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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

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Mannes ausgerüstet und geschmückt hat. Durch dies Gefühl
erträgt sie auch seine Härtigkeiten: sie schwingt sich in einer
süßen Begeisterung so gern zu allem auf, was ihr an ihm edel,
groß, tapfer, ungewöhnlich dünket: mit erhebender Theilneh-
mung hört sie männliche Thaten, die ihr, wenn der Abend
kommt, die Last des beschwerlichen Tages versüßen und es zum
Stolz ihr machen, daß sie, da sie doch einmal zugehören muß,
einem solchen Mann gehöre. Die Liebe des Romantischen im
weiblichen Charakter ist also eine wohlthätige Gabe der Natur,
Balsam für sie und belohnende Aufmunterung des Mannes:
denn der schönste Kranz des Jünglings war immer die Liebe
der Jungfrau.

Endlich die süße Mutterliebe, mit der die Natur dies
Geschlecht ausstattete; fast unabhängig ist sie von kalter Ver-
nunft und weit entfernt von eigennütziger Lohnbegierde. Nicht
weil es liebenswürdig ist, liebet die Mutter ihr Kind, sondern
weil es ein lebendiger Theil ihres Selbst, das Kind ihres
Herzens, der Abdruck ihrer Natur ist. Darum regen sich
ihre Eingeweide über seinem Jammer: ihr Herz klopft stärker
bei seinem Glück: ihr Blut fließt sanfter, wenn die Mutter-
brust, die es trinkt, es gleichsam noch an sie knüpfet. Durch
alle unverdorbene Nationen der Erde geht dieses Mutter-Ge-
fühl: kein Klima, das sonst alles ändert, konnte dies ändern;

nur

Mannes ausgeruͤſtet und geſchmuͤckt hat. Durch dies Gefuͤhl
ertraͤgt ſie auch ſeine Haͤrtigkeiten: ſie ſchwingt ſich in einer
ſuͤßen Begeiſterung ſo gern zu allem auf, was ihr an ihm edel,
groß, tapfer, ungewoͤhnlich duͤnket: mit erhebender Theilneh-
mung hoͤrt ſie maͤnnliche Thaten, die ihr, wenn der Abend
kommt, die Laſt des beſchwerlichen Tages verſuͤßen und es zum
Stolz ihr machen, daß ſie, da ſie doch einmal zugehoͤren muß,
einem ſolchen Mann gehoͤre. Die Liebe des Romantiſchen im
weiblichen Charakter iſt alſo eine wohlthaͤtige Gabe der Natur,
Balſam fuͤr ſie und belohnende Aufmunterung des Mannes:
denn der ſchoͤnſte Kranz des Juͤnglings war immer die Liebe
der Jungfrau.

Endlich die ſuͤße Mutterliebe, mit der die Natur dies
Geſchlecht ausſtattete; faſt unabhaͤngig iſt ſie von kalter Ver-
nunft und weit entfernt von eigennuͤtziger Lohnbegierde. Nicht
weil es liebenswuͤrdig iſt, liebet die Mutter ihr Kind, ſondern
weil es ein lebendiger Theil ihres Selbſt, das Kind ihres
Herzens, der Abdruck ihrer Natur iſt. Darum regen ſich
ihre Eingeweide uͤber ſeinem Jammer: ihr Herz klopft ſtaͤrker
bei ſeinem Gluͤck: ihr Blut fließt ſanfter, wenn die Mutter-
bruſt, die es trinkt, es gleichſam noch an ſie knuͤpfet. Durch
alle unverdorbene Nationen der Erde geht dieſes Mutter-Ge-
fuͤhl: kein Klima, das ſonſt alles aͤndert, konnte dies aͤndern;

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[186/0198] Mannes ausgeruͤſtet und geſchmuͤckt hat. Durch dies Gefuͤhl ertraͤgt ſie auch ſeine Haͤrtigkeiten: ſie ſchwingt ſich in einer ſuͤßen Begeiſterung ſo gern zu allem auf, was ihr an ihm edel, groß, tapfer, ungewoͤhnlich duͤnket: mit erhebender Theilneh- mung hoͤrt ſie maͤnnliche Thaten, die ihr, wenn der Abend kommt, die Laſt des beſchwerlichen Tages verſuͤßen und es zum Stolz ihr machen, daß ſie, da ſie doch einmal zugehoͤren muß, einem ſolchen Mann gehoͤre. Die Liebe des Romantiſchen im weiblichen Charakter iſt alſo eine wohlthaͤtige Gabe der Natur, Balſam fuͤr ſie und belohnende Aufmunterung des Mannes: denn der ſchoͤnſte Kranz des Juͤnglings war immer die Liebe der Jungfrau. Endlich die ſuͤße Mutterliebe, mit der die Natur dies Geſchlecht ausſtattete; faſt unabhaͤngig iſt ſie von kalter Ver- nunft und weit entfernt von eigennuͤtziger Lohnbegierde. Nicht weil es liebenswuͤrdig iſt, liebet die Mutter ihr Kind, ſondern weil es ein lebendiger Theil ihres Selbſt, das Kind ihres Herzens, der Abdruck ihrer Natur iſt. Darum regen ſich ihre Eingeweide uͤber ſeinem Jammer: ihr Herz klopft ſtaͤrker bei ſeinem Gluͤck: ihr Blut fließt ſanfter, wenn die Mutter- bruſt, die es trinkt, es gleichſam noch an ſie knuͤpfet. Durch alle unverdorbene Nationen der Erde geht dieſes Mutter-Ge- fuͤhl: kein Klima, das ſonſt alles aͤndert, konnte dies aͤndern; nur

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/198>, abgerufen am 29.04.2024.