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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Konservativismus und innerer Frieden

freien Gewerkschaften: schon ließen sich ganze Seiten füllen, wollte man die
Vereinigungen und Organisationen aufzählen, in denen sich der neue brüderliche
Geist des deutschen Volkes dokumentiert. Auch die beiden von mir heraus-
gegebenen Gemeinschaftsbücher wollen als ein Teil des im deutschen Volke
lebenden Organisations- und Eintrachtswillens gewürdigt werden. Ich denke
gewiß bescheiden von dem Erreichten. Aber ich darf doch fragen: Ist es nicht
ein Großes, daß sich in dem einen Buche zum ersten Mal Bürgerliche und
Sozialisten, in dem zweiten Protestanten und Katholiken, Positive und Frei¬
geister, Konservative, Liberale und Sozialdemokraten, Arbeiter und Unternehmer,
Städter und Landleute einträchtig und friedfertig zu organischer Arbeitsgemein¬
schaft zusammenfanden? Muß es nicht das gegenseitige Verstehen und Ver¬
trauen fördern, wenn alle diese Persönlichkeiten aus den entgegengesetzten
Lagern sich in voller Offenheit, Freimütigkeit und Unbefangenheit über die
vorhandenen Gegensätze aussprechen, einander tief ins Herz schauen und dabei
frohen Mutes entdecken, wie unendlich viel sie bei allem Trennenden als
Kinder eines Volkes und Söhne einer mütterlichen Erde, als Deutsche, die alle
ihr Vaterland über alles lieben, miteinander gemeinsam haben? Kann es
ohne Nachwirkung bleiben, daß in dem einen wie in dem anderen Falle sich
die Aussprache zu einem klassischen Beispiele gestaltet, wie solche Auseinander¬
setzungen mit unbedingter Sachlichkeit, Vornehmheit und Ritterlichkeit bei charakter¬
voller, starker Selbstbehauptung geführt werden können?

Es wäre wahrlich traurig, wenn ein Buch wie namentlich das vom inneren
Frieden des deutschen Volkes von diesem kühl aufgenommen würde. Das Echo,
das zu mir dringt, besagt denn auch ganz das Gegenteil I Nur einige Beispiele
aus sehr vielen: Die "Reformation", herausgegeben von l). Philipps, die
am weitesten rechtsstehende evangelische Kirchenzeitung, schreibt in ihrer jüngsten
Nummer: "Wirklich angenehm berührt die vornehme, ruhige Art der Ver¬
handlung. Wenn es gelingen würde, diese Art und Sachlichkeit auch nach
dem Frieden zu bewahren, dann müßten unsere Parteikämpfe völlig umgewandelt
werden. Sie würden nicht mehr das Verderben unseres Volkes, sondern sein
Segen und Reichtum sein, weil die Verschiedenartigkeit der Meinungen be¬
fruchtend wirken darf. Man achtet und ehrt den Gegner, weil man sich im
tiefsten mit ihm einig weiß in der Liebe zum gemeinsamen Vaterland". In
der "Germania" hieß es: "Von dem ganzen Werk darf man die Hoffnung
hegen, daß der vorurteilsfreie Leser von der mit der größten Eindringlichkeit
aus diesen Abhandlungen sprechenden Predigt ergriffen wird, von der Predigt
der brüderlichen Liebe und des brüderlichen Vertrauens". Und speziell von
den in dem Buch enthaltenen katholischen Abhandlungen: "Es ist gar nickt
abzusehen, wieviel Segen diese Abhandlungen zu stiften imstande sind, indem
sie mit alten eingewurzelten Vorurteilen des nichtkatholischen Teiles der deutschen
Bevölkerung aufzuräumen bestrebt sind". Zuguterletzt mag noch die "Deutsche
Tageszeitung" zitiert sein, die über den Aufsatz des Abgeordneten Faßbender


Konservativismus und innerer Frieden

freien Gewerkschaften: schon ließen sich ganze Seiten füllen, wollte man die
Vereinigungen und Organisationen aufzählen, in denen sich der neue brüderliche
Geist des deutschen Volkes dokumentiert. Auch die beiden von mir heraus-
gegebenen Gemeinschaftsbücher wollen als ein Teil des im deutschen Volke
lebenden Organisations- und Eintrachtswillens gewürdigt werden. Ich denke
gewiß bescheiden von dem Erreichten. Aber ich darf doch fragen: Ist es nicht
ein Großes, daß sich in dem einen Buche zum ersten Mal Bürgerliche und
Sozialisten, in dem zweiten Protestanten und Katholiken, Positive und Frei¬
geister, Konservative, Liberale und Sozialdemokraten, Arbeiter und Unternehmer,
Städter und Landleute einträchtig und friedfertig zu organischer Arbeitsgemein¬
schaft zusammenfanden? Muß es nicht das gegenseitige Verstehen und Ver¬
trauen fördern, wenn alle diese Persönlichkeiten aus den entgegengesetzten
Lagern sich in voller Offenheit, Freimütigkeit und Unbefangenheit über die
vorhandenen Gegensätze aussprechen, einander tief ins Herz schauen und dabei
frohen Mutes entdecken, wie unendlich viel sie bei allem Trennenden als
Kinder eines Volkes und Söhne einer mütterlichen Erde, als Deutsche, die alle
ihr Vaterland über alles lieben, miteinander gemeinsam haben? Kann es
ohne Nachwirkung bleiben, daß in dem einen wie in dem anderen Falle sich
die Aussprache zu einem klassischen Beispiele gestaltet, wie solche Auseinander¬
setzungen mit unbedingter Sachlichkeit, Vornehmheit und Ritterlichkeit bei charakter¬
voller, starker Selbstbehauptung geführt werden können?

Es wäre wahrlich traurig, wenn ein Buch wie namentlich das vom inneren
Frieden des deutschen Volkes von diesem kühl aufgenommen würde. Das Echo,
das zu mir dringt, besagt denn auch ganz das Gegenteil I Nur einige Beispiele
aus sehr vielen: Die „Reformation", herausgegeben von l). Philipps, die
am weitesten rechtsstehende evangelische Kirchenzeitung, schreibt in ihrer jüngsten
Nummer: „Wirklich angenehm berührt die vornehme, ruhige Art der Ver¬
handlung. Wenn es gelingen würde, diese Art und Sachlichkeit auch nach
dem Frieden zu bewahren, dann müßten unsere Parteikämpfe völlig umgewandelt
werden. Sie würden nicht mehr das Verderben unseres Volkes, sondern sein
Segen und Reichtum sein, weil die Verschiedenartigkeit der Meinungen be¬
fruchtend wirken darf. Man achtet und ehrt den Gegner, weil man sich im
tiefsten mit ihm einig weiß in der Liebe zum gemeinsamen Vaterland". In
der „Germania" hieß es: „Von dem ganzen Werk darf man die Hoffnung
hegen, daß der vorurteilsfreie Leser von der mit der größten Eindringlichkeit
aus diesen Abhandlungen sprechenden Predigt ergriffen wird, von der Predigt
der brüderlichen Liebe und des brüderlichen Vertrauens". Und speziell von
den in dem Buch enthaltenen katholischen Abhandlungen: „Es ist gar nickt
abzusehen, wieviel Segen diese Abhandlungen zu stiften imstande sind, indem
sie mit alten eingewurzelten Vorurteilen des nichtkatholischen Teiles der deutschen
Bevölkerung aufzuräumen bestrebt sind". Zuguterletzt mag noch die „Deutsche
Tageszeitung" zitiert sein, die über den Aufsatz des Abgeordneten Faßbender


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[0245] Konservativismus und innerer Frieden freien Gewerkschaften: schon ließen sich ganze Seiten füllen, wollte man die Vereinigungen und Organisationen aufzählen, in denen sich der neue brüderliche Geist des deutschen Volkes dokumentiert. Auch die beiden von mir heraus- gegebenen Gemeinschaftsbücher wollen als ein Teil des im deutschen Volke lebenden Organisations- und Eintrachtswillens gewürdigt werden. Ich denke gewiß bescheiden von dem Erreichten. Aber ich darf doch fragen: Ist es nicht ein Großes, daß sich in dem einen Buche zum ersten Mal Bürgerliche und Sozialisten, in dem zweiten Protestanten und Katholiken, Positive und Frei¬ geister, Konservative, Liberale und Sozialdemokraten, Arbeiter und Unternehmer, Städter und Landleute einträchtig und friedfertig zu organischer Arbeitsgemein¬ schaft zusammenfanden? Muß es nicht das gegenseitige Verstehen und Ver¬ trauen fördern, wenn alle diese Persönlichkeiten aus den entgegengesetzten Lagern sich in voller Offenheit, Freimütigkeit und Unbefangenheit über die vorhandenen Gegensätze aussprechen, einander tief ins Herz schauen und dabei frohen Mutes entdecken, wie unendlich viel sie bei allem Trennenden als Kinder eines Volkes und Söhne einer mütterlichen Erde, als Deutsche, die alle ihr Vaterland über alles lieben, miteinander gemeinsam haben? Kann es ohne Nachwirkung bleiben, daß in dem einen wie in dem anderen Falle sich die Aussprache zu einem klassischen Beispiele gestaltet, wie solche Auseinander¬ setzungen mit unbedingter Sachlichkeit, Vornehmheit und Ritterlichkeit bei charakter¬ voller, starker Selbstbehauptung geführt werden können? Es wäre wahrlich traurig, wenn ein Buch wie namentlich das vom inneren Frieden des deutschen Volkes von diesem kühl aufgenommen würde. Das Echo, das zu mir dringt, besagt denn auch ganz das Gegenteil I Nur einige Beispiele aus sehr vielen: Die „Reformation", herausgegeben von l). Philipps, die am weitesten rechtsstehende evangelische Kirchenzeitung, schreibt in ihrer jüngsten Nummer: „Wirklich angenehm berührt die vornehme, ruhige Art der Ver¬ handlung. Wenn es gelingen würde, diese Art und Sachlichkeit auch nach dem Frieden zu bewahren, dann müßten unsere Parteikämpfe völlig umgewandelt werden. Sie würden nicht mehr das Verderben unseres Volkes, sondern sein Segen und Reichtum sein, weil die Verschiedenartigkeit der Meinungen be¬ fruchtend wirken darf. Man achtet und ehrt den Gegner, weil man sich im tiefsten mit ihm einig weiß in der Liebe zum gemeinsamen Vaterland". In der „Germania" hieß es: „Von dem ganzen Werk darf man die Hoffnung hegen, daß der vorurteilsfreie Leser von der mit der größten Eindringlichkeit aus diesen Abhandlungen sprechenden Predigt ergriffen wird, von der Predigt der brüderlichen Liebe und des brüderlichen Vertrauens". Und speziell von den in dem Buch enthaltenen katholischen Abhandlungen: „Es ist gar nickt abzusehen, wieviel Segen diese Abhandlungen zu stiften imstande sind, indem sie mit alten eingewurzelten Vorurteilen des nichtkatholischen Teiles der deutschen Bevölkerung aufzuräumen bestrebt sind". Zuguterletzt mag noch die „Deutsche Tageszeitung" zitiert sein, die über den Aufsatz des Abgeordneten Faßbender

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/245>, abgerufen am 17.06.2024.