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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Religion "ut Volk

Halt, die Erkenntnis unserer völkischen Pflicht. Wir sind ein Weltvolk ge¬
worden. Unser Vaterlandsdienst wird nicht mehr bloß getrieben von dem
Empfinden, daß unser Volksgeist ein besonderer Geist ist, dessen Erhaltung für
uns von ungeheurem Lebenswert ist. Wir sind jetzt auch von dem Bewußtsein
erfüllt, daß er ein weltordnender ist, dessen Mitwirkung wir unter Einsetzung
von Opfern zu fördern entschlossen sind. Fichte hat die geistige Sendung des
Deutschtums prophetisch verkündigt, sicherlich ohne bei seinen Zeitgenossen das
volle Verständnis zu finden: "Wenn ihr versinkt, so versinkt die ganze Mensch¬
heit und. ohne Hoffnung einer einstigen Wiederherstellung." In Erinnerung
Fichtescher Gedanken schien mir ein Buch unsere von? Weltkrieg aufgeführten
Empfindungen besonders klar und treu zum Ausdruck'zu bringen. .Es ist die
Schrift von Arthur Borns. "Religion als Wille," Grundlegendes zur neuen
Frömmigkeit (Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1915). Ich will einen
Teil seiner Grundgedanken hier folgen lassen; das Buch verdient, weil es auf
wahrhaftiger innerer Erfahrung beruht, auch außerhalb eines bestimmten An¬
hängerkreises gelesen zu werden.

Jede Notwendigkeit äußeren Geschehens, gegen die wir uns anfangs
wehren zu müssen glauben, empfindet der tiefer schauende. Religiöse als
Wille, d. h. sittliche Notwendigkeit. Je länger wir uns in die Welt hinein¬
versenken, desto mehr wird uns der Zusammenhang zwischen dieser Notwendig¬
keit und dem inneren Zwang in unserer eigenen Brust bewußt. Wenn es uns
gelingt, unseren tiefsten Willen zu leben, aus dem empfundenen Sollen ein
Wollen mit Freuden und aus dem Wollen ein Können mit Lust zu machen,
so erobern wir uns selbst, gewinnen die Zuversicht, daß wir ein Teil des
Allwillens sind und damit allem Geschaffenen überlegen. Wir fühlen uns als
König über Stoff und Schicksal. Diese Wahrheit braucht eine Zeit wie die
unsere, eine Zeit schweren Kampfes, um verstanden zu werden. Welt und
Leben sind im Tiefsten nur unter dem Gesichtspunkt des schaffenden Willens
zu verstehen, und Wille hat als seine natürliche Kehrseite den Kampf gegen
das Überflüssige, Verbrauchte, Wertlose, um Neues zu gestalten.

Das Gefühl des in uns heraufdrängenden Willens, den wir alle in Gestalt
der ungeheuren Entschlossenheit empfunden haben, auch geistig nicht unterzugehen,
diese neue Frömmigkeit, die der Krieg gebracht hat, kann ein Bindemittel werden
zwischen Volk und Gebildeten, kann die drohende Gefahr einer "Auseinander-
entwicklung der Religion in Philosophie (die Religion der Gebildeten) und
oberflächlichen Aberglauben, das Zerschneiden der Zusammenhänge zwischen oben
und unten" verhüten. Die Bejahungskraft des schöpferischen Willens vermag
aus uns wieder ein Volk im besten Sinne des Wortes zu machen.

Daß wir diesen unseren Glauben und Willen über alle Entbehrungen und
Opfer hinaus empfinden, darin kann nur der Sinn gefunden werden, daß die
Erhaltung unseres Volkstums einen höheren Wert hat. Geschichtliche Be¬
weise für den Wert des Volkstums bieten die Babylonier. Ägypter. Griechen.


Religion «ut Volk

Halt, die Erkenntnis unserer völkischen Pflicht. Wir sind ein Weltvolk ge¬
worden. Unser Vaterlandsdienst wird nicht mehr bloß getrieben von dem
Empfinden, daß unser Volksgeist ein besonderer Geist ist, dessen Erhaltung für
uns von ungeheurem Lebenswert ist. Wir sind jetzt auch von dem Bewußtsein
erfüllt, daß er ein weltordnender ist, dessen Mitwirkung wir unter Einsetzung
von Opfern zu fördern entschlossen sind. Fichte hat die geistige Sendung des
Deutschtums prophetisch verkündigt, sicherlich ohne bei seinen Zeitgenossen das
volle Verständnis zu finden: „Wenn ihr versinkt, so versinkt die ganze Mensch¬
heit und. ohne Hoffnung einer einstigen Wiederherstellung." In Erinnerung
Fichtescher Gedanken schien mir ein Buch unsere von? Weltkrieg aufgeführten
Empfindungen besonders klar und treu zum Ausdruck'zu bringen. .Es ist die
Schrift von Arthur Borns. „Religion als Wille," Grundlegendes zur neuen
Frömmigkeit (Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1915). Ich will einen
Teil seiner Grundgedanken hier folgen lassen; das Buch verdient, weil es auf
wahrhaftiger innerer Erfahrung beruht, auch außerhalb eines bestimmten An¬
hängerkreises gelesen zu werden.

Jede Notwendigkeit äußeren Geschehens, gegen die wir uns anfangs
wehren zu müssen glauben, empfindet der tiefer schauende. Religiöse als
Wille, d. h. sittliche Notwendigkeit. Je länger wir uns in die Welt hinein¬
versenken, desto mehr wird uns der Zusammenhang zwischen dieser Notwendig¬
keit und dem inneren Zwang in unserer eigenen Brust bewußt. Wenn es uns
gelingt, unseren tiefsten Willen zu leben, aus dem empfundenen Sollen ein
Wollen mit Freuden und aus dem Wollen ein Können mit Lust zu machen,
so erobern wir uns selbst, gewinnen die Zuversicht, daß wir ein Teil des
Allwillens sind und damit allem Geschaffenen überlegen. Wir fühlen uns als
König über Stoff und Schicksal. Diese Wahrheit braucht eine Zeit wie die
unsere, eine Zeit schweren Kampfes, um verstanden zu werden. Welt und
Leben sind im Tiefsten nur unter dem Gesichtspunkt des schaffenden Willens
zu verstehen, und Wille hat als seine natürliche Kehrseite den Kampf gegen
das Überflüssige, Verbrauchte, Wertlose, um Neues zu gestalten.

Das Gefühl des in uns heraufdrängenden Willens, den wir alle in Gestalt
der ungeheuren Entschlossenheit empfunden haben, auch geistig nicht unterzugehen,
diese neue Frömmigkeit, die der Krieg gebracht hat, kann ein Bindemittel werden
zwischen Volk und Gebildeten, kann die drohende Gefahr einer „Auseinander-
entwicklung der Religion in Philosophie (die Religion der Gebildeten) und
oberflächlichen Aberglauben, das Zerschneiden der Zusammenhänge zwischen oben
und unten" verhüten. Die Bejahungskraft des schöpferischen Willens vermag
aus uns wieder ein Volk im besten Sinne des Wortes zu machen.

Daß wir diesen unseren Glauben und Willen über alle Entbehrungen und
Opfer hinaus empfinden, darin kann nur der Sinn gefunden werden, daß die
Erhaltung unseres Volkstums einen höheren Wert hat. Geschichtliche Be¬
weise für den Wert des Volkstums bieten die Babylonier. Ägypter. Griechen.


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[0107] Religion «ut Volk Halt, die Erkenntnis unserer völkischen Pflicht. Wir sind ein Weltvolk ge¬ worden. Unser Vaterlandsdienst wird nicht mehr bloß getrieben von dem Empfinden, daß unser Volksgeist ein besonderer Geist ist, dessen Erhaltung für uns von ungeheurem Lebenswert ist. Wir sind jetzt auch von dem Bewußtsein erfüllt, daß er ein weltordnender ist, dessen Mitwirkung wir unter Einsetzung von Opfern zu fördern entschlossen sind. Fichte hat die geistige Sendung des Deutschtums prophetisch verkündigt, sicherlich ohne bei seinen Zeitgenossen das volle Verständnis zu finden: „Wenn ihr versinkt, so versinkt die ganze Mensch¬ heit und. ohne Hoffnung einer einstigen Wiederherstellung." In Erinnerung Fichtescher Gedanken schien mir ein Buch unsere von? Weltkrieg aufgeführten Empfindungen besonders klar und treu zum Ausdruck'zu bringen. .Es ist die Schrift von Arthur Borns. „Religion als Wille," Grundlegendes zur neuen Frömmigkeit (Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1915). Ich will einen Teil seiner Grundgedanken hier folgen lassen; das Buch verdient, weil es auf wahrhaftiger innerer Erfahrung beruht, auch außerhalb eines bestimmten An¬ hängerkreises gelesen zu werden. Jede Notwendigkeit äußeren Geschehens, gegen die wir uns anfangs wehren zu müssen glauben, empfindet der tiefer schauende. Religiöse als Wille, d. h. sittliche Notwendigkeit. Je länger wir uns in die Welt hinein¬ versenken, desto mehr wird uns der Zusammenhang zwischen dieser Notwendig¬ keit und dem inneren Zwang in unserer eigenen Brust bewußt. Wenn es uns gelingt, unseren tiefsten Willen zu leben, aus dem empfundenen Sollen ein Wollen mit Freuden und aus dem Wollen ein Können mit Lust zu machen, so erobern wir uns selbst, gewinnen die Zuversicht, daß wir ein Teil des Allwillens sind und damit allem Geschaffenen überlegen. Wir fühlen uns als König über Stoff und Schicksal. Diese Wahrheit braucht eine Zeit wie die unsere, eine Zeit schweren Kampfes, um verstanden zu werden. Welt und Leben sind im Tiefsten nur unter dem Gesichtspunkt des schaffenden Willens zu verstehen, und Wille hat als seine natürliche Kehrseite den Kampf gegen das Überflüssige, Verbrauchte, Wertlose, um Neues zu gestalten. Das Gefühl des in uns heraufdrängenden Willens, den wir alle in Gestalt der ungeheuren Entschlossenheit empfunden haben, auch geistig nicht unterzugehen, diese neue Frömmigkeit, die der Krieg gebracht hat, kann ein Bindemittel werden zwischen Volk und Gebildeten, kann die drohende Gefahr einer „Auseinander- entwicklung der Religion in Philosophie (die Religion der Gebildeten) und oberflächlichen Aberglauben, das Zerschneiden der Zusammenhänge zwischen oben und unten" verhüten. Die Bejahungskraft des schöpferischen Willens vermag aus uns wieder ein Volk im besten Sinne des Wortes zu machen. Daß wir diesen unseren Glauben und Willen über alle Entbehrungen und Opfer hinaus empfinden, darin kann nur der Sinn gefunden werden, daß die Erhaltung unseres Volkstums einen höheren Wert hat. Geschichtliche Be¬ weise für den Wert des Volkstums bieten die Babylonier. Ägypter. Griechen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/107>, abgerufen am 27.05.2024.