Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Die Verlängerung der Legislaturperiode
des Reichstages
Professor Dr. Lonrad Bornhak von

le derzeitige dreizehnte Legislaturperiode des Deutschen Reichstages
läuft vom 12. Januar 1912 auf fünf Jahre, also bis Januar
1917. Es hätten demnach in den letzten Monaten des Jahres 1916
die Neuwahlen stattzufinden.

Das ist zwar, falls der Krieg zu dieser Zeit noch fortdauern
sollte, nicht unmöglich, aber doch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden.
Ein großer Teil der männlichen Bevölkerung ist zu den Fahnen einberufen, so
daß für sie nach gesetzlicher Bestimmung die Wahlberechtigung ruht. Hat man
die allgemeine Wehrpflicht als die innere Rechtfertigung des allgemeinen Wahl¬
rechts bezeichnet, so wird diese innere Rechtfertigung in ihr Gegenteil verkehrt,
wenn gerade die an der militärischen Verteidigung des Vaterlandes nicht
beteiligte männliche Bevölkerung zum Wählen berufen würde. Ein wirkliches
Bild der Volksstimmung würden diese Kriegswahlen schwerlich ergeben. Alle
Wahlen erfordern ferner einen Parteikampf. Dieser steht aber während des
Krieges unter dem Zeichen des Burgfriedens. Hat man diesen bisher bei
Nachwahlen dadurch zu wahren verstanden, daß man der bisher im Besitze des
Wahlkreises befindlichen Partei diesen weiter kampflos überließ, so würde dies
bei allgemeinen Wahlen schwerlich durchführbar sein. Anhänger der Gruppen
Haase oder Liebknecht z. B. kann keine andere Partei ohne Wahlkampf wieder
in den Reichstag lassen. Und endlich kostet jeder Wahlkampf Geld, das man
während des Krieges besser anderweit verwerten kann. Die Schwierigkeiten der
Kriegszensur mögen dabei mit Schweigen bedeckt bleiben.

Aber wenn sich zur Behebung dieser Schwierigkeiten alle Parteien allen¬
falls auf das bisher bei den Nachwahlen beobachtete Verfahren einigen wollten,
so hätten Neuwahlen als unnötige Belästigung der Wählerschaft erst recht keinen
Zweck. Denn es bliebe eben alles beim alten. Die Neuwahlen bedeuteten
dann nur die Erfüllung einer lästigen Formvorschrift.

Dies alles legt den Gedanken einer Verlängerung der Legislaturperiode
bis zum Friedensschlüsse oder besser bis zu dem Zeitpunkte nahe, wo das Heer
wieder auf den Friedensfuß gesetzt ist.

Nach Art. 24 der Reichsverfassung dauert die Legislaturperiode des Reichs¬
tages fünf Jahre. Ursprünglich war die Legislaturperiode eine dreijährige nach




Die Verlängerung der Legislaturperiode
des Reichstages
Professor Dr. Lonrad Bornhak von

le derzeitige dreizehnte Legislaturperiode des Deutschen Reichstages
läuft vom 12. Januar 1912 auf fünf Jahre, also bis Januar
1917. Es hätten demnach in den letzten Monaten des Jahres 1916
die Neuwahlen stattzufinden.

Das ist zwar, falls der Krieg zu dieser Zeit noch fortdauern
sollte, nicht unmöglich, aber doch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden.
Ein großer Teil der männlichen Bevölkerung ist zu den Fahnen einberufen, so
daß für sie nach gesetzlicher Bestimmung die Wahlberechtigung ruht. Hat man
die allgemeine Wehrpflicht als die innere Rechtfertigung des allgemeinen Wahl¬
rechts bezeichnet, so wird diese innere Rechtfertigung in ihr Gegenteil verkehrt,
wenn gerade die an der militärischen Verteidigung des Vaterlandes nicht
beteiligte männliche Bevölkerung zum Wählen berufen würde. Ein wirkliches
Bild der Volksstimmung würden diese Kriegswahlen schwerlich ergeben. Alle
Wahlen erfordern ferner einen Parteikampf. Dieser steht aber während des
Krieges unter dem Zeichen des Burgfriedens. Hat man diesen bisher bei
Nachwahlen dadurch zu wahren verstanden, daß man der bisher im Besitze des
Wahlkreises befindlichen Partei diesen weiter kampflos überließ, so würde dies
bei allgemeinen Wahlen schwerlich durchführbar sein. Anhänger der Gruppen
Haase oder Liebknecht z. B. kann keine andere Partei ohne Wahlkampf wieder
in den Reichstag lassen. Und endlich kostet jeder Wahlkampf Geld, das man
während des Krieges besser anderweit verwerten kann. Die Schwierigkeiten der
Kriegszensur mögen dabei mit Schweigen bedeckt bleiben.

Aber wenn sich zur Behebung dieser Schwierigkeiten alle Parteien allen¬
falls auf das bisher bei den Nachwahlen beobachtete Verfahren einigen wollten,
so hätten Neuwahlen als unnötige Belästigung der Wählerschaft erst recht keinen
Zweck. Denn es bliebe eben alles beim alten. Die Neuwahlen bedeuteten
dann nur die Erfüllung einer lästigen Formvorschrift.

Dies alles legt den Gedanken einer Verlängerung der Legislaturperiode
bis zum Friedensschlüsse oder besser bis zu dem Zeitpunkte nahe, wo das Heer
wieder auf den Friedensfuß gesetzt ist.

Nach Art. 24 der Reichsverfassung dauert die Legislaturperiode des Reichs¬
tages fünf Jahre. Ursprünglich war die Legislaturperiode eine dreijährige nach


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0032" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330566"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341903_330533/figures/grenzboten_341903_330533_330566_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Verlängerung der Legislaturperiode<lb/>
des Reichstages<lb/><note type="byline"> Professor Dr. Lonrad Bornhak</note> von</head><lb/>
          <p xml:id="ID_62"> le derzeitige dreizehnte Legislaturperiode des Deutschen Reichstages<lb/>
läuft vom 12. Januar 1912 auf fünf Jahre, also bis Januar<lb/>
1917. Es hätten demnach in den letzten Monaten des Jahres 1916<lb/>
die Neuwahlen stattzufinden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_63"> Das ist zwar, falls der Krieg zu dieser Zeit noch fortdauern<lb/>
sollte, nicht unmöglich, aber doch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden.<lb/>
Ein großer Teil der männlichen Bevölkerung ist zu den Fahnen einberufen, so<lb/>
daß für sie nach gesetzlicher Bestimmung die Wahlberechtigung ruht. Hat man<lb/>
die allgemeine Wehrpflicht als die innere Rechtfertigung des allgemeinen Wahl¬<lb/>
rechts bezeichnet, so wird diese innere Rechtfertigung in ihr Gegenteil verkehrt,<lb/>
wenn gerade die an der militärischen Verteidigung des Vaterlandes nicht<lb/>
beteiligte männliche Bevölkerung zum Wählen berufen würde. Ein wirkliches<lb/>
Bild der Volksstimmung würden diese Kriegswahlen schwerlich ergeben. Alle<lb/>
Wahlen erfordern ferner einen Parteikampf. Dieser steht aber während des<lb/>
Krieges unter dem Zeichen des Burgfriedens. Hat man diesen bisher bei<lb/>
Nachwahlen dadurch zu wahren verstanden, daß man der bisher im Besitze des<lb/>
Wahlkreises befindlichen Partei diesen weiter kampflos überließ, so würde dies<lb/>
bei allgemeinen Wahlen schwerlich durchführbar sein. Anhänger der Gruppen<lb/>
Haase oder Liebknecht z. B. kann keine andere Partei ohne Wahlkampf wieder<lb/>
in den Reichstag lassen. Und endlich kostet jeder Wahlkampf Geld, das man<lb/>
während des Krieges besser anderweit verwerten kann. Die Schwierigkeiten der<lb/>
Kriegszensur mögen dabei mit Schweigen bedeckt bleiben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_64"> Aber wenn sich zur Behebung dieser Schwierigkeiten alle Parteien allen¬<lb/>
falls auf das bisher bei den Nachwahlen beobachtete Verfahren einigen wollten,<lb/>
so hätten Neuwahlen als unnötige Belästigung der Wählerschaft erst recht keinen<lb/>
Zweck. Denn es bliebe eben alles beim alten. Die Neuwahlen bedeuteten<lb/>
dann nur die Erfüllung einer lästigen Formvorschrift.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_65"> Dies alles legt den Gedanken einer Verlängerung der Legislaturperiode<lb/>
bis zum Friedensschlüsse oder besser bis zu dem Zeitpunkte nahe, wo das Heer<lb/>
wieder auf den Friedensfuß gesetzt ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_66" next="#ID_67"> Nach Art. 24 der Reichsverfassung dauert die Legislaturperiode des Reichs¬<lb/>
tages fünf Jahre. Ursprünglich war die Legislaturperiode eine dreijährige nach</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0032] [Abbildung] Die Verlängerung der Legislaturperiode des Reichstages Professor Dr. Lonrad Bornhak von le derzeitige dreizehnte Legislaturperiode des Deutschen Reichstages läuft vom 12. Januar 1912 auf fünf Jahre, also bis Januar 1917. Es hätten demnach in den letzten Monaten des Jahres 1916 die Neuwahlen stattzufinden. Das ist zwar, falls der Krieg zu dieser Zeit noch fortdauern sollte, nicht unmöglich, aber doch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Ein großer Teil der männlichen Bevölkerung ist zu den Fahnen einberufen, so daß für sie nach gesetzlicher Bestimmung die Wahlberechtigung ruht. Hat man die allgemeine Wehrpflicht als die innere Rechtfertigung des allgemeinen Wahl¬ rechts bezeichnet, so wird diese innere Rechtfertigung in ihr Gegenteil verkehrt, wenn gerade die an der militärischen Verteidigung des Vaterlandes nicht beteiligte männliche Bevölkerung zum Wählen berufen würde. Ein wirkliches Bild der Volksstimmung würden diese Kriegswahlen schwerlich ergeben. Alle Wahlen erfordern ferner einen Parteikampf. Dieser steht aber während des Krieges unter dem Zeichen des Burgfriedens. Hat man diesen bisher bei Nachwahlen dadurch zu wahren verstanden, daß man der bisher im Besitze des Wahlkreises befindlichen Partei diesen weiter kampflos überließ, so würde dies bei allgemeinen Wahlen schwerlich durchführbar sein. Anhänger der Gruppen Haase oder Liebknecht z. B. kann keine andere Partei ohne Wahlkampf wieder in den Reichstag lassen. Und endlich kostet jeder Wahlkampf Geld, das man während des Krieges besser anderweit verwerten kann. Die Schwierigkeiten der Kriegszensur mögen dabei mit Schweigen bedeckt bleiben. Aber wenn sich zur Behebung dieser Schwierigkeiten alle Parteien allen¬ falls auf das bisher bei den Nachwahlen beobachtete Verfahren einigen wollten, so hätten Neuwahlen als unnötige Belästigung der Wählerschaft erst recht keinen Zweck. Denn es bliebe eben alles beim alten. Die Neuwahlen bedeuteten dann nur die Erfüllung einer lästigen Formvorschrift. Dies alles legt den Gedanken einer Verlängerung der Legislaturperiode bis zum Friedensschlüsse oder besser bis zu dem Zeitpunkte nahe, wo das Heer wieder auf den Friedensfuß gesetzt ist. Nach Art. 24 der Reichsverfassung dauert die Legislaturperiode des Reichs¬ tages fünf Jahre. Ursprünglich war die Legislaturperiode eine dreijährige nach

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/32
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/32>, abgerufen am 26.05.2024.