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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Der Cauchbootkricg

1. Haager Friedenskonferenz, welcher lautete, neue Feuerwaffen, Sprengstoffe,
Pulver sowie Unterseebote und Nammschiffe zu verbieten, wurde abgelehnt.
Ferner: die kaum erfundene Selbsttätige Kontaktmine -- eine Seemine, die
durch bloße Berührung auffliegt --. wurde von Rußland im russisch-japanischen
Kriege von 1904 verwendet, noch dazu in der Gestalt der besonders gefährlichen
unverankerten Mine, obschon Seculum aller Art sich nicht nur gegen den Feind
richten, sondern auch neutrale Schiffe bedrohen. Auf der 2. Haager Friedens¬
konferenz ist es mühsam gelungen, wenigstens einige -- keineswegs genügende --
Sicherungsmaßregeln bei dem Gebrauch dieser furchtbaren, plan- und wahllos
wirkenden Waffe zu vereinbaren.

Und um noch ein drittes Beispiel anzuführen: Über die Verwendung der
Flugzeuge und Luftschiffe als Waffe M zwar auf der I. Haager Friedens¬
konferenz eine Vereinbarung getroffen, die das Werfen von Geschossen und
Sprengstoffen daraus für fünf Jahre verbot. Aber die Erneuerung des Verbotes
ist auf der 2. Friedenskonferenz nicht gelungen. Die Folge ist nun nicht etwa,
daß die Verwendung dieses weit entsetzlicher als das Tauchboot wirkenden
Kriegsmittels unterbleiben muß, vielmehr umgekehrt: da keine besonderen ein¬
schränkenden Bestimmungen des Völkerrechts entgegenstehen, kann es nun fern
vom eigentlichen Kampfplatz überall, mitten in Feindesland und auf dem
Meere, verwendet werden mit der einzigen allgemeinen Beschränkung, die für
alle Kriegsmittel gilt, daß nämlich die Beschießung von offenen unverteidigten
Orten verboten ist. Aber selbst in diesen Orten dürfen Anlagen und Ein¬
richtungen, die für Heer und Flotte des Feindes nutzbar gemacht werden
können, beschossen werden.*)

Was der Seemine und dem Luftfahrzeug recht ist, ist dem Tauchboote
billig. Der völkerrechtlich allgemein anerkannte Satz, daß alle nicht grund¬
sätzlich verbotenen Kriegsmittel als erlaubt gelten müssen, muß auch für das
Tauchboot als unterseeisch wirkende Waffe in dem gegen den feindlichen See¬
handel gerichteten Kampfe gelten, der, wie schon bemerkt, das Hauptziel des
Seekriegs bildet. Der Kriegführende hat demnach nach völkerrechtlichen Grund¬
sätzen das Recht, Tauchboote nicht nur gegen Kriegsschiffe, sondern auch gegen
feindliche Handelsschiffe zu plötzlichem Angriffe zu verwenden, falls die Kriegs¬
notwendigkeit es gebietet, sei es zur eigenen Sicherung, sei es zur Vermehrung der
Erfolge.

Allein Deutschland hat von dieser Befugnis des plötzlichen Angriffes in
dem gegenwärtigen Kriege zunächst überhaupt keinen Gebrauch gemacht. Viel¬
mehr ist erst in einer Bekanntmachung vom 4. Februar 1915 angekündigt
worden, daß vom 18. Februar 1915 jedes in den Gewässern rings um Gro߬
britannien und Irland einschließlich des gesamten englischen Kanals angetroffene
feindliche Kauffahrteischiff zerstört werden wird, ohne daß es immer möglich



*) Vergl. nieinen Aufsatz in der Deutschen Juristen-Zeitung vom 1. Oktober 191".
Der Cauchbootkricg

1. Haager Friedenskonferenz, welcher lautete, neue Feuerwaffen, Sprengstoffe,
Pulver sowie Unterseebote und Nammschiffe zu verbieten, wurde abgelehnt.
Ferner: die kaum erfundene Selbsttätige Kontaktmine — eine Seemine, die
durch bloße Berührung auffliegt —. wurde von Rußland im russisch-japanischen
Kriege von 1904 verwendet, noch dazu in der Gestalt der besonders gefährlichen
unverankerten Mine, obschon Seculum aller Art sich nicht nur gegen den Feind
richten, sondern auch neutrale Schiffe bedrohen. Auf der 2. Haager Friedens¬
konferenz ist es mühsam gelungen, wenigstens einige — keineswegs genügende —
Sicherungsmaßregeln bei dem Gebrauch dieser furchtbaren, plan- und wahllos
wirkenden Waffe zu vereinbaren.

Und um noch ein drittes Beispiel anzuführen: Über die Verwendung der
Flugzeuge und Luftschiffe als Waffe M zwar auf der I. Haager Friedens¬
konferenz eine Vereinbarung getroffen, die das Werfen von Geschossen und
Sprengstoffen daraus für fünf Jahre verbot. Aber die Erneuerung des Verbotes
ist auf der 2. Friedenskonferenz nicht gelungen. Die Folge ist nun nicht etwa,
daß die Verwendung dieses weit entsetzlicher als das Tauchboot wirkenden
Kriegsmittels unterbleiben muß, vielmehr umgekehrt: da keine besonderen ein¬
schränkenden Bestimmungen des Völkerrechts entgegenstehen, kann es nun fern
vom eigentlichen Kampfplatz überall, mitten in Feindesland und auf dem
Meere, verwendet werden mit der einzigen allgemeinen Beschränkung, die für
alle Kriegsmittel gilt, daß nämlich die Beschießung von offenen unverteidigten
Orten verboten ist. Aber selbst in diesen Orten dürfen Anlagen und Ein¬
richtungen, die für Heer und Flotte des Feindes nutzbar gemacht werden
können, beschossen werden.*)

Was der Seemine und dem Luftfahrzeug recht ist, ist dem Tauchboote
billig. Der völkerrechtlich allgemein anerkannte Satz, daß alle nicht grund¬
sätzlich verbotenen Kriegsmittel als erlaubt gelten müssen, muß auch für das
Tauchboot als unterseeisch wirkende Waffe in dem gegen den feindlichen See¬
handel gerichteten Kampfe gelten, der, wie schon bemerkt, das Hauptziel des
Seekriegs bildet. Der Kriegführende hat demnach nach völkerrechtlichen Grund¬
sätzen das Recht, Tauchboote nicht nur gegen Kriegsschiffe, sondern auch gegen
feindliche Handelsschiffe zu plötzlichem Angriffe zu verwenden, falls die Kriegs¬
notwendigkeit es gebietet, sei es zur eigenen Sicherung, sei es zur Vermehrung der
Erfolge.

Allein Deutschland hat von dieser Befugnis des plötzlichen Angriffes in
dem gegenwärtigen Kriege zunächst überhaupt keinen Gebrauch gemacht. Viel¬
mehr ist erst in einer Bekanntmachung vom 4. Februar 1915 angekündigt
worden, daß vom 18. Februar 1915 jedes in den Gewässern rings um Gro߬
britannien und Irland einschließlich des gesamten englischen Kanals angetroffene
feindliche Kauffahrteischiff zerstört werden wird, ohne daß es immer möglich



*) Vergl. nieinen Aufsatz in der Deutschen Juristen-Zeitung vom 1. Oktober 191«.
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[0178] Der Cauchbootkricg 1. Haager Friedenskonferenz, welcher lautete, neue Feuerwaffen, Sprengstoffe, Pulver sowie Unterseebote und Nammschiffe zu verbieten, wurde abgelehnt. Ferner: die kaum erfundene Selbsttätige Kontaktmine — eine Seemine, die durch bloße Berührung auffliegt —. wurde von Rußland im russisch-japanischen Kriege von 1904 verwendet, noch dazu in der Gestalt der besonders gefährlichen unverankerten Mine, obschon Seculum aller Art sich nicht nur gegen den Feind richten, sondern auch neutrale Schiffe bedrohen. Auf der 2. Haager Friedens¬ konferenz ist es mühsam gelungen, wenigstens einige — keineswegs genügende — Sicherungsmaßregeln bei dem Gebrauch dieser furchtbaren, plan- und wahllos wirkenden Waffe zu vereinbaren. Und um noch ein drittes Beispiel anzuführen: Über die Verwendung der Flugzeuge und Luftschiffe als Waffe M zwar auf der I. Haager Friedens¬ konferenz eine Vereinbarung getroffen, die das Werfen von Geschossen und Sprengstoffen daraus für fünf Jahre verbot. Aber die Erneuerung des Verbotes ist auf der 2. Friedenskonferenz nicht gelungen. Die Folge ist nun nicht etwa, daß die Verwendung dieses weit entsetzlicher als das Tauchboot wirkenden Kriegsmittels unterbleiben muß, vielmehr umgekehrt: da keine besonderen ein¬ schränkenden Bestimmungen des Völkerrechts entgegenstehen, kann es nun fern vom eigentlichen Kampfplatz überall, mitten in Feindesland und auf dem Meere, verwendet werden mit der einzigen allgemeinen Beschränkung, die für alle Kriegsmittel gilt, daß nämlich die Beschießung von offenen unverteidigten Orten verboten ist. Aber selbst in diesen Orten dürfen Anlagen und Ein¬ richtungen, die für Heer und Flotte des Feindes nutzbar gemacht werden können, beschossen werden.*) Was der Seemine und dem Luftfahrzeug recht ist, ist dem Tauchboote billig. Der völkerrechtlich allgemein anerkannte Satz, daß alle nicht grund¬ sätzlich verbotenen Kriegsmittel als erlaubt gelten müssen, muß auch für das Tauchboot als unterseeisch wirkende Waffe in dem gegen den feindlichen See¬ handel gerichteten Kampfe gelten, der, wie schon bemerkt, das Hauptziel des Seekriegs bildet. Der Kriegführende hat demnach nach völkerrechtlichen Grund¬ sätzen das Recht, Tauchboote nicht nur gegen Kriegsschiffe, sondern auch gegen feindliche Handelsschiffe zu plötzlichem Angriffe zu verwenden, falls die Kriegs¬ notwendigkeit es gebietet, sei es zur eigenen Sicherung, sei es zur Vermehrung der Erfolge. Allein Deutschland hat von dieser Befugnis des plötzlichen Angriffes in dem gegenwärtigen Kriege zunächst überhaupt keinen Gebrauch gemacht. Viel¬ mehr ist erst in einer Bekanntmachung vom 4. Februar 1915 angekündigt worden, daß vom 18. Februar 1915 jedes in den Gewässern rings um Gro߬ britannien und Irland einschließlich des gesamten englischen Kanals angetroffene feindliche Kauffahrteischiff zerstört werden wird, ohne daß es immer möglich *) Vergl. nieinen Aufsatz in der Deutschen Juristen-Zeitung vom 1. Oktober 191«.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/178>, abgerufen am 28.05.2024.