Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.Deß Academischen lichkeit deß Leibs haben/ solte sich die Eure/ wegen ihres hartenLagers/ billich beklagen. Jch bilde mir ein/ wie lang/ wie schmahl/ wie subtil ihr seyd/ und halte euch vor die Linien/ so Apelles und Protogenes gezogen/ dann euch ja die Künstler/ welche die Flöhe an die Ketten legen/ schwerlich fangen solten. Zarte Jungfrau/ seyd ihr nicht eine Latern gewesen? Jhr seyd ja so durchsichtig/ wie ein altes Hauß/ und so außgedorret/ daß man eure Gebeine für Schwefel-Holtz gebrauchen könte. Neh- met eurer wol in Acht/ gehet in den Schatten/ daß die warme Sonne euch nicht anzünden/ und grosses |Unglück auß solcher Brunst erfolgen möge/ wann ihr sonderlich bey einem Zeug- Hauß vorbey gehen soltet. Für dem Wasser habt ihr nichts zu fürchten/ dann ihr seyd so leicht/ daß ihr nicht könt unterfallen. Die Jgel und Stachel-Schweine seyn glatter/ als eure Haut/ und greifft man mit weniger Gefahr eine Dorn-Hecke an/ als euren spitzigen Kinn/ worinn sich neulich nur noch einer gestochen. Eure Mutter/ da sie mit euch schwanger gegangen/ hat sich an einem Lad-Stecken versehen/ und ihr habt die drey Feinde Menschliches Geschlechts überwunden; Das Fleisch ist von euch gewichen/ oder noch nie bey und an euch gewesen; Die Welt erschröcket und fürchtet sich vor eurer Gestalt; Dem Schatten habt ihr nichts/ als etliche Gebeine zu nagen/ über- lassen. Jhr seyd deß Todes natürliche Schwester/ und der Schlaff ist eurer beyder jüngster Bruder. So bleibet nun schön/ und eine Jungfrau/ so lange ihr lebet. Der Liebes-Pfeil wird auf euren Gebeinen nicht hafften können. Führet euch der Wind nicht hinweg/ so habt ihr keine Gefahr/ weil euer Schatten artig berum wallet. Aber nach eurem Tod werden die Kammacher/ Beindrechsler/ Messerer/ und dergleichen Handwercker/ sich um eure Verlassenschafft reissen. Hiermit verbleibe ich Euer Beflissener Wahrsager. Das VII. Capitul/ Venereus und ein Edelmann haben eine possierliche Ren- WEssen sich diese alte Jungfrau hierauf mag der
Deß Academiſchen lichkeit deß Leibs haben/ ſolte ſich die Eure/ wegen ihres hartenLagers/ billich beklagen. Jch bilde mir ein/ wie lang/ wie ſchmahl/ wie ſubtil ihr ſeyd/ und halte euch vor die Linien/ ſo Apelles und Protogenes gezogen/ dann euch ja die Kuͤnſtler/ welche die Floͤhe an die Ketten legen/ ſchwerlich fangen ſolten. Zarte Jungfrau/ ſeyd ihr nicht eine Latern geweſen? Jhr ſeyd ja ſo durchſichtig/ wie ein altes Hauß/ und ſo außgedorret/ daß man eure Gebeine fuͤr Schwefel-Holtz gebrauchen koͤnte. Neh- met eurer wol in Acht/ gehet in den Schatten/ daß die warme Sonne euch nicht anzuͤnden/ und groſſes |Ungluͤck auß ſolcher Brunſt erfolgen moͤge/ wann ihr ſonderlich bey einem Zeug- Hauß vorbey gehen ſoltet. Fuͤr dem Waſſer habt ihr nichts zu fuͤrchten/ dann ihr ſeyd ſo leicht/ daß ihr nicht koͤnt unterfallen. Die Jgel und Stachel-Schweine ſeyn glatter/ als eure Haut/ und greifft man mit weniger Gefahr eine Dorn-Hecke an/ als euren ſpitzigen Kinn/ woriñ ſich neulich nur noch einer geſtochen. Eure Mutter/ da ſie mit euch ſchwanger gegangen/ hat ſich an einem Lad-Stecken verſehen/ und ihr habt die drey Feinde Menſchliches Geſchlechts uͤberwunden; Das Fleiſch iſt von euch gewichen/ oder noch nie bey und an euch geweſen; Die Welt erſchroͤcket und fuͤrchtet ſich vor eurer Geſtalt; Dem Schatten habt ihr nichts/ als etliche Gebeine zu nagen/ uͤber- laſſen. Jhr ſeyd deß Todes natuͤrliche Schweſter/ und der Schlaff iſt eurer beyder juͤngſter Bruder. So bleibet nun ſchoͤn/ und eine Jungfrau/ ſo lange ihr lebet. Der Liebes-Pfeil wird auf euren Gebeinen nicht hafften koͤnnen. Fuͤhret euch der Wind nicht hinweg/ ſo habt ihr keine Gefahr/ weil euer Schatten artig berum wallet. Aber nach eurem Tod werden die Kammacher/ Beindrechsler/ Meſſerer/ und dergleichen Handwercker/ ſich um eure Verlaſſenſchafft reiſſen. Hiermit verbleibe ich Euer Befliſſener Wahrſager. Das VII. Capitul/ Venereus und ein Edelmann haben eine poſſierliche Ren- WEſſen ſich dieſe alte Jungfrau hierauf mag der
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Deß Academiſchen
lichkeit deß Leibs haben/ ſolte ſich die Eure/ wegen ihres harten
Lagers/ billich beklagen. Jch bilde mir ein/ wie lang/ wie
ſchmahl/ wie ſubtil ihr ſeyd/ und halte euch vor die Linien/ ſo
Apelles und Protogenes gezogen/ dann euch ja die Kuͤnſtler/
welche die Floͤhe an die Ketten legen/ ſchwerlich fangen ſolten.
Zarte Jungfrau/ ſeyd ihr nicht eine Latern geweſen? Jhr ſeyd
ja ſo durchſichtig/ wie ein altes Hauß/ und ſo außgedorret/ daß
man eure Gebeine fuͤr Schwefel-Holtz gebrauchen koͤnte. Neh-
met eurer wol in Acht/ gehet in den Schatten/ daß die warme
Sonne euch nicht anzuͤnden/ und groſſes |Ungluͤck auß ſolcher
Brunſt erfolgen moͤge/ wann ihr ſonderlich bey einem Zeug-
Hauß vorbey gehen ſoltet. Fuͤr dem Waſſer habt ihr nichts zu
fuͤrchten/ dann ihr ſeyd ſo leicht/ daß ihr nicht koͤnt unterfallen.
Die Jgel und Stachel-Schweine ſeyn glatter/ als eure Haut/
und greifft man mit weniger Gefahr eine Dorn-Hecke an/ als
euren ſpitzigen Kinn/ woriñ ſich neulich nur noch einer geſtochen.
Eure Mutter/ da ſie mit euch ſchwanger gegangen/ hat ſich an
einem Lad-Stecken verſehen/ und ihr habt die drey Feinde
Menſchliches Geſchlechts uͤberwunden; Das Fleiſch iſt von
euch gewichen/ oder noch nie bey und an euch geweſen; Die
Welt erſchroͤcket und fuͤrchtet ſich vor eurer Geſtalt; Dem
Schatten habt ihr nichts/ als etliche Gebeine zu nagen/ uͤber-
laſſen. Jhr ſeyd deß Todes natuͤrliche Schweſter/ und der
Schlaff iſt eurer beyder juͤngſter Bruder. So bleibet nun ſchoͤn/
und eine Jungfrau/ ſo lange ihr lebet. Der Liebes-Pfeil wird
auf euren Gebeinen nicht hafften koͤnnen. Fuͤhret euch der Wind
nicht hinweg/ ſo habt ihr keine Gefahr/ weil euer Schatten artig
berum wallet. Aber nach eurem Tod werden die Kammacher/
Beindrechsler/ Meſſerer/ und dergleichen Handwercker/ ſich um
eure Verlaſſenſchafft reiſſen. Hiermit verbleibe ich Euer
Befliſſener Wahrſager.
Das VII. Capitul/
Venereus und ein Edelmann haben eine poſſierliche Ren-
contre. Ein ſchoͤner Diſcurs uͤber die Frage/ welche die kluͤgeſte
Leute in der Welt ſind?
WEſſen ſich dieſe alte Jungfrau hierauf mag
reſolviret haben/ kan man nicht wiſſen/ maſ-
ſen Venereus nicht laͤnger an dieſem Ort zu
verziehen gedachte/ derowegen eylete er fort/ um wie-
der
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Zitationshilfe: | Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 614. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/632>, abgerufen am 11.12.2023. |