Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Wirtschaftspolitik der Sowjetregierung

Mangel -an Kultur und Bildung der großen Bevölkerungsmafse. (S. 23.) End¬
lich kommt hinzu ein Mangel an Disziplin der Werktätigen, der Mangel an
Verständnis für die Arbeit und dadurch hervorgerufen ein Mangel an Intensität
derselben. (S. 23.)

Daß die Vergesellschaftung der Produktion noch nicht durchgeführt ist, liegt
daran, daß das Bollwerk, gegen das die Bolschewisten mit erbarmungsloser Wut
und radikalsten Ungestüm mit Hilfe der roten Garden (S. 13) angelaufen find,
Wohl hier und da mehr oder weniger stark beschädigt, aber doch noch nicht
bezwungen ist: Der Kapitalismus. (S. 10, S. 37.) Diese Wirtschaftsform im
ersten Anlauf zu besiegen, hat sich ganz einfach als unmöglich erwiesen. Den
tieferen Gründen dafür hier nachzuspüren, liegt um so weniger Anlaß vor, als
Lenin selbst sich mit der Feststellung der Tatsache begnügt.

Alle diese Mängel haben, soweit ihnen seelisches zugrunde liegt, eine
gemeinsame Basis: Die Psychologie des Entfesselten. Ein nie gesehener wilder
Druck ist plötzlich .von den Massen gewichen. (S. 29.) Jeder atmet ans, richtet
sich empor und reißt die nächsten Güter des Lebens, die die Ausbeuter und Unter¬
drücker ihm versagt hatten, an sich. (S. 45.) Das Chaos des so entfesselten
Bürgerkrieges wird vermehrt dadurch, daß sich alle Elemente der Auflösung der
alten Gesellschaft: Verbrechertum, Bestechungsunwesen, -Spekulationen, ja jede
Art von Scheußlichkeit zeigen. (S. 37/38.)

Alle diese Mängel, deren Vorhandensein und deren Grundlagen damit
aufgedeckt find, müssen behoben werden, und im Heilen dieser Mängel bestehen
die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht. Mit welchen Mitteln dies geschieht, sei
nunmehr eingehend und in kritischer Stellungnahme beleuchtet.

Die erste Maßnahme, die vor allem anderen steht und deren Bedeutung
und Zweckmäßigkeit Lenin mit besonderer Schärfe hervorhebt, ist die sofortige
Einstellung der Offensive gegen das Kapital. Lenin sagt, man dürfe die Aufgabe
des gegebenen Momentes nicht durch die einfache Formel definieren: . Die
Offensive gegen das Kapital ist fortzusetzen. "Abgesehen davon, daß das Kapital
zweifellos von uns nicht niedergerungen ist, und daß es unbedingt notwendig
ist, die Offensive gegen diesen Feind der Arbeitenden fortzusetzen, wäre diese
Definition ungenau, nicht konkret und sie würde die Berücksichtigung der Eigen¬
art des gegebenen Momentes nicht enthalten, indem im Interesse des Erfolges
der weiteren Offensive die sofortige "Einstellung" der Offensive geboten
ist." (S. 11.)

Offenbar soll also die Einstellung der gewaltsamen Expropriation der
Expropriateure eine vorläufige Maßnahme sein, diktiert von der Notwendigkeit
des Augenblicks. Bezeichnend ist, daß Lenin die Rechtfertigung dieser besonderen
Maßregel den Gesetzen der Kriegskunst entlehnt. Wie ein siegreiches Heer
gezwungen ist, seinen Vormarsch nach einer bestimmten Zeit einzustellen, um
Kräfte zu sammeln, seine Vorräte an Kriegsmitteln zu erhöhen, neue Reserven
hevanznbringen, so müsse auch zum Zwecke des endgültigen Sieges die Offensive
Segen das Kapital in einem gegebenen Moment eingestellt werden. (S. 12.)

Dieser Vergleich ist nun aber vor allem schon deshalb falsch und irre¬
führend -- ganz abgesehen von seiner Anfechtbarkeit in strategischer Hinsicht --
,^eil im Krieg Gewalt gegen Gewalt steht, zur Kampf der "oder Garden gegen
das Kapital aber Gewalt gegen Geist. Das Kapital als solches ist ein totes Ding,
bem erst menschlicher Geist, menschliche Unternehmungslust, menschliche
Organisation Leben einhaucht. Richtet sich also der Kampf gegen das Kapital,
?o richtet er sich gleichzeitig gegen den menschlichen Geist. Diesen Fundamental¬
satz haben die Unentwegten unter den Sozmlisten kaum gesehen, ein Kommunist
Med ihn erst, wenn er sich den von ihm geschaffenen Tatsachen gegenübersieht,
^leim kann in dem einmal aufgenommenen Kampf gegen das Kapital nicht ein¬
fach eine Feuerpause eintreten lassen, um dann mit verdoppelter Wucht darüber
herzufallen, wenn man gleichzeitig eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität
fielen will, wie dies der ausgesprochene Zweck der Einstellung der Offensive


Wirtschaftspolitik der Sowjetregierung

Mangel -an Kultur und Bildung der großen Bevölkerungsmafse. (S. 23.) End¬
lich kommt hinzu ein Mangel an Disziplin der Werktätigen, der Mangel an
Verständnis für die Arbeit und dadurch hervorgerufen ein Mangel an Intensität
derselben. (S. 23.)

Daß die Vergesellschaftung der Produktion noch nicht durchgeführt ist, liegt
daran, daß das Bollwerk, gegen das die Bolschewisten mit erbarmungsloser Wut
und radikalsten Ungestüm mit Hilfe der roten Garden (S. 13) angelaufen find,
Wohl hier und da mehr oder weniger stark beschädigt, aber doch noch nicht
bezwungen ist: Der Kapitalismus. (S. 10, S. 37.) Diese Wirtschaftsform im
ersten Anlauf zu besiegen, hat sich ganz einfach als unmöglich erwiesen. Den
tieferen Gründen dafür hier nachzuspüren, liegt um so weniger Anlaß vor, als
Lenin selbst sich mit der Feststellung der Tatsache begnügt.

Alle diese Mängel haben, soweit ihnen seelisches zugrunde liegt, eine
gemeinsame Basis: Die Psychologie des Entfesselten. Ein nie gesehener wilder
Druck ist plötzlich .von den Massen gewichen. (S. 29.) Jeder atmet ans, richtet
sich empor und reißt die nächsten Güter des Lebens, die die Ausbeuter und Unter¬
drücker ihm versagt hatten, an sich. (S. 45.) Das Chaos des so entfesselten
Bürgerkrieges wird vermehrt dadurch, daß sich alle Elemente der Auflösung der
alten Gesellschaft: Verbrechertum, Bestechungsunwesen, -Spekulationen, ja jede
Art von Scheußlichkeit zeigen. (S. 37/38.)

Alle diese Mängel, deren Vorhandensein und deren Grundlagen damit
aufgedeckt find, müssen behoben werden, und im Heilen dieser Mängel bestehen
die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht. Mit welchen Mitteln dies geschieht, sei
nunmehr eingehend und in kritischer Stellungnahme beleuchtet.

Die erste Maßnahme, die vor allem anderen steht und deren Bedeutung
und Zweckmäßigkeit Lenin mit besonderer Schärfe hervorhebt, ist die sofortige
Einstellung der Offensive gegen das Kapital. Lenin sagt, man dürfe die Aufgabe
des gegebenen Momentes nicht durch die einfache Formel definieren: . Die
Offensive gegen das Kapital ist fortzusetzen. „Abgesehen davon, daß das Kapital
zweifellos von uns nicht niedergerungen ist, und daß es unbedingt notwendig
ist, die Offensive gegen diesen Feind der Arbeitenden fortzusetzen, wäre diese
Definition ungenau, nicht konkret und sie würde die Berücksichtigung der Eigen¬
art des gegebenen Momentes nicht enthalten, indem im Interesse des Erfolges
der weiteren Offensive die sofortige „Einstellung" der Offensive geboten
ist." (S. 11.)

Offenbar soll also die Einstellung der gewaltsamen Expropriation der
Expropriateure eine vorläufige Maßnahme sein, diktiert von der Notwendigkeit
des Augenblicks. Bezeichnend ist, daß Lenin die Rechtfertigung dieser besonderen
Maßregel den Gesetzen der Kriegskunst entlehnt. Wie ein siegreiches Heer
gezwungen ist, seinen Vormarsch nach einer bestimmten Zeit einzustellen, um
Kräfte zu sammeln, seine Vorräte an Kriegsmitteln zu erhöhen, neue Reserven
hevanznbringen, so müsse auch zum Zwecke des endgültigen Sieges die Offensive
Segen das Kapital in einem gegebenen Moment eingestellt werden. (S. 12.)

Dieser Vergleich ist nun aber vor allem schon deshalb falsch und irre¬
führend — ganz abgesehen von seiner Anfechtbarkeit in strategischer Hinsicht —
,^eil im Krieg Gewalt gegen Gewalt steht, zur Kampf der «oder Garden gegen
das Kapital aber Gewalt gegen Geist. Das Kapital als solches ist ein totes Ding,
bem erst menschlicher Geist, menschliche Unternehmungslust, menschliche
Organisation Leben einhaucht. Richtet sich also der Kampf gegen das Kapital,
?o richtet er sich gleichzeitig gegen den menschlichen Geist. Diesen Fundamental¬
satz haben die Unentwegten unter den Sozmlisten kaum gesehen, ein Kommunist
Med ihn erst, wenn er sich den von ihm geschaffenen Tatsachen gegenübersieht,
^leim kann in dem einmal aufgenommenen Kampf gegen das Kapital nicht ein¬
fach eine Feuerpause eintreten lassen, um dann mit verdoppelter Wucht darüber
herzufallen, wenn man gleichzeitig eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität
fielen will, wie dies der ausgesprochene Zweck der Einstellung der Offensive


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0071" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335479"/>
          <fw type="header" place="top"> Wirtschaftspolitik der Sowjetregierung</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_278" prev="#ID_277"> Mangel -an Kultur und Bildung der großen Bevölkerungsmafse. (S. 23.) End¬<lb/>
lich kommt hinzu ein Mangel an Disziplin der Werktätigen, der Mangel an<lb/>
Verständnis für die Arbeit und dadurch hervorgerufen ein Mangel an Intensität<lb/>
derselben. (S. 23.)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_279"> Daß die Vergesellschaftung der Produktion noch nicht durchgeführt ist, liegt<lb/>
daran, daß das Bollwerk, gegen das die Bolschewisten mit erbarmungsloser Wut<lb/>
und radikalsten Ungestüm mit Hilfe der roten Garden (S. 13) angelaufen find,<lb/>
Wohl hier und da mehr oder weniger stark beschädigt, aber doch noch nicht<lb/>
bezwungen ist: Der Kapitalismus. (S. 10, S. 37.) Diese Wirtschaftsform im<lb/>
ersten Anlauf zu besiegen, hat sich ganz einfach als unmöglich erwiesen. Den<lb/>
tieferen Gründen dafür hier nachzuspüren, liegt um so weniger Anlaß vor, als<lb/>
Lenin selbst sich mit der Feststellung der Tatsache begnügt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_280"> Alle diese Mängel haben, soweit ihnen seelisches zugrunde liegt, eine<lb/>
gemeinsame Basis: Die Psychologie des Entfesselten. Ein nie gesehener wilder<lb/>
Druck ist plötzlich .von den Massen gewichen. (S. 29.) Jeder atmet ans, richtet<lb/>
sich empor und reißt die nächsten Güter des Lebens, die die Ausbeuter und Unter¬<lb/>
drücker ihm versagt hatten, an sich. (S. 45.) Das Chaos des so entfesselten<lb/>
Bürgerkrieges wird vermehrt dadurch, daß sich alle Elemente der Auflösung der<lb/>
alten Gesellschaft: Verbrechertum, Bestechungsunwesen, -Spekulationen, ja jede<lb/>
Art von Scheußlichkeit zeigen. (S. 37/38.)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_281"> Alle diese Mängel, deren Vorhandensein und deren Grundlagen damit<lb/>
aufgedeckt find, müssen behoben werden, und im Heilen dieser Mängel bestehen<lb/>
die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht. Mit welchen Mitteln dies geschieht, sei<lb/>
nunmehr eingehend und in kritischer Stellungnahme beleuchtet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_282"> Die erste Maßnahme, die vor allem anderen steht und deren Bedeutung<lb/>
und Zweckmäßigkeit Lenin mit besonderer Schärfe hervorhebt, ist die sofortige<lb/>
Einstellung der Offensive gegen das Kapital. Lenin sagt, man dürfe die Aufgabe<lb/>
des gegebenen Momentes nicht durch die einfache Formel definieren: . Die<lb/>
Offensive gegen das Kapital ist fortzusetzen. &#x201E;Abgesehen davon, daß das Kapital<lb/>
zweifellos von uns nicht niedergerungen ist, und daß es unbedingt notwendig<lb/>
ist, die Offensive gegen diesen Feind der Arbeitenden fortzusetzen, wäre diese<lb/>
Definition ungenau, nicht konkret und sie würde die Berücksichtigung der Eigen¬<lb/>
art des gegebenen Momentes nicht enthalten, indem im Interesse des Erfolges<lb/>
der weiteren Offensive die sofortige &#x201E;Einstellung" der Offensive geboten<lb/>
ist." (S. 11.)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_283"> Offenbar soll also die Einstellung der gewaltsamen Expropriation der<lb/>
Expropriateure eine vorläufige Maßnahme sein, diktiert von der Notwendigkeit<lb/>
des Augenblicks. Bezeichnend ist, daß Lenin die Rechtfertigung dieser besonderen<lb/>
Maßregel den Gesetzen der Kriegskunst entlehnt. Wie ein siegreiches Heer<lb/>
gezwungen ist, seinen Vormarsch nach einer bestimmten Zeit einzustellen, um<lb/>
Kräfte zu sammeln, seine Vorräte an Kriegsmitteln zu erhöhen, neue Reserven<lb/>
hevanznbringen, so müsse auch zum Zwecke des endgültigen Sieges die Offensive<lb/>
Segen das Kapital in einem gegebenen Moment eingestellt werden. (S. 12.)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_284" next="#ID_285"> Dieser Vergleich ist nun aber vor allem schon deshalb falsch und irre¬<lb/>
führend &#x2014; ganz abgesehen von seiner Anfechtbarkeit in strategischer Hinsicht &#x2014;<lb/>
,^eil im Krieg Gewalt gegen Gewalt steht, zur Kampf der «oder Garden gegen<lb/>
das Kapital aber Gewalt gegen Geist. Das Kapital als solches ist ein totes Ding,<lb/>
bem erst menschlicher Geist, menschliche Unternehmungslust, menschliche<lb/>
Organisation Leben einhaucht. Richtet sich also der Kampf gegen das Kapital,<lb/>
?o richtet er sich gleichzeitig gegen den menschlichen Geist. Diesen Fundamental¬<lb/>
satz haben die Unentwegten unter den Sozmlisten kaum gesehen, ein Kommunist<lb/>
Med ihn erst, wenn er sich den von ihm geschaffenen Tatsachen gegenübersieht,<lb/>
^leim kann in dem einmal aufgenommenen Kampf gegen das Kapital nicht ein¬<lb/>
fach eine Feuerpause eintreten lassen, um dann mit verdoppelter Wucht darüber<lb/>
herzufallen, wenn man gleichzeitig eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität<lb/>
fielen will, wie dies der ausgesprochene Zweck der Einstellung der Offensive</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0071] Wirtschaftspolitik der Sowjetregierung Mangel -an Kultur und Bildung der großen Bevölkerungsmafse. (S. 23.) End¬ lich kommt hinzu ein Mangel an Disziplin der Werktätigen, der Mangel an Verständnis für die Arbeit und dadurch hervorgerufen ein Mangel an Intensität derselben. (S. 23.) Daß die Vergesellschaftung der Produktion noch nicht durchgeführt ist, liegt daran, daß das Bollwerk, gegen das die Bolschewisten mit erbarmungsloser Wut und radikalsten Ungestüm mit Hilfe der roten Garden (S. 13) angelaufen find, Wohl hier und da mehr oder weniger stark beschädigt, aber doch noch nicht bezwungen ist: Der Kapitalismus. (S. 10, S. 37.) Diese Wirtschaftsform im ersten Anlauf zu besiegen, hat sich ganz einfach als unmöglich erwiesen. Den tieferen Gründen dafür hier nachzuspüren, liegt um so weniger Anlaß vor, als Lenin selbst sich mit der Feststellung der Tatsache begnügt. Alle diese Mängel haben, soweit ihnen seelisches zugrunde liegt, eine gemeinsame Basis: Die Psychologie des Entfesselten. Ein nie gesehener wilder Druck ist plötzlich .von den Massen gewichen. (S. 29.) Jeder atmet ans, richtet sich empor und reißt die nächsten Güter des Lebens, die die Ausbeuter und Unter¬ drücker ihm versagt hatten, an sich. (S. 45.) Das Chaos des so entfesselten Bürgerkrieges wird vermehrt dadurch, daß sich alle Elemente der Auflösung der alten Gesellschaft: Verbrechertum, Bestechungsunwesen, -Spekulationen, ja jede Art von Scheußlichkeit zeigen. (S. 37/38.) Alle diese Mängel, deren Vorhandensein und deren Grundlagen damit aufgedeckt find, müssen behoben werden, und im Heilen dieser Mängel bestehen die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht. Mit welchen Mitteln dies geschieht, sei nunmehr eingehend und in kritischer Stellungnahme beleuchtet. Die erste Maßnahme, die vor allem anderen steht und deren Bedeutung und Zweckmäßigkeit Lenin mit besonderer Schärfe hervorhebt, ist die sofortige Einstellung der Offensive gegen das Kapital. Lenin sagt, man dürfe die Aufgabe des gegebenen Momentes nicht durch die einfache Formel definieren: . Die Offensive gegen das Kapital ist fortzusetzen. „Abgesehen davon, daß das Kapital zweifellos von uns nicht niedergerungen ist, und daß es unbedingt notwendig ist, die Offensive gegen diesen Feind der Arbeitenden fortzusetzen, wäre diese Definition ungenau, nicht konkret und sie würde die Berücksichtigung der Eigen¬ art des gegebenen Momentes nicht enthalten, indem im Interesse des Erfolges der weiteren Offensive die sofortige „Einstellung" der Offensive geboten ist." (S. 11.) Offenbar soll also die Einstellung der gewaltsamen Expropriation der Expropriateure eine vorläufige Maßnahme sein, diktiert von der Notwendigkeit des Augenblicks. Bezeichnend ist, daß Lenin die Rechtfertigung dieser besonderen Maßregel den Gesetzen der Kriegskunst entlehnt. Wie ein siegreiches Heer gezwungen ist, seinen Vormarsch nach einer bestimmten Zeit einzustellen, um Kräfte zu sammeln, seine Vorräte an Kriegsmitteln zu erhöhen, neue Reserven hevanznbringen, so müsse auch zum Zwecke des endgültigen Sieges die Offensive Segen das Kapital in einem gegebenen Moment eingestellt werden. (S. 12.) Dieser Vergleich ist nun aber vor allem schon deshalb falsch und irre¬ führend — ganz abgesehen von seiner Anfechtbarkeit in strategischer Hinsicht — ,^eil im Krieg Gewalt gegen Gewalt steht, zur Kampf der «oder Garden gegen das Kapital aber Gewalt gegen Geist. Das Kapital als solches ist ein totes Ding, bem erst menschlicher Geist, menschliche Unternehmungslust, menschliche Organisation Leben einhaucht. Richtet sich also der Kampf gegen das Kapital, ?o richtet er sich gleichzeitig gegen den menschlichen Geist. Diesen Fundamental¬ satz haben die Unentwegten unter den Sozmlisten kaum gesehen, ein Kommunist Med ihn erst, wenn er sich den von ihm geschaffenen Tatsachen gegenübersieht, ^leim kann in dem einmal aufgenommenen Kampf gegen das Kapital nicht ein¬ fach eine Feuerpause eintreten lassen, um dann mit verdoppelter Wucht darüber herzufallen, wenn man gleichzeitig eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität fielen will, wie dies der ausgesprochene Zweck der Einstellung der Offensive

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/71
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/71>, abgerufen am 05.06.2024.