Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite
I. übersicht der kurzen vocale.
4) im altn. schwed. dän. und engl. zeigt sich endlich
ein dem einfluß der n- verbindungen auf a (unter 1.)
ähnlicher auf i und u. So steht dem altn. ank, ang
ein eink, auuk, eing, aung (st. ink, unk, ing, ung) zur
seite; dem engl. ong (st. ang) ein oung (st. ung; vgl.
s. 337. das mittelh. unge, unke st. ünge, ünke). Das
engl. eind (st. ind) ound (st. und) aber ließe auf ein
nicht vorhandnes, dem dän. aand analoges ond (st.
and) schließen. Dem engl. old (st. ald) gleicht auch
ein eild, ould (st. ild, uld). Im niederl. wandelt sich
e vor den nasalen verbindungen nd. ns gern in ei,
als: einde, veinsen, peinsen.

II. Einsluß der dem wurzelvocal folgenden endungs-
vocale

1) umlaut (ursprung des e, ö, ü). Das i und u der
flexion wirken auf a, o, u der wurzel und bringen
die früher unbekannten kürzen e, ö, ü (y) hervor;
ö ist theils hochd. umlaut des o durch i, theils alt-
nord. des a durch u. Auf i und e äußert die flexious-
endung keinen einfluß. Merkwürdig aber ist der um-
laut des altn. aus i entsprungnen ia, welches a) in
umlautet wegen eines folgenden oder vorauszu-
setzenden u. b) in i (statt ie) wegen eines folgenden
i, vgl. kiölr, kialar, kili g) in ia, wenn consonanz-
verbindungen eintreten, vor denen a zu a wird, als
hialmr, hialpa. Den altn. formen giöf, giafar, gift,
gefa, hialpa würden fünf einfache goth. i entsprechen:
giba, gibos, gifts, giban, hilpan. Das altn. hialpa
beruht auf zweifacher verwandlung; einmahl steht es
für hialpa, sodann dieses für hilpa. -- Daß in den spä-
teren sprachen zuweilen umlaut unorg. statt des rei-
nen voc. eintritt, gehört nicht hierher.
2) assimilation. Nach dem strengen s. 117. 304. angenom-
menen begriff findet sie nur zwischen zwei flexions-
silben, folglich in dreisilbigen wörtern statt, und än-
dert den wurzelvocal nicht selbst, obgleich sie dessen
umlaut herbeiführen kann. Beispiele sind dort nach-
zusehen. Hier fragt sich nur, ob nicht die idee der
assimilation zu erweitern und auch ein solcher einfluß
auf den wurzelvoc. anzuerkennen ist? Ich habe vor-
züglich den diphthongen io im auge. Otfrieds wech-
sel zwischen diuf, diofo, diafan (s. 107.) mahnt an
den vorhinerwähnten wechsel zwischen angels. eo, i, e,
altn. ia, i, e, der nicht ganz regellos scheint, wenn
auch das alth. io, ia, iu ursprünglich nicht entspricht
I. überſicht der kurzen vocale.
4) im altn. ſchwed. dän. und engl. zeigt ſich endlich
ein dem einfluß der n- verbindungen auf a (unter 1.)
ähnlicher auf i und u. So ſteht dem altn. ânk, âng
ein înk, ûuk, îng, ûng (ſt. ink, unk, ing, ung) zur
ſeite; dem engl. ong (ſt. ang) ein oung (ſt. ung; vgl.
ſ. 337. das mittelh. unge, unke ſt. ünge, ünke). Das
engl. înd (ſt. ind) ound (ſt. und) aber ließe auf ein
nicht vorhandnes, dem dän. aand analoges ond (ſt.
and) ſchließen. Dem engl. old (ſt. ald) gleicht auch
ein îld, ould (ſt. ild, uld). Im niederl. wandelt ſich
ë vor den naſalen verbindungen nd. ns gern in ei,
als: einde, veinſen, peinſen.

II. Einſluß der dem wurzelvocal folgenden endungs-
vocale

1) umlaut (urſprung des e, ö, ü). Das i und u der
flexion wirken auf a, o, u der wurzel und bringen
die früher unbekannten kürzen e, ö, ü (y) hervor;
ö iſt theils hochd. umlaut des o durch i, theils alt-
nord. des a durch u. Auf i und ë äußert die flexious-
endung keinen einfluß. Merkwürdig aber iſt der um-
laut des altn. aus i entſprungnen ia, welches α) in
umlautet wegen eines folgenden oder vorauszu-
ſetzenden u. β) in i (ſtatt ie) wegen eines folgenden
i, vgl. kiölr, kialar, kili γ) in , wenn conſonanz-
verbindungen eintreten, vor denen a zu â wird, als
hiàlmr, hiâlpa. Den altn. formen giöf, giafar, gift,
gëfa, hiâlpa würden fünf einfache goth. i entſprechen:
giba, gibôs, gifts, giban, hilpan. Das altn. hiâlpa
beruht auf zweifacher verwandlung; einmahl ſteht es
für hialpa, ſodann dieſes für hilpa. — Daß in den ſpä-
teren ſprachen zuweilen umlaut unorg. ſtatt des rei-
nen voc. eintritt, gehört nicht hierher.
2) aſſimilation. Nach dem ſtrengen ſ. 117. 304. angenom-
menen begriff findet ſie nur zwiſchen zwei flexions-
ſilben, folglich in dreiſilbigen wörtern ſtatt, und än-
dert den wurzelvocal nicht ſelbſt, obgleich ſie deſſen
umlaut herbeiführen kann. Beiſpiele ſind dort nach-
zuſehen. Hier fragt ſich nur, ob nicht die idee der
aſſimilation zu erweitern und auch ein ſolcher einfluß
auf den wurzelvoc. anzuerkennen iſt? Ich habe vor-
züglich den diphthongen io im auge. Otfrieds wech-
ſel zwiſchen diuf, diofo, diafan (ſ. 107.) mahnt an
den vorhinerwähnten wechſel zwiſchen angelſ. ëo, i, ë,
altn. ia, i, ë, der nicht ganz regellos ſcheint, wenn
auch das alth. io, ia, iu urſprünglich nicht entſpricht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <list>
            <pb facs="#f0602" n="576"/>
            <fw place="top" type="header">I. <hi rendition="#i">über&#x017F;icht der kurzen vocale.</hi></fw><lb/>
            <item>4) im altn. &#x017F;chwed. dän. und engl. zeigt &#x017F;ich endlich<lb/>
ein dem einfluß der n- verbindungen auf a (unter 1.)<lb/>
ähnlicher auf i und u. So &#x017F;teht dem altn. ânk, âng<lb/>
ein înk, ûuk, îng, ûng (&#x017F;t. ink, unk, ing, ung) zur<lb/>
&#x017F;eite; dem engl. ong (&#x017F;t. ang) ein oung (&#x017F;t. ung; vgl.<lb/>
&#x017F;. 337. das mittelh. unge, unke &#x017F;t. ünge, ünke). Das<lb/>
engl. înd (&#x017F;t. ind) ound (&#x017F;t. und) aber ließe auf ein<lb/>
nicht vorhandnes, dem dän. aand analoges ond (&#x017F;t.<lb/>
and) &#x017F;chließen. Dem engl. old (&#x017F;t. ald) gleicht auch<lb/>
ein îld, ould (&#x017F;t. ild, uld). Im niederl. wandelt &#x017F;ich<lb/>
ë vor den na&#x017F;alen verbindungen nd. ns gern in ei,<lb/>
als: einde, vein&#x017F;en, pein&#x017F;en.</item>
          </list><lb/>
          <p> <hi rendition="#et">II. <hi rendition="#i">Ein&#x017F;luß der dem wurzelvocal folgenden endungs-<lb/>
vocale</hi></hi> </p><lb/>
          <list>
            <item>1) <hi rendition="#i">umlaut</hi> (ur&#x017F;prung des e, ö, ü). Das i und u der<lb/>
flexion wirken auf a, o, u der wurzel und bringen<lb/>
die früher unbekannten kürzen e, ö, ü (y) hervor;<lb/>
ö i&#x017F;t theils hochd. umlaut des o durch i, theils alt-<lb/>
nord. des a durch u. Auf i und ë äußert die flexious-<lb/>
endung keinen einfluß. Merkwürdig aber i&#x017F;t der um-<lb/>
laut des altn. aus i ent&#x017F;prungnen <hi rendition="#i">ia</hi>, welches <hi rendition="#i">&#x03B1;</hi>) in<lb/><hi rendition="#i"></hi> umlautet wegen eines folgenden oder vorauszu-<lb/>
&#x017F;etzenden u. <hi rendition="#i">&#x03B2;</hi>) in i (&#x017F;tatt ie) wegen eines folgenden<lb/>
i, vgl. kiölr, kialar, kili <hi rendition="#i">&#x03B3;</hi>) in <hi rendition="#i"></hi>, wenn con&#x017F;onanz-<lb/>
verbindungen eintreten, vor denen a zu â wird, als<lb/>
hiàlmr, hiâlpa. Den altn. formen giöf, giafar, gift,<lb/>
gëfa, hiâlpa würden fünf einfache goth. i ent&#x017F;prechen:<lb/>
giba, gibôs, gifts, giban, hilpan. Das altn. hiâlpa<lb/>
beruht auf zweifacher verwandlung; einmahl &#x017F;teht es<lb/>
für hialpa, &#x017F;odann die&#x017F;es für hilpa. &#x2014; Daß in den &#x017F;pä-<lb/>
teren &#x017F;prachen zuweilen umlaut unorg. &#x017F;tatt des rei-<lb/>
nen voc. eintritt, gehört nicht hierher.</item><lb/>
            <item>2) <hi rendition="#i">a&#x017F;&#x017F;imilation.</hi> Nach dem &#x017F;trengen &#x017F;. 117. 304. angenom-<lb/>
menen begriff findet &#x017F;ie nur zwi&#x017F;chen zwei flexions-<lb/>
&#x017F;ilben, folglich in drei&#x017F;ilbigen wörtern &#x017F;tatt, und än-<lb/>
dert den wurzelvocal nicht &#x017F;elb&#x017F;t, obgleich &#x017F;ie de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
umlaut herbeiführen kann. Bei&#x017F;piele &#x017F;ind dort nach-<lb/>
zu&#x017F;ehen. Hier fragt &#x017F;ich nur, ob nicht die idee der<lb/>
a&#x017F;&#x017F;imilation zu erweitern und auch ein &#x017F;olcher einfluß<lb/>
auf den wurzelvoc. anzuerkennen i&#x017F;t? Ich habe vor-<lb/>
züglich den diphthongen <hi rendition="#i">io</hi> im auge. Otfrieds wech-<lb/>
&#x017F;el zwi&#x017F;chen diuf, diofo, diafan (&#x017F;. 107.) mahnt an<lb/>
den vorhinerwähnten wech&#x017F;el zwi&#x017F;chen angel&#x017F;. ëo, i, ë,<lb/>
altn. ia, i, ë, der nicht ganz regellos &#x017F;cheint, wenn<lb/>
auch das alth. io, ia, iu ur&#x017F;prünglich nicht ent&#x017F;pricht<lb/></item>
          </list>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[576/0602] I. überſicht der kurzen vocale. 4) im altn. ſchwed. dän. und engl. zeigt ſich endlich ein dem einfluß der n- verbindungen auf a (unter 1.) ähnlicher auf i und u. So ſteht dem altn. ânk, âng ein înk, ûuk, îng, ûng (ſt. ink, unk, ing, ung) zur ſeite; dem engl. ong (ſt. ang) ein oung (ſt. ung; vgl. ſ. 337. das mittelh. unge, unke ſt. ünge, ünke). Das engl. înd (ſt. ind) ound (ſt. und) aber ließe auf ein nicht vorhandnes, dem dän. aand analoges ond (ſt. and) ſchließen. Dem engl. old (ſt. ald) gleicht auch ein îld, ould (ſt. ild, uld). Im niederl. wandelt ſich ë vor den naſalen verbindungen nd. ns gern in ei, als: einde, veinſen, peinſen. II. Einſluß der dem wurzelvocal folgenden endungs- vocale 1) umlaut (urſprung des e, ö, ü). Das i und u der flexion wirken auf a, o, u der wurzel und bringen die früher unbekannten kürzen e, ö, ü (y) hervor; ö iſt theils hochd. umlaut des o durch i, theils alt- nord. des a durch u. Auf i und ë äußert die flexious- endung keinen einfluß. Merkwürdig aber iſt der um- laut des altn. aus i entſprungnen ia, welches α) in iö umlautet wegen eines folgenden oder vorauszu- ſetzenden u. β) in i (ſtatt ie) wegen eines folgenden i, vgl. kiölr, kialar, kili γ) in iâ, wenn conſonanz- verbindungen eintreten, vor denen a zu â wird, als hiàlmr, hiâlpa. Den altn. formen giöf, giafar, gift, gëfa, hiâlpa würden fünf einfache goth. i entſprechen: giba, gibôs, gifts, giban, hilpan. Das altn. hiâlpa beruht auf zweifacher verwandlung; einmahl ſteht es für hialpa, ſodann dieſes für hilpa. — Daß in den ſpä- teren ſprachen zuweilen umlaut unorg. ſtatt des rei- nen voc. eintritt, gehört nicht hierher. 2) aſſimilation. Nach dem ſtrengen ſ. 117. 304. angenom- menen begriff findet ſie nur zwiſchen zwei flexions- ſilben, folglich in dreiſilbigen wörtern ſtatt, und än- dert den wurzelvocal nicht ſelbſt, obgleich ſie deſſen umlaut herbeiführen kann. Beiſpiele ſind dort nach- zuſehen. Hier fragt ſich nur, ob nicht die idee der aſſimilation zu erweitern und auch ein ſolcher einfluß auf den wurzelvoc. anzuerkennen iſt? Ich habe vor- züglich den diphthongen io im auge. Otfrieds wech- ſel zwiſchen diuf, diofo, diafan (ſ. 107.) mahnt an den vorhinerwähnten wechſel zwiſchen angelſ. ëo, i, ë, altn. ia, i, ë, der nicht ganz regellos ſcheint, wenn auch das alth. io, ia, iu urſprünglich nicht entſpricht

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/602
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 576. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/602>, abgerufen am 16.06.2024.