre. Während die militärische, finanzielle und verkehrstechnische Mobilmachung
glänzend vorbereitet war — mit einem Verteidigungskrieg gegen die halbe Welt mußte man
ja seit Jahren rechnen, — fehlte es in wirtschaftlicher Hinsicht an jeder Vorbereitung und
jedem Plan.
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[0219] Ein deutscher Reichsvolkswirtschaftsrat Kriege fast aus dem Boden stampfen mußten*). Man darf aber nicht verkennen, daß der Krieg im Laufe der menschheitlicher Entwicklung allmählich ein Ausnahme¬ zustand geworden ist, während er früher die Regel bildete. Deshalb muß man annehmen, daß die weitere Entwicklung dahin drängt, ihn jedenfalls immer seltener werden zu lassen. Daher müssen wir zunächst die Einrichtungen treffen, die im Frieden notwendig sind; wenn möglich freilich solche, aus denen in leichter Weise, fast selbsttätig und automatisch, die für den Krieg erforderlichen Orga¬ nisationen gebildet werden können. Durch die Einführung eines Volkswirtschafts¬ rates würde aber nicht nur unser politisches und unser Parteileben von einer Verquickung mit den wirtschaftlichen Interessen erlöst, sondern auch eine Körperschaft ins Leben gerufen, die jederzeit einen Stab sachkundigster und zum Teil auch persönlich uninteressierter Berater den im Kriege zu bildenden Organisationen zur Verfügung stellen könnte. An den Bundesstaaten (dem Bundesrat) und dem Reichstage liegt es, der Schöpfung eines Volkswirtschafsrates sofort beim Friedensschluß oder noch vorher näher zu treten. Schon Bismarck hat den Plan erwogen, einen Volkswirtschaftsrat zu schaffen, ihn aber vor dem Widerstand des Reichstages wieder fallen lassen. Jetzt, nachdem uns der Krieg ein so harter Lehrmeister in vielen Beziehungen, besonders auch auf wirtschaftlichem Gebiete, gewesen ist, darf man hoffen, daß die Geister empfänglicher für jenen Gedanken geworden sind. Der Friedensschluß wird uns an einen der wichtigsten Wendepunkte der deutschen Geschichte führen. Man sollte es dann aber auch angezeigt finden, an die Umgestaltung unserer innerpolitischen Verhältnisse heranzutreten, soweit diese eine dringende Notwendigkeit ist. Deshalb darf man die Hoffnung hegen, daß auch der Reichstag, wenn nur der Bundesrat und der Reichskanzler demnächst kräftig die Initiative zur Einführung eines Volkwirtschaftsrates ergreifen, diese Schöpfung willkommen heißen und ihr in hoher Selbstbescheidung seine Zustimmung nicht versagen wird. *) Nichts beweist mehr die Friedensliebe Deutschlands, als daß es in keiner Weise für die volkswirtschaftliche Mobilmachung gesorgt hat, wie sie zu einem Angriffskrieg notwendig gewesen wäre. Während die militärische, finanzielle und verkehrstechnische Mobilmachung glänzend vorbereitet war — mit einem Verteidigungskrieg gegen die halbe Welt mußte man ja seit Jahren rechnen, — fehlte es in wirtschaftlicher Hinsicht an jeder Vorbereitung und jedem Plan.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/219>, abgerufen am 17.06.2024.