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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.

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Die Napoleoniden.
das er durch sein eigenes entschuldigte, und würde die
Aufopferung seiner Schwester Pauline, der Fürstin
Borghese, die sein Exil in St. Helena theilen wollte,
so tief empfunden haben, wie jene kindliche Zärtlichkeit
des jungen Reichstadt, als der kleine Knabe an den
gefesselten Prometheus, seinen lieben Papa, einen heim¬
lichen Brief schrieb, wobei ihm eine verschwiegene und
gefühlvolle Gouvernante die Hand führte. Doch über¬
raschte sie der Tod.

Ihre Schwester Elisa starb später in Triest, zwei
junge Fürsten Bacciocchi hinterlassend, von welchen der
eine auf Korsika wohnt, der andere aber im verwiche¬
nen Jahre bei einem Pferdesturz verunglückte.

Die weitern von hier aus strömenden Descenden¬
zen verschwimmen allmälig in das breite Niveau der
zahllosen italienischen Marchesen. Hie und da trifft
man Personen, welche einen Tropfen vom Napoleoni¬
schen Familienblute haben und vor denen der geschicht¬
liche Enthusiasmus gern den Hut abnimmt. Man
sieht diese dritten und vierten Glieder der großen Ge¬
neration oft im Theater, und staunt an die Physiog¬
nomien, welche noch immer olivenfarbig spielen, das
schwarze glatte Haar, das die breite Stirn beschattet,
das mächtige zermalmende Kinn, die untersetzte Statur

Die Napoleoniden.
das er durch ſein eigenes entſchuldigte, und wuͤrde die
Aufopferung ſeiner Schweſter Pauline, der Fuͤrſtin
Borgheſe, die ſein Exil in St. Helena theilen wollte,
ſo tief empfunden haben, wie jene kindliche Zaͤrtlichkeit
des jungen Reichſtadt, als der kleine Knabe an den
gefeſſelten Prometheus, ſeinen lieben Papa, einen heim¬
lichen Brief ſchrieb, wobei ihm eine verſchwiegene und
gefuͤhlvolle Gouvernante die Hand fuͤhrte. Doch uͤber¬
raſchte ſie der Tod.

Ihre Schweſter Eliſa ſtarb ſpaͤter in Trieſt, zwei
junge Fuͤrſten Bacciocchi hinterlaſſend, von welchen der
eine auf Korſika wohnt, der andere aber im verwiche¬
nen Jahre bei einem Pferdeſturz verungluͤckte.

Die weitern von hier aus ſtroͤmenden Descenden¬
zen verſchwimmen allmaͤlig in das breite Niveau der
zahlloſen italieniſchen Marcheſen. Hie und da trifft
man Perſonen, welche einen Tropfen vom Napoleoni¬
ſchen Familienblute haben und vor denen der geſchicht¬
liche Enthuſiasmus gern den Hut abnimmt. Man
ſieht dieſe dritten und vierten Glieder der großen Ge¬
neration oft im Theater, und ſtaunt an die Phyſiog¬
nomien, welche noch immer olivenfarbig ſpielen, das
ſchwarze glatte Haar, das die breite Stirn beſchattet,
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[136/0154] Die Napoleoniden. das er durch ſein eigenes entſchuldigte, und wuͤrde die Aufopferung ſeiner Schweſter Pauline, der Fuͤrſtin Borgheſe, die ſein Exil in St. Helena theilen wollte, ſo tief empfunden haben, wie jene kindliche Zaͤrtlichkeit des jungen Reichſtadt, als der kleine Knabe an den gefeſſelten Prometheus, ſeinen lieben Papa, einen heim¬ lichen Brief ſchrieb, wobei ihm eine verſchwiegene und gefuͤhlvolle Gouvernante die Hand fuͤhrte. Doch uͤber¬ raſchte ſie der Tod. Ihre Schweſter Eliſa ſtarb ſpaͤter in Trieſt, zwei junge Fuͤrſten Bacciocchi hinterlaſſend, von welchen der eine auf Korſika wohnt, der andere aber im verwiche¬ nen Jahre bei einem Pferdeſturz verungluͤckte. Die weitern von hier aus ſtroͤmenden Descenden¬ zen verſchwimmen allmaͤlig in das breite Niveau der zahlloſen italieniſchen Marcheſen. Hie und da trifft man Perſonen, welche einen Tropfen vom Napoleoni¬ ſchen Familienblute haben und vor denen der geſchicht¬ liche Enthuſiasmus gern den Hut abnimmt. Man ſieht dieſe dritten und vierten Glieder der großen Ge¬ neration oft im Theater, und ſtaunt an die Phyſiog¬ nomien, welche noch immer olivenfarbig ſpielen, das ſchwarze glatte Haar, das die breite Stirn beſchattet, das maͤchtige zermalmende Kinn, die unterſetzte Statur

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/154>, abgerufen am 28.04.2024.