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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. mittelniederländische vocale.
nem n onse (d. h. unse) in use wandelt (:huse Huyd.
op. St. 3, 228.), so wird es dadurch nicht sicher ause
(oben s. 210. 231.). Die kürze von mure (muro) würde
der reim dure (per):sure (acidus) scrifture, ure (hora)
Maerl. 1, 36. 40. 134. entscheiden, wenn dure selbst
sicher kurz wäre.

(Y) grammatisch zu entbehren und lieber mit i aus-
zndrücken, zumahl es verwechselungen mit y (welches
die hss. ij schreiben, es bedeutet aber ei) ausgesetzt ist.
Vorzüglich wird y in fremden wörtern gesetzt, als yeve
(eva Huyd. 2, 148.; d. h. ieve wie der reim: lieve lehrt
Maerl. 1, 80.) reynaert, reynout, payment, pays, (pax)
etc. beßer reinaert, reinout, paiment, pais.

(AA) a, mangelt und wird durch ae vertreten, statt
welches man im neuniederl. wieder a (aa) schreibt.
Zweifel machen bloß im auslaut die schreibungen na
(post, prope) ga (eo) va (cape), die sehr oft auf fremde
namen, wie asia, scylla, reimen, gewiß aber langlautig
sind. Wenigstens gebührte ihnen a, (gha : scolastica)
wenn man nicht ae setzen will.

(EE) e, gilt 1) auslautend in se (mare) sne (nix)
we (malum) me (magis) twe (duo). 2) entspricht dem
mittelh. e vor r in mer (magis) wederker (regressus)
ere (honos) ere (antea) verseren (vulnerare) keren (ver-
tere) leren (docere) welche beiden im praet. kerde, lerde
(nicht kaerde. laerde) haben; das mittelh. herre heißt
stets here oder here; ein h ist ausgefallen in len (lehen)
und swer (affinis). 3) dem mittelh. ei in häufigen fäl-
len: e. nen. ben. twen. grep. dref. bet (momordit)
wret (iratus) gheblet (balatus) ghet. het (calidus)
vlesch. hesch. ghest (spiritus) mest. wec (mollis) blec
(pallidus) nech (inclinavit) etc. 4) nie dem sächs. e = ie,
welches durchgängig ie lautet; man laße sich den reim
het:het (calidus) Maerl. 1, 103. nicht täuschen, ersteres
het bedeutet nicht hiet vocabatur, sondern hetet oder
hetet, vocatur. Maerl. könnte also Veld. reim mester:
prester (s. 460.) nicht gedichtet haben, er sagt prie-
ster. -- 4) in fremden wörtern steht e (außer den aus-
lautenden josue, jepte etc. Maerl. 1, 104. 109.) in amen
(:ben Rein. 334.) teibert, grimbert (:sert, kert Rein. 304.
323. 331.), unrichtig würde man tibaert, grimbaert
schreiben, so wie umgekehrt perde, erde für paerde,
aerde oder perde, erde verwerflich scheint. -- 5) stet (stat):

I. mittelniederländiſche vocale.
nem n onſe (d. h. unſe) in uſe wandelt (:huſe Huyd.
op. St. 3, 228.), ſo wird es dadurch nicht ſicher ûſe
(oben ſ. 210. 231.). Die kürze von mure (muro) würde
der reim dure (per):ſure (acidus) ſcrifture, ure (hora)
Maerl. 1, 36. 40. 134. entſcheiden, wenn dure ſelbſt
ſicher kurz wäre.

(Y) grammatiſch zu entbehren und lieber mit i aus-
zndrücken, zumahl es verwechſelungen mit ŷ (welches
die hſſ. ij ſchreiben, es bedeutet aber î) ausgeſetzt iſt.
Vorzüglich wird y in fremden wörtern geſetzt, als yeve
(eva Huyd. 2, 148.; d. h. ieve wie der reim: lieve lehrt
Maerl. 1, 80.) reynaert, reynout, payment, pays, (pax)
etc. beßer reinaert, reinout, paiment, pais.

(AA) â, mangelt und wird durch ae vertreten, ſtatt
welches man im neuniederl. wieder â (aa) ſchreibt.
Zweifel machen bloß im auslaut die ſchreibungen na
(poſt, prope) ga (eo) va (cape), die ſehr oft auf fremde
namen, wie aſia, ſcylla, reimen, gewiß aber langlautig
ſind. Wenigſtens gebührte ihnen â, (ghâ : ſcolaſticâ)
wenn man nicht ae ſetzen will.

(EE) ê, gilt 1) auslautend in ſê (mare) ſnê (nix)
wê (malum) mê (magis) twê (duo). 2) entſpricht dem
mittelh. ê vor r in mêr (magis) wëderkêr (regreſſus)
êre (honos) êre (antea) verſèren (vulnerare) kêren (ver-
tere) lêren (docere) welche beiden im praet. kêrde, lêrde
(nicht kaerde. laerde) haben; das mittelh. hërre heißt
ſtets hêre oder hëre; ein h iſt ausgefallen in lên (lêhen)
und ſwêr (affinis). 3) dem mittelh. ei in häufigen fäl-
len: ê. nên. bên. twên. grëp. drêf. bêt (momordit)
wrêt (iratus) gheblêt (balatus) ghêt. hêt (calidus)
vlêſch. hêſch. ghêſt (ſpiritus) mêſt. wêc (mollis) blêc
(pallidus) nêch (inclinavit) etc. 4) nie dem ſächſ. ê = ie,
welches durchgängig ie lautet; man laße ſich den reim
hêt:hêt (calidus) Maerl. 1, 103. nicht täuſchen, erſteres
hêt bedeutet nicht hiet vocabatur, ſondern hêtet oder
hëtet, vocatur. Maerl. könnte alſo Veld. reim mêſter:
prêſter (ſ. 460.) nicht gedichtet haben, er ſagt prie-
ſter. — 4) in fremden wörtern ſteht ê (außer den aus-
lautenden joſuê, jeptê etc. Maerl. 1, 104. 109.) in amên
(:bên Rein. 334.) tîbêrt, grimbêrt (:ſêrt, kêrt Rein. 304.
323. 331.), unrichtig würde man tibaert, grimbaert
ſchreiben, ſo wie umgekehrt pêrde, êrde für paerde,
aerde oder përde, ërde verwerflich ſcheint. — 5) ſtêt (ſtat):

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[473/0499] I. mittelniederländiſche vocale. nem n onſe (d. h. unſe) in uſe wandelt (:huſe Huyd. op. St. 3, 228.), ſo wird es dadurch nicht ſicher ûſe (oben ſ. 210. 231.). Die kürze von mure (muro) würde der reim dure (per):ſure (acidus) ſcrifture, ure (hora) Maerl. 1, 36. 40. 134. entſcheiden, wenn dure ſelbſt ſicher kurz wäre. (Y) grammatiſch zu entbehren und lieber mit i aus- zndrücken, zumahl es verwechſelungen mit ŷ (welches die hſſ. ij ſchreiben, es bedeutet aber î) ausgeſetzt iſt. Vorzüglich wird y in fremden wörtern geſetzt, als yeve (eva Huyd. 2, 148.; d. h. ieve wie der reim: lieve lehrt Maerl. 1, 80.) reynaert, reynout, payment, pays, (pax) etc. beßer reinaert, reinout, paiment, pais. (AA) â, mangelt und wird durch ae vertreten, ſtatt welches man im neuniederl. wieder â (aa) ſchreibt. Zweifel machen bloß im auslaut die ſchreibungen na (poſt, prope) ga (eo) va (cape), die ſehr oft auf fremde namen, wie aſia, ſcylla, reimen, gewiß aber langlautig ſind. Wenigſtens gebührte ihnen â, (ghâ : ſcolaſticâ) wenn man nicht ae ſetzen will. (EE) ê, gilt 1) auslautend in ſê (mare) ſnê (nix) wê (malum) mê (magis) twê (duo). 2) entſpricht dem mittelh. ê vor r in mêr (magis) wëderkêr (regreſſus) êre (honos) êre (antea) verſèren (vulnerare) kêren (ver- tere) lêren (docere) welche beiden im praet. kêrde, lêrde (nicht kaerde. laerde) haben; das mittelh. hërre heißt ſtets hêre oder hëre; ein h iſt ausgefallen in lên (lêhen) und ſwêr (affinis). 3) dem mittelh. ei in häufigen fäl- len: ê. nên. bên. twên. grëp. drêf. bêt (momordit) wrêt (iratus) gheblêt (balatus) ghêt. hêt (calidus) vlêſch. hêſch. ghêſt (ſpiritus) mêſt. wêc (mollis) blêc (pallidus) nêch (inclinavit) etc. 4) nie dem ſächſ. ê = ie, welches durchgängig ie lautet; man laße ſich den reim hêt:hêt (calidus) Maerl. 1, 103. nicht täuſchen, erſteres hêt bedeutet nicht hiet vocabatur, ſondern hêtet oder hëtet, vocatur. Maerl. könnte alſo Veld. reim mêſter: prêſter (ſ. 460.) nicht gedichtet haben, er ſagt prie- ſter. — 4) in fremden wörtern ſteht ê (außer den aus- lautenden joſuê, jeptê etc. Maerl. 1, 104. 109.) in amên (:bên Rein. 334.) tîbêrt, grimbêrt (:ſêrt, kêrt Rein. 304. 323. 331.), unrichtig würde man tibaert, grimbaert ſchreiben, ſo wie umgekehrt pêrde, êrde für paerde, aerde oder përde, ërde verwerflich ſcheint. — 5) ſtêt (ſtat):

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/499>, abgerufen am 17.06.2024.