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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Kulturwirtschaft über Wirtschaftspolitik

Zeit. Die im Jahre gefahrenen Personenkilometer, die Zu- oder Abnahme der
Sparkasseneinlagen, der Streiks, der Ausfuhr sollen den Gradmesser ab¬
geben für die Stimmung im Lande? Wie äußerlich, wie armselig fühlt man
doch heute!

Was hat die Wirtschaftspolitik mit unserem Lande gemacht? Wo blieben
die grünen Wiesen, Felder. Wälder, die unsere Vorfahren erfreuten, die Dichter
begeisterten, die das Volkslied preist, die wie ein ewiger Jungbrunnen die Volks¬
seele stählte, das Dasein ganzer Geschlechter zu einem einzigen Jubel und Dank
um Gott erhob? Verdrängt, verstümmelt, verschachert, verbaut hat der rücksichtslos
über ästhetische und sittliche Anlagen schreitende Geist des Nnrverdienens das
heilige Land unserer Väter, das Vaterland, das uns allen gehört. Nun klagen
dieselben Menschen, die unbewukt an diesem "Fortschritt" mitwirkten, daß die
große Menge kein Vaterland^gefühl mehr besitz" l Daß alle die feinen Empfindungen,
die nur der innige Zusammenhang mit der Natur der Masse verleiht, entwurzelt
verdorrtenI Millionen Deutscher verbringen ihr Leben in Großstädten, entbehren
also den Umgang mit unserer aller Mutter NaturI Jetzt rächen sich die F hier
unserer überspannten Jndustriepolitik. Wohin schwang die Nuhe, die Behaglich¬
keit der guten allen Zeit, während der Arbeit, im Genuß? Äußerste An¬
spannung. Hast. Profit, Wettbewerb sind das Brandmal unserer Tage. Und was
hat die Technik aus der Arbeit gemacht, aus der Freude am Schaffen, aus dein
Segen, der der Mühe Preis sein sollte? Wie eine giftige Säure hat sie das
Ganze in seine Bestandteile ausgelöst, in lcruler Einzelverrrchtungen, deren jede
möglichst einer Maschine übertragen wurde. Diesen Vorteil preist man als "rcmo-
Nulrsieren" und "mechanisieren". Aber allzuviel rationalisieren ist gleichbedeutend
mit demoralisieren! Der die Maschine bedienende Arbeiter, der im Großbetrieb
seelisch verdurstende Ang, stellte übeisielit nicht mehr den Zweck seines Weikes.
Das persönliche Band zwischen beiden ist zerschnitten, der Mensch zum Anhängsel
eines selbsttätigen Mechanismus herabgedrückt, der ihn am liebsten tagaus tagein
34 Stunden ein sich fesseln möchte. Wer mag jetzt noch mit gutem Gewissen von
der "Beherrschung" d r Naturkrcifte sprechen, wo in Wahrhe t der Mensch die
Maschine bedient? Würde der Betrieb wenigstens auf eigene Rechnung geführt!
Doch im fremden Dienst schwitzen die Millionen, einem Unbekannten gehört das
Erzeugnis, einer Gesellschaft, einer juristischen Person! Das versteht der einfache
Mann nicht mehr. Er fühlt sich verlassen, betrogen von einem Schicksal, das
ihn in diese seelische Ode führte, und was ist leichter zu begreifen, als daß er in
seiner Otrnmacht alles verneint, was ihn in dieser Lage vermeintlich erhält,
KapitaliLinus, Wissenschaft. Staat, Religion I

Wir wollen hier keinen Sozialismus begründen, sondern nur dem Un¬
behagen Ausdruck geben, das jeder warm fühlende Mensch über die lieblose Leere
des Z italters der Technik, des Massenbetriebes, überspannter Wirtschaftsinteressen
empfindet. Zu welchen greulichen Zuständen der schrankenlose Erwerbstrieb
Ncmz Deutschland noch zu "reiben droht, zeigen am besten gewisse Blüten unserer
Grußstadtentivicklung. Natürlich werden sie nur dein für reine Empfindungen
noch empfänglichen Beobachter gewahr, während der Schieber in der Großstadt
bor allen Dingen herrliche Gelegenheit erblickt zum Geldverdienen. Die R^ichs-
hauptstadt stolziert in dieser Beziehung wohl an der Spitze der Unkultur! Sie
fundi man heute eigentlich nur noch zu geschäftlichen, beruflichen oder zu Zwecken
seichtester Vergnügungssucht auf. Wohnen möchte am liebsten niemand mehr in
diesem Hexenkessel von Schmutz, Lärm. Staub und Qualm, der die elementarsten
Lebensbedürfnisse. Licht. Luft. Ruhe. Sonnenschein. Grün nicht mehr zu spenden
imstande ist. Dem äußeren Bild entsprechen innere Eigentümlichkeiten. Elend.
Mißmut, Roheit. Jronre. Verdrehtheit. Lüge. Putz, Oberflächlichkeit, Sensation!
Von je 1000 Menschen wohnten schon v o r dein Kriege 500 in einer Wohnung
mit nur einem heizbaren Raum, wie mag es jetzt damit stehen? Was wissen
diese Ärmsten noch vorn höheren Wert des Lebens, von Schönheit und Wurde.


Kulturwirtschaft über Wirtschaftspolitik

Zeit. Die im Jahre gefahrenen Personenkilometer, die Zu- oder Abnahme der
Sparkasseneinlagen, der Streiks, der Ausfuhr sollen den Gradmesser ab¬
geben für die Stimmung im Lande? Wie äußerlich, wie armselig fühlt man
doch heute!

Was hat die Wirtschaftspolitik mit unserem Lande gemacht? Wo blieben
die grünen Wiesen, Felder. Wälder, die unsere Vorfahren erfreuten, die Dichter
begeisterten, die das Volkslied preist, die wie ein ewiger Jungbrunnen die Volks¬
seele stählte, das Dasein ganzer Geschlechter zu einem einzigen Jubel und Dank
um Gott erhob? Verdrängt, verstümmelt, verschachert, verbaut hat der rücksichtslos
über ästhetische und sittliche Anlagen schreitende Geist des Nnrverdienens das
heilige Land unserer Väter, das Vaterland, das uns allen gehört. Nun klagen
dieselben Menschen, die unbewukt an diesem „Fortschritt" mitwirkten, daß die
große Menge kein Vaterland^gefühl mehr besitz« l Daß alle die feinen Empfindungen,
die nur der innige Zusammenhang mit der Natur der Masse verleiht, entwurzelt
verdorrtenI Millionen Deutscher verbringen ihr Leben in Großstädten, entbehren
also den Umgang mit unserer aller Mutter NaturI Jetzt rächen sich die F hier
unserer überspannten Jndustriepolitik. Wohin schwang die Nuhe, die Behaglich¬
keit der guten allen Zeit, während der Arbeit, im Genuß? Äußerste An¬
spannung. Hast. Profit, Wettbewerb sind das Brandmal unserer Tage. Und was
hat die Technik aus der Arbeit gemacht, aus der Freude am Schaffen, aus dein
Segen, der der Mühe Preis sein sollte? Wie eine giftige Säure hat sie das
Ganze in seine Bestandteile ausgelöst, in lcruler Einzelverrrchtungen, deren jede
möglichst einer Maschine übertragen wurde. Diesen Vorteil preist man als „rcmo-
Nulrsieren" und „mechanisieren". Aber allzuviel rationalisieren ist gleichbedeutend
mit demoralisieren! Der die Maschine bedienende Arbeiter, der im Großbetrieb
seelisch verdurstende Ang, stellte übeisielit nicht mehr den Zweck seines Weikes.
Das persönliche Band zwischen beiden ist zerschnitten, der Mensch zum Anhängsel
eines selbsttätigen Mechanismus herabgedrückt, der ihn am liebsten tagaus tagein
34 Stunden ein sich fesseln möchte. Wer mag jetzt noch mit gutem Gewissen von
der „Beherrschung" d r Naturkrcifte sprechen, wo in Wahrhe t der Mensch die
Maschine bedient? Würde der Betrieb wenigstens auf eigene Rechnung geführt!
Doch im fremden Dienst schwitzen die Millionen, einem Unbekannten gehört das
Erzeugnis, einer Gesellschaft, einer juristischen Person! Das versteht der einfache
Mann nicht mehr. Er fühlt sich verlassen, betrogen von einem Schicksal, das
ihn in diese seelische Ode führte, und was ist leichter zu begreifen, als daß er in
seiner Otrnmacht alles verneint, was ihn in dieser Lage vermeintlich erhält,
KapitaliLinus, Wissenschaft. Staat, Religion I

Wir wollen hier keinen Sozialismus begründen, sondern nur dem Un¬
behagen Ausdruck geben, das jeder warm fühlende Mensch über die lieblose Leere
des Z italters der Technik, des Massenbetriebes, überspannter Wirtschaftsinteressen
empfindet. Zu welchen greulichen Zuständen der schrankenlose Erwerbstrieb
Ncmz Deutschland noch zu »reiben droht, zeigen am besten gewisse Blüten unserer
Grußstadtentivicklung. Natürlich werden sie nur dein für reine Empfindungen
noch empfänglichen Beobachter gewahr, während der Schieber in der Großstadt
bor allen Dingen herrliche Gelegenheit erblickt zum Geldverdienen. Die R^ichs-
hauptstadt stolziert in dieser Beziehung wohl an der Spitze der Unkultur! Sie
fundi man heute eigentlich nur noch zu geschäftlichen, beruflichen oder zu Zwecken
seichtester Vergnügungssucht auf. Wohnen möchte am liebsten niemand mehr in
diesem Hexenkessel von Schmutz, Lärm. Staub und Qualm, der die elementarsten
Lebensbedürfnisse. Licht. Luft. Ruhe. Sonnenschein. Grün nicht mehr zu spenden
imstande ist. Dem äußeren Bild entsprechen innere Eigentümlichkeiten. Elend.
Mißmut, Roheit. Jronre. Verdrehtheit. Lüge. Putz, Oberflächlichkeit, Sensation!
Von je 1000 Menschen wohnten schon v o r dein Kriege 500 in einer Wohnung
mit nur einem heizbaren Raum, wie mag es jetzt damit stehen? Was wissen
diese Ärmsten noch vorn höheren Wert des Lebens, von Schönheit und Wurde.


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[0417] Kulturwirtschaft über Wirtschaftspolitik Zeit. Die im Jahre gefahrenen Personenkilometer, die Zu- oder Abnahme der Sparkasseneinlagen, der Streiks, der Ausfuhr sollen den Gradmesser ab¬ geben für die Stimmung im Lande? Wie äußerlich, wie armselig fühlt man doch heute! Was hat die Wirtschaftspolitik mit unserem Lande gemacht? Wo blieben die grünen Wiesen, Felder. Wälder, die unsere Vorfahren erfreuten, die Dichter begeisterten, die das Volkslied preist, die wie ein ewiger Jungbrunnen die Volks¬ seele stählte, das Dasein ganzer Geschlechter zu einem einzigen Jubel und Dank um Gott erhob? Verdrängt, verstümmelt, verschachert, verbaut hat der rücksichtslos über ästhetische und sittliche Anlagen schreitende Geist des Nnrverdienens das heilige Land unserer Väter, das Vaterland, das uns allen gehört. Nun klagen dieselben Menschen, die unbewukt an diesem „Fortschritt" mitwirkten, daß die große Menge kein Vaterland^gefühl mehr besitz« l Daß alle die feinen Empfindungen, die nur der innige Zusammenhang mit der Natur der Masse verleiht, entwurzelt verdorrtenI Millionen Deutscher verbringen ihr Leben in Großstädten, entbehren also den Umgang mit unserer aller Mutter NaturI Jetzt rächen sich die F hier unserer überspannten Jndustriepolitik. Wohin schwang die Nuhe, die Behaglich¬ keit der guten allen Zeit, während der Arbeit, im Genuß? Äußerste An¬ spannung. Hast. Profit, Wettbewerb sind das Brandmal unserer Tage. Und was hat die Technik aus der Arbeit gemacht, aus der Freude am Schaffen, aus dein Segen, der der Mühe Preis sein sollte? Wie eine giftige Säure hat sie das Ganze in seine Bestandteile ausgelöst, in lcruler Einzelverrrchtungen, deren jede möglichst einer Maschine übertragen wurde. Diesen Vorteil preist man als „rcmo- Nulrsieren" und „mechanisieren". Aber allzuviel rationalisieren ist gleichbedeutend mit demoralisieren! Der die Maschine bedienende Arbeiter, der im Großbetrieb seelisch verdurstende Ang, stellte übeisielit nicht mehr den Zweck seines Weikes. Das persönliche Band zwischen beiden ist zerschnitten, der Mensch zum Anhängsel eines selbsttätigen Mechanismus herabgedrückt, der ihn am liebsten tagaus tagein 34 Stunden ein sich fesseln möchte. Wer mag jetzt noch mit gutem Gewissen von der „Beherrschung" d r Naturkrcifte sprechen, wo in Wahrhe t der Mensch die Maschine bedient? Würde der Betrieb wenigstens auf eigene Rechnung geführt! Doch im fremden Dienst schwitzen die Millionen, einem Unbekannten gehört das Erzeugnis, einer Gesellschaft, einer juristischen Person! Das versteht der einfache Mann nicht mehr. Er fühlt sich verlassen, betrogen von einem Schicksal, das ihn in diese seelische Ode führte, und was ist leichter zu begreifen, als daß er in seiner Otrnmacht alles verneint, was ihn in dieser Lage vermeintlich erhält, KapitaliLinus, Wissenschaft. Staat, Religion I Wir wollen hier keinen Sozialismus begründen, sondern nur dem Un¬ behagen Ausdruck geben, das jeder warm fühlende Mensch über die lieblose Leere des Z italters der Technik, des Massenbetriebes, überspannter Wirtschaftsinteressen empfindet. Zu welchen greulichen Zuständen der schrankenlose Erwerbstrieb Ncmz Deutschland noch zu »reiben droht, zeigen am besten gewisse Blüten unserer Grußstadtentivicklung. Natürlich werden sie nur dein für reine Empfindungen noch empfänglichen Beobachter gewahr, während der Schieber in der Großstadt bor allen Dingen herrliche Gelegenheit erblickt zum Geldverdienen. Die R^ichs- hauptstadt stolziert in dieser Beziehung wohl an der Spitze der Unkultur! Sie fundi man heute eigentlich nur noch zu geschäftlichen, beruflichen oder zu Zwecken seichtester Vergnügungssucht auf. Wohnen möchte am liebsten niemand mehr in diesem Hexenkessel von Schmutz, Lärm. Staub und Qualm, der die elementarsten Lebensbedürfnisse. Licht. Luft. Ruhe. Sonnenschein. Grün nicht mehr zu spenden imstande ist. Dem äußeren Bild entsprechen innere Eigentümlichkeiten. Elend. Mißmut, Roheit. Jronre. Verdrehtheit. Lüge. Putz, Oberflächlichkeit, Sensation! Von je 1000 Menschen wohnten schon v o r dein Kriege 500 in einer Wohnung mit nur einem heizbaren Raum, wie mag es jetzt damit stehen? Was wissen diese Ärmsten noch vorn höheren Wert des Lebens, von Schönheit und Wurde.

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/417>, abgerufen am 29.05.2024.