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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Der Jenaer Parteitag der Deutschen Volkspartei

der Durchsetzung der demokratischen Reformen übernehmen müssen. Ein Sturm
der Entrüstung im nationalliberalen Bürgertum hätte Herrn Dr. Lohmann seine
kurzsichtige Politik im preußischen Abgeordnetenhaus unmöglich machen müssen.
Diesen Sturm der Entrüstung hat Herr Dr. Stresemann nicht entfacht Viel hat
der Nationalliberalismus versäumt in der politischen Erziehung des Bürgertums
und vor allem der gebildeten Jugend. Mit Recht konnte Stresemann unter dem
Beifall des Parteitags feststellen, daß vor der Revolution der Arbeiter in der
Sozialdemokratie wahrhaftig weit besser politisch geschult gewesen sei, als der
bürgerliche Akademiker. Man kann die Deutsche Volkspartei von Herzen dazu
beglückwünschen, wenn sie entschlossen ist, auf diesem Gebiete ganz andere Arbeit
zu leisten, als vordem die Nationalliberalcn. Die Kleinarbeit von Mund zu
Mund bringt die besten Erfolge. Es gilt also, jedes einzelne Parteimitglied fo
zu disziplinieren und mit Kenntnissen auszurüsten, daß es überall zum freiwilligen
Propagandisten der Parteisache wird. Diese Schulung ist die Hauptarbeit der
Ortegruppen.

So hätte der Parteitag der Volkspartei meines Ercichtens guten Grund ge¬
habt, etwas stärker von der alten nationalliberalcn Politik abzurücken, als er es getan
hat. Aber man darf eben nicht verkennen, daß die Partei heute noch fast aus¬
schließlich auf den Resten der nationalliberalcn Organisation ruht. Noch stehen
meistens altnalivnattiberale Politiker an der Spitze und haben natürlich das be¬
greifliche Bedürfnis, ihre Sache zu rechtfertigen. Dein Tieferblickenden wurde
auch auf diesem Parteitag klar, daß die Volkspartei doch jetzt schon weit breitere
.Kreise umfaßt als die Reste der alten Nationalliberalen. Mit dem Ausbau der
neuen Parteiorganisation werden sie immer stärker zur Geltung kommen. Auch
der großen Programmrede Stresemcmns muß man nachrühmen, daß sie nicht
lediglich rückwärts schaute, sondern auch neue Bahnen zu weisen verstand.

Was die Frage der Staatsform anlangt, so gibt die Deutsche Volkspartei
zweifellos der Monarchie vor der Republik den Vorzug. Professor Kahl sprach
das Wort von der "Partei der Kaisertreuen" und meinte damit, daß man ent¬
schlossen sei, sich zu den großen Überlieferungen des Kaiserlichen Deutschland zu
bekennen. Dr. Stresemann rechtfertigte die Monarchie aus historischen Gründen
und um der Sozialpolitik willen. Kein republikanischer Präsident wird die Mög¬
lichkeit haben, so unparteiisch über den Klassen und Wirischaftsverbänden zu stehen,
wie das ein Monarch kann, wenn er will. Dazu kommen nun alle die Gefühls¬
gründe, die dem deutschen Volke bisher die Monarchie teuer gemacht haben.
Trotzdem sprach sich Stresemann für die Republik aus. Die Wiedereinführung
der Monarchie würde nur durch neuen Umsturz möglich sein, meinte er, und dieser
müßte auf alle Fälle vermieden werden. Diese Begründung des Nepublikanertums
mutet freilich etwas schwächlich an. Eine starke Partei muß rücksichtslos sagen,
welche Staatsform sie für die richtige hält. Aus gewaltsamen Umsturz braucht sie
deswegen nicht hinzuarbeiten. Sie wird glauben, daß ihre Zeit reif werden wird.
Die Volkspartei sollte also dieses Argument für die Republik lieber zu Hause
lassen. Imponieren wird sie damit niemandem. Ganz anderes Gewicht hat das
zweite: Großdeutschland, die Vereinigung mit unsern österreichischen Brüdern ist,
wie die Geschichte gezeigt hat, nur unter republikanischer Staatsform möglich.
Jede Wiederherstellung der deutschen Monarchien müßte auch die Rivalität zwischen
Hohenzollern und Habsbrug wieder herstellen. Gerade die nationalistischen Kreise
in Osterreich wünschen die Wiederkehr der Monarchie nicht, weil sie die dynastische
Politik der Habsburger, die das deutsche Volk verraten hat, nicht wiedersahen
wollen. Auch von: reichsdeutschen Standpunkte darf man hinzufügen, daß es ein
Segeir ist, wenn die Republik endlich mit der Kleinstaaterei aufräumt, was unter
den Dynastien nie möglich gewesen wäre.

Am allererfreulichsten ist es, daß man Won dem Parteitag den Eindruck
mitnehmen konnte, daß die Deutsche Volkspartei nicht lediglich eine Schutztruppe
der Schlotbarone und Kapitalisten sein will. Alles Manchestertum hat Stresemanu
mit klaren Worten abgelehnt. Man müsse die Jndividual- und Staalswirtschuft


Der Jenaer Parteitag der Deutschen Volkspartei

der Durchsetzung der demokratischen Reformen übernehmen müssen. Ein Sturm
der Entrüstung im nationalliberalen Bürgertum hätte Herrn Dr. Lohmann seine
kurzsichtige Politik im preußischen Abgeordnetenhaus unmöglich machen müssen.
Diesen Sturm der Entrüstung hat Herr Dr. Stresemann nicht entfacht Viel hat
der Nationalliberalismus versäumt in der politischen Erziehung des Bürgertums
und vor allem der gebildeten Jugend. Mit Recht konnte Stresemann unter dem
Beifall des Parteitags feststellen, daß vor der Revolution der Arbeiter in der
Sozialdemokratie wahrhaftig weit besser politisch geschult gewesen sei, als der
bürgerliche Akademiker. Man kann die Deutsche Volkspartei von Herzen dazu
beglückwünschen, wenn sie entschlossen ist, auf diesem Gebiete ganz andere Arbeit
zu leisten, als vordem die Nationalliberalcn. Die Kleinarbeit von Mund zu
Mund bringt die besten Erfolge. Es gilt also, jedes einzelne Parteimitglied fo
zu disziplinieren und mit Kenntnissen auszurüsten, daß es überall zum freiwilligen
Propagandisten der Parteisache wird. Diese Schulung ist die Hauptarbeit der
Ortegruppen.

So hätte der Parteitag der Volkspartei meines Ercichtens guten Grund ge¬
habt, etwas stärker von der alten nationalliberalcn Politik abzurücken, als er es getan
hat. Aber man darf eben nicht verkennen, daß die Partei heute noch fast aus¬
schließlich auf den Resten der nationalliberalcn Organisation ruht. Noch stehen
meistens altnalivnattiberale Politiker an der Spitze und haben natürlich das be¬
greifliche Bedürfnis, ihre Sache zu rechtfertigen. Dein Tieferblickenden wurde
auch auf diesem Parteitag klar, daß die Volkspartei doch jetzt schon weit breitere
.Kreise umfaßt als die Reste der alten Nationalliberalen. Mit dem Ausbau der
neuen Parteiorganisation werden sie immer stärker zur Geltung kommen. Auch
der großen Programmrede Stresemcmns muß man nachrühmen, daß sie nicht
lediglich rückwärts schaute, sondern auch neue Bahnen zu weisen verstand.

Was die Frage der Staatsform anlangt, so gibt die Deutsche Volkspartei
zweifellos der Monarchie vor der Republik den Vorzug. Professor Kahl sprach
das Wort von der „Partei der Kaisertreuen" und meinte damit, daß man ent¬
schlossen sei, sich zu den großen Überlieferungen des Kaiserlichen Deutschland zu
bekennen. Dr. Stresemann rechtfertigte die Monarchie aus historischen Gründen
und um der Sozialpolitik willen. Kein republikanischer Präsident wird die Mög¬
lichkeit haben, so unparteiisch über den Klassen und Wirischaftsverbänden zu stehen,
wie das ein Monarch kann, wenn er will. Dazu kommen nun alle die Gefühls¬
gründe, die dem deutschen Volke bisher die Monarchie teuer gemacht haben.
Trotzdem sprach sich Stresemann für die Republik aus. Die Wiedereinführung
der Monarchie würde nur durch neuen Umsturz möglich sein, meinte er, und dieser
müßte auf alle Fälle vermieden werden. Diese Begründung des Nepublikanertums
mutet freilich etwas schwächlich an. Eine starke Partei muß rücksichtslos sagen,
welche Staatsform sie für die richtige hält. Aus gewaltsamen Umsturz braucht sie
deswegen nicht hinzuarbeiten. Sie wird glauben, daß ihre Zeit reif werden wird.
Die Volkspartei sollte also dieses Argument für die Republik lieber zu Hause
lassen. Imponieren wird sie damit niemandem. Ganz anderes Gewicht hat das
zweite: Großdeutschland, die Vereinigung mit unsern österreichischen Brüdern ist,
wie die Geschichte gezeigt hat, nur unter republikanischer Staatsform möglich.
Jede Wiederherstellung der deutschen Monarchien müßte auch die Rivalität zwischen
Hohenzollern und Habsbrug wieder herstellen. Gerade die nationalistischen Kreise
in Osterreich wünschen die Wiederkehr der Monarchie nicht, weil sie die dynastische
Politik der Habsburger, die das deutsche Volk verraten hat, nicht wiedersahen
wollen. Auch von: reichsdeutschen Standpunkte darf man hinzufügen, daß es ein
Segeir ist, wenn die Republik endlich mit der Kleinstaaterei aufräumt, was unter
den Dynastien nie möglich gewesen wäre.

Am allererfreulichsten ist es, daß man Won dem Parteitag den Eindruck
mitnehmen konnte, daß die Deutsche Volkspartei nicht lediglich eine Schutztruppe
der Schlotbarone und Kapitalisten sein will. Alles Manchestertum hat Stresemanu
mit klaren Worten abgelehnt. Man müsse die Jndividual- und Staalswirtschuft


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[0172] Der Jenaer Parteitag der Deutschen Volkspartei der Durchsetzung der demokratischen Reformen übernehmen müssen. Ein Sturm der Entrüstung im nationalliberalen Bürgertum hätte Herrn Dr. Lohmann seine kurzsichtige Politik im preußischen Abgeordnetenhaus unmöglich machen müssen. Diesen Sturm der Entrüstung hat Herr Dr. Stresemann nicht entfacht Viel hat der Nationalliberalismus versäumt in der politischen Erziehung des Bürgertums und vor allem der gebildeten Jugend. Mit Recht konnte Stresemann unter dem Beifall des Parteitags feststellen, daß vor der Revolution der Arbeiter in der Sozialdemokratie wahrhaftig weit besser politisch geschult gewesen sei, als der bürgerliche Akademiker. Man kann die Deutsche Volkspartei von Herzen dazu beglückwünschen, wenn sie entschlossen ist, auf diesem Gebiete ganz andere Arbeit zu leisten, als vordem die Nationalliberalcn. Die Kleinarbeit von Mund zu Mund bringt die besten Erfolge. Es gilt also, jedes einzelne Parteimitglied fo zu disziplinieren und mit Kenntnissen auszurüsten, daß es überall zum freiwilligen Propagandisten der Parteisache wird. Diese Schulung ist die Hauptarbeit der Ortegruppen. So hätte der Parteitag der Volkspartei meines Ercichtens guten Grund ge¬ habt, etwas stärker von der alten nationalliberalcn Politik abzurücken, als er es getan hat. Aber man darf eben nicht verkennen, daß die Partei heute noch fast aus¬ schließlich auf den Resten der nationalliberalcn Organisation ruht. Noch stehen meistens altnalivnattiberale Politiker an der Spitze und haben natürlich das be¬ greifliche Bedürfnis, ihre Sache zu rechtfertigen. Dein Tieferblickenden wurde auch auf diesem Parteitag klar, daß die Volkspartei doch jetzt schon weit breitere .Kreise umfaßt als die Reste der alten Nationalliberalen. Mit dem Ausbau der neuen Parteiorganisation werden sie immer stärker zur Geltung kommen. Auch der großen Programmrede Stresemcmns muß man nachrühmen, daß sie nicht lediglich rückwärts schaute, sondern auch neue Bahnen zu weisen verstand. Was die Frage der Staatsform anlangt, so gibt die Deutsche Volkspartei zweifellos der Monarchie vor der Republik den Vorzug. Professor Kahl sprach das Wort von der „Partei der Kaisertreuen" und meinte damit, daß man ent¬ schlossen sei, sich zu den großen Überlieferungen des Kaiserlichen Deutschland zu bekennen. Dr. Stresemann rechtfertigte die Monarchie aus historischen Gründen und um der Sozialpolitik willen. Kein republikanischer Präsident wird die Mög¬ lichkeit haben, so unparteiisch über den Klassen und Wirischaftsverbänden zu stehen, wie das ein Monarch kann, wenn er will. Dazu kommen nun alle die Gefühls¬ gründe, die dem deutschen Volke bisher die Monarchie teuer gemacht haben. Trotzdem sprach sich Stresemann für die Republik aus. Die Wiedereinführung der Monarchie würde nur durch neuen Umsturz möglich sein, meinte er, und dieser müßte auf alle Fälle vermieden werden. Diese Begründung des Nepublikanertums mutet freilich etwas schwächlich an. Eine starke Partei muß rücksichtslos sagen, welche Staatsform sie für die richtige hält. Aus gewaltsamen Umsturz braucht sie deswegen nicht hinzuarbeiten. Sie wird glauben, daß ihre Zeit reif werden wird. Die Volkspartei sollte also dieses Argument für die Republik lieber zu Hause lassen. Imponieren wird sie damit niemandem. Ganz anderes Gewicht hat das zweite: Großdeutschland, die Vereinigung mit unsern österreichischen Brüdern ist, wie die Geschichte gezeigt hat, nur unter republikanischer Staatsform möglich. Jede Wiederherstellung der deutschen Monarchien müßte auch die Rivalität zwischen Hohenzollern und Habsbrug wieder herstellen. Gerade die nationalistischen Kreise in Osterreich wünschen die Wiederkehr der Monarchie nicht, weil sie die dynastische Politik der Habsburger, die das deutsche Volk verraten hat, nicht wiedersahen wollen. Auch von: reichsdeutschen Standpunkte darf man hinzufügen, daß es ein Segeir ist, wenn die Republik endlich mit der Kleinstaaterei aufräumt, was unter den Dynastien nie möglich gewesen wäre. Am allererfreulichsten ist es, daß man Won dem Parteitag den Eindruck mitnehmen konnte, daß die Deutsche Volkspartei nicht lediglich eine Schutztruppe der Schlotbarone und Kapitalisten sein will. Alles Manchestertum hat Stresemanu mit klaren Worten abgelehnt. Man müsse die Jndividual- und Staalswirtschuft

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/172>, abgerufen am 04.06.2024.