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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. mittelhochdeutsche consonanten. gutturales.
6) gründe wider die aussprache der asp. im anlaut oben
s. 423. Für sie ist allerdings die häufige schreibung in
den hss., und die fortdauer des harten kehllauts in
der schweizermundart (der wenigstens manche mittelh.
gedichte nahe lagen) anzurechnen. Der gemeinmit-
telh. dialect war weder der strengalth. noch der des
O. und T., sondern lag zwischen beiden. Dem neuh.
liegt er zwar zu grunde, doch nähert sich dessen
mischung etwas mehr der niederd. und O. und T.
Ich habe daran gedacht, ob bei dem schwanken in
org. ganz gleichen fällen etwa die gewohnheit unter-
schiede zwischen k und ch. für einzelne wörter *)
gebildet hätte und mir einen durchschnitt beider an-
laute nach mehrern alten hss. entworfen, doch ohne
befriedigenden erfolg. Zwar ist es z. b. einleuchtend,
daß in Maria unter vielen ch. die wörter kint, ku-
nic, knappe, karl, kamer etc. mehrentheils k. haben
und im münchn. fr. Wilh. 2. wiederum kint, kune-
ginne die einzigen k. in deutschen wörtern sind.
Ferner wird in roman. lieber k als ch. geschrieben
und in jenem seltnen umlaut der med. in ten. (s. 382.
und 424. enkültet, hochkezeit, enkarte) hat sich das
gefühl für k. erhalten. Allein im a. Tit. steht bei
überwiegendem ch. zuweilen kraft, bekande, erkande,
kunst, kriegen, küngein etc. meistens chüngein und
immer chint, nie kint; im s. gall. Parc., dessen k.
und ch. sich schon mehr das gleichgewicht halten,
schwanken beide namentlich in jenen kint, künic,
knappe etc. und selbst in roman. wörtern. Bis jetzt
habe ich noch keine gute mittelh. hs. gesehen, die in
den anlauten entw. bloß k oder bloß ch befolgte, (selbst
der giess. Iw. schwankt) noch weniger eine, die für
gewisse wörter bestimmt zwischen beiden wechselte.
Daß einzelne mundarten die wirkliche asp. oder doch
einen härteren laut, als die reine ten. aussprachen
folgt auch aus der wiewohl seltnenen schreibung ck,
vgl. ckost, ckumber (Parc. 163b 129a) ckasten, ckatze
*) Stalder dial. p. 63. bemerkt einzelne meistens gebliebene k.
statt ch. in der schweizervolkssprache, worunter beson-
ders kennen und erchennen auffällt. Der dem anlaut fol-
gende voc. ist weder hier noch im mittelh. von einfluß,
wenn man etwa die sächs. und fries. regel (oben 256.) an-
wenden und ch vor e, i etc, k vor a, o, u etc. anneh-
men möchte.
I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
6) gründe wider die ausſprache der aſp. im anlaut oben
ſ. 423. Für ſie iſt allerdings die häufige ſchreibung in
den hſſ., und die fortdauer des harten kehllauts in
der ſchweizermundart (der wenigſtens manche mittelh.
gedichte nahe lagen) anzurechnen. Der gemeinmit-
telh. dialect war weder der ſtrengalth. noch der des
O. und T., ſondern lag zwiſchen beiden. Dem neuh.
liegt er zwar zu grunde, doch nähert ſich deſſen
miſchung etwas mehr der niederd. und O. und T.
Ich habe daran gedacht, ob bei dem ſchwanken in
org. ganz gleichen fällen etwa die gewohnheit unter-
ſchiede zwiſchen k und ch. für einzelne wörter *)
gebildet hätte und mir einen durchſchnitt beider an-
laute nach mehrern alten hſſ. entworfen, doch ohne
befriedigenden erfolg. Zwar iſt es z. b. einleuchtend,
daß in Maria unter vielen ch. die wörter kint, ku-
nic, knappe, karl, kamer etc. mehrentheils k. haben
und im münchn. fr. Wilh. 2. wiederum kint, kune-
ginne die einzigen k. in deutſchen wörtern ſind.
Ferner wird in roman. lieber k als ch. geſchrieben
und in jenem ſeltnen umlaut der med. in ten. (ſ. 382.
und 424. enkültet, hôchkezît, enkarte) hat ſich das
gefühl für k. erhalten. Allein im a. Tit. ſteht bei
überwiegendem ch. zuweilen kraft, bekande, erkande,
kunſt, kriegen, küngîn etc. meiſtens chüngîn und
immer chint, nie kint; im ſ. gall. Parc., deſſen k.
und ch. ſich ſchon mehr das gleichgewicht halten,
ſchwanken beide namentlich in jenen kint, künic,
knappe etc. und ſelbſt in roman. wörtern. Bís jetzt
habe ich noch keine gute mittelh. hſ. geſehen, die in
den anlauten entw. bloß k oder bloß ch befolgte, (ſelbſt
der gieſſ. Iw. ſchwankt) noch weniger eine, die für
gewiſſe wörter beſtimmt zwiſchen beiden wechſelte.
Daß einzelne mundarten die wirkliche aſp. oder doch
einen härteren laut, als die reine ten. ausſprachen
folgt auch aus der wiewohl ſeltnenen ſchreibung ck,
vgl. ckoſt, ckumber (Parc. 163b 129a) ckaſten, ckatze
*) Stalder dial. p. 63. bemerkt einzelne meiſtens gebliebene k.
ſtatt ch. in der ſchweizervolksſprache, worunter beſon-
ders kennen und erchennen auffällt. Der dem anlaut fol-
gende voc. iſt weder hier noch im mittelh. von einfluß,
wenn man etwa die ſächſ. und frieſ. regel (oben 256.) an-
wenden und ch vor e, i etc, k vor a, o, u etc. anneh-
men möchte.
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[430/0456] I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales. 6) gründe wider die ausſprache der aſp. im anlaut oben ſ. 423. Für ſie iſt allerdings die häufige ſchreibung in den hſſ., und die fortdauer des harten kehllauts in der ſchweizermundart (der wenigſtens manche mittelh. gedichte nahe lagen) anzurechnen. Der gemeinmit- telh. dialect war weder der ſtrengalth. noch der des O. und T., ſondern lag zwiſchen beiden. Dem neuh. liegt er zwar zu grunde, doch nähert ſich deſſen miſchung etwas mehr der niederd. und O. und T. Ich habe daran gedacht, ob bei dem ſchwanken in org. ganz gleichen fällen etwa die gewohnheit unter- ſchiede zwiſchen k und ch. für einzelne wörter *) gebildet hätte und mir einen durchſchnitt beider an- laute nach mehrern alten hſſ. entworfen, doch ohne befriedigenden erfolg. Zwar iſt es z. b. einleuchtend, daß in Maria unter vielen ch. die wörter kint, ku- nic, knappe, karl, kamer etc. mehrentheils k. haben und im münchn. fr. Wilh. 2. wiederum kint, kune- ginne die einzigen k. in deutſchen wörtern ſind. Ferner wird in roman. lieber k als ch. geſchrieben und in jenem ſeltnen umlaut der med. in ten. (ſ. 382. und 424. enkültet, hôchkezît, enkarte) hat ſich das gefühl für k. erhalten. Allein im a. Tit. ſteht bei überwiegendem ch. zuweilen kraft, bekande, erkande, kunſt, kriegen, küngîn etc. meiſtens chüngîn und immer chint, nie kint; im ſ. gall. Parc., deſſen k. und ch. ſich ſchon mehr das gleichgewicht halten, ſchwanken beide namentlich in jenen kint, künic, knappe etc. und ſelbſt in roman. wörtern. Bís jetzt habe ich noch keine gute mittelh. hſ. geſehen, die in den anlauten entw. bloß k oder bloß ch befolgte, (ſelbſt der gieſſ. Iw. ſchwankt) noch weniger eine, die für gewiſſe wörter beſtimmt zwiſchen beiden wechſelte. Daß einzelne mundarten die wirkliche aſp. oder doch einen härteren laut, als die reine ten. ausſprachen folgt auch aus der wiewohl ſeltnenen ſchreibung ck, vgl. ckoſt, ckumber (Parc. 163b 129a) ckaſten, ckatze *) Stalder dial. p. 63. bemerkt einzelne meiſtens gebliebene k. ſtatt ch. in der ſchweizervolksſprache, worunter beſon- ders kennen und erchennen auffällt. Der dem anlaut fol- gende voc. iſt weder hier noch im mittelh. von einfluß, wenn man etwa die ſächſ. und frieſ. regel (oben 256.) an- wenden und ch vor e, i etc, k vor a, o, u etc. anneh- men möchte.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/456>, abgerufen am 17.06.2024.