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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. mittelniederländische consonanten. linguales.
vgl. aantek. 69. Huyd. op St. 1, 569. cans (franz. chance)
canselieren (franz. chanceler) Huyd. op St. 3, 285. glans
(splendor) crans (corona) lans (lancea) fransois (gallus).
Unorganisch erscheint hier die niederl. sprache durchaus
nicht, eher die hochd., die das roman. dance, chance,
lance, francois wie plante unter nz bringt; in keiner
der deutschen mundarten, welche t für hochd. z, ß ha-
ben, gilt aber gant, glant, swant, krant, die dänische
hat gandske (penitus) dands, glands, svands, die isländ.
dans, glans, krans; glans scheint dem angels. clänsjan
(Iustrare, mundare) verwandt. Das wichtigste und dun-
kelste dieser wörter ist ganz, dessen sich O. und N. im
sinne von sanus *) bedienen, andere und ältere denk-
mähler aber, so wie goth. alts. angels. nord. völlig ent-
halten. Seine versuchte herleitung aus genesen scheint
sinnreicher, als statthaft. Nenniederl. wird gansch, gantsch
vielleicht zum unterschied von gans (anser) geschrieben
und gesprochen, obwohl selten gebraucht; der gewöhn-
liche ausdruck ist, wie im plattd., hel, gehel (hochd.
heil) mit analoger begriff entwickelung. -- 4) in der ver-
bind. ls scheint guls (avidus, vorax) Maerl. 1, 150. 347.
2, 106. 142. aus dem franz. goulus (gulosus) entsprungen;
wals (? Maerl. 2, 85.) -- 5) übergang des s in ch unten
beim kehllaut.

(Z) wird neuniederl. statt des einf. s gesetzt 1) an-
lautend vor vocalen und w; hingegen bleiben sch. sl.
sm. sn. sp. st, welche unterscheidung auf das hochd. s
und sch (oben s. 174.) licht wirft. 2) inlautend wieder-
um, wenn ein voc. darauf folgt; in den verbind. sp. st
bleibt s. 3) auslautend bleibt immer s, womit man wie-
der die mittelh. neigung zu sch. für s in fremden wör-
tern vergleiche (s. 421.). -- 4) fremde wörter behalten
auch vor vocalen ihr s. Also, vor vocalen hat der nie-
derl. sauselaut sanftere, vor cons. und auslautend härtere
aussprache, reiner sauselaut bleibt er deswegen immer;
es sind nur zwei stufen, vgl. oben s. 166. Von dem
hochd. z oder ß (dem zischlaut) ist dies niederl. z ganz
verschieden, wie ich schon aus der beigebrachten ana-
logie zwischen dem niederl. z:s und dem hochd. s:sch

*) Nicht für das abstracte totus, omnis, welches entw. mit all
oder alang, along (vgl. alink im teutonista) gegeben wird;
K. 35b braucht neben along ein schwieriges anolk. Auch
im mittelh. hat das häufige ganz die bedeutung integer,
perfectus.

I. mittelniederländiſche conſonanten. linguales.
vgl. aantek. 69. Huyd. op St. 1, 569. cans (franz. chance)
canſelieren (franz. chanceler) Huyd. op St. 3, 285. glans
(ſplendor) crans (corona) lans (lancea) franſois (gallus).
Unorganiſch erſcheint hier die niederl. ſprache durchaus
nicht, eher die hochd., die das roman. dance, chance,
lance, francois wie plante unter nz bringt; in keiner
der deutſchen mundarten, welche t für hochd. z, Ʒ ha-
ben, gilt aber gant, glant, ſwant, krant, die däniſche
hat gandſke (penitus) dands, glands, ſvands, die iſländ.
dans, glans, krans; glans ſcheint dem angelſ. clänſjan
(Iuſtrare, mundare) verwandt. Das wichtigſte und dun-
kelſte dieſer wörter iſt ganz, deſſen ſich O. und N. im
ſinne von ſanus *) bedienen, andere und ältere denk-
mähler aber, ſo wie goth. altſ. angelſ. nord. völlig ent-
halten. Seine verſuchte herleitung aus geneſen ſcheint
ſinnreicher, als ſtatthaft. Nenniederl. wird ganſch, gantſch
vielleicht zum unterſchied von gans (anſer) geſchrieben
und geſprochen, obwohl ſelten gebraucht; der gewöhn-
liche ausdruck iſt, wie im plattd., hêl, gehêl (hochd.
heil) mit analoger begriff entwickelung. — 4) in der ver-
bind. ls ſcheint guls (avidus, vorax) Maerl. 1, 150. 347.
2, 106. 142. aus dem franz. goulus (guloſus) entſprungen;
wals (? Maerl. 2, 85.) — 5) übergang des ſ in ch unten
beim kehllaut.

(Z) wird neuniederl. ſtatt des einf. ſ geſetzt 1) an-
lautend vor vocalen und w; hingegen bleiben ſch. ſl.
ſm. ſn. ſp. ſt, welche unterſcheidung auf das hochd. ſ
und ſch (oben ſ. 174.) licht wirft. 2) inlautend wieder-
um, wenn ein voc. darauf folgt; in den verbind. ſp. ſt
bleibt ſ. 3) auslautend bleibt immer ſ, womit man wie-
der die mittelh. neigung zu ſch. für ſ in fremden wör-
tern vergleiche (ſ. 421.). — 4) fremde wörter behalten
auch vor vocalen ihr ſ. Alſo, vor vocalen hat der nie-
derl. ſauſelaut ſanftere, vor conſ. und auslautend härtere
ausſprache, reiner ſauſelaut bleibt er deswegen immer;
es ſind nur zwei ſtufen, vgl. oben ſ. 166. Von dem
hochd. z oder Ʒ (dem ziſchlaut) iſt dies niederl. z ganz
verſchieden, wie ich ſchon aus der beigebrachten ana-
logie zwiſchen dem niederl. z:ſ und dem hochd. ſ:ſch

*) Nicht für das abſtracte totus, omnis, welches entw. mit all
oder alang, along (vgl. alink im teutoniſta) gegeben wird;
K. 35b braucht neben along ein ſchwieriges anolk. Auch
im mittelh. hat das häufige ganz die bedeutung integer,
perfectus.
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[496/0522] I. mittelniederländiſche conſonanten. linguales. vgl. aantek. 69. Huyd. op St. 1, 569. cans (franz. chance) canſelieren (franz. chanceler) Huyd. op St. 3, 285. glans (ſplendor) crans (corona) lans (lancea) franſois (gallus). Unorganiſch erſcheint hier die niederl. ſprache durchaus nicht, eher die hochd., die das roman. dance, chance, lance, francois wie plante unter nz bringt; in keiner der deutſchen mundarten, welche t für hochd. z, Ʒ ha- ben, gilt aber gant, glant, ſwant, krant, die däniſche hat gandſke (penitus) dands, glands, ſvands, die iſländ. dans, glans, krans; glans ſcheint dem angelſ. clänſjan (Iuſtrare, mundare) verwandt. Das wichtigſte und dun- kelſte dieſer wörter iſt ganz, deſſen ſich O. und N. im ſinne von ſanus *) bedienen, andere und ältere denk- mähler aber, ſo wie goth. altſ. angelſ. nord. völlig ent- halten. Seine verſuchte herleitung aus geneſen ſcheint ſinnreicher, als ſtatthaft. Nenniederl. wird ganſch, gantſch vielleicht zum unterſchied von gans (anſer) geſchrieben und geſprochen, obwohl ſelten gebraucht; der gewöhn- liche ausdruck iſt, wie im plattd., hêl, gehêl (hochd. heil) mit analoger begriff entwickelung. — 4) in der ver- bind. ls ſcheint guls (avidus, vorax) Maerl. 1, 150. 347. 2, 106. 142. aus dem franz. goulus (guloſus) entſprungen; wals (? Maerl. 2, 85.) — 5) übergang des ſ in ch unten beim kehllaut. (Z) wird neuniederl. ſtatt des einf. ſ geſetzt 1) an- lautend vor vocalen und w; hingegen bleiben ſch. ſl. ſm. ſn. ſp. ſt, welche unterſcheidung auf das hochd. ſ und ſch (oben ſ. 174.) licht wirft. 2) inlautend wieder- um, wenn ein voc. darauf folgt; in den verbind. ſp. ſt bleibt ſ. 3) auslautend bleibt immer ſ, womit man wie- der die mittelh. neigung zu ſch. für ſ in fremden wör- tern vergleiche (ſ. 421.). — 4) fremde wörter behalten auch vor vocalen ihr ſ. Alſo, vor vocalen hat der nie- derl. ſauſelaut ſanftere, vor conſ. und auslautend härtere ausſprache, reiner ſauſelaut bleibt er deswegen immer; es ſind nur zwei ſtufen, vgl. oben ſ. 166. Von dem hochd. z oder Ʒ (dem ziſchlaut) iſt dies niederl. z ganz verſchieden, wie ich ſchon aus der beigebrachten ana- logie zwiſchen dem niederl. z:ſ und dem hochd. ſ:ſch *) Nicht für das abſtracte totus, omnis, welches entw. mit all oder alang, along (vgl. alink im teutoniſta) gegeben wird; K. 35b braucht neben along ein ſchwieriges anolk. Auch im mittelh. hat das häufige ganz die bedeutung integer, perfectus.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/522>, abgerufen am 30.05.2024.