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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.

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Thomson, wie unser Geßner und
Kleist, ein liebenswürdiger Name. Er-
funden hatte er seine Gedichtart nicht, ob
sein Verehrer Aikin ihm gleich diesen
Ruhm zuschreibt; in Milton u. a. lag
sie, vielleicht in einem Keime, der künftig
einer noch schöneren Entwickelung fähig
ist, längst da. Thomson aber hat den
Keim überlegend erzogen; dessen gebühret
ihm die Ehre. Zu gut wußte er selbst,
daß Jahrszeiten sich in Worten und ein-
förmigen Jamben nicht mahlen lassen;
er behandelt also sein Thema, wie er die
Freiheit, die Burg der Trägheit
und andre Gegenstände behandelte, phi-
losophisch. Schildernde Lehrgedichte sind
seine Jahreszeiten: denn mit Empfindung
zur Lehre muß eine Gegend geschildert wer-
den, wenn sie als Poesie in die Seele des
Hörenden wirken soll; eine Kunst, die alle

Nach-

Thomſon, wie unſer Geßner und
Kleiſt, ein liebenswuͤrdiger Name. Er-
funden hatte er ſeine Gedichtart nicht, ob
ſein Verehrer Aikin ihm gleich dieſen
Ruhm zuſchreibt; in Milton u. a. lag
ſie, vielleicht in einem Keime, der kuͤnftig
einer noch ſchoͤneren Entwickelung faͤhig
iſt, laͤngſt da. Thomſon aber hat den
Keim uͤberlegend erzogen; deſſen gebuͤhret
ihm die Ehre. Zu gut wußte er ſelbſt,
daß Jahrszeiten ſich in Worten und ein-
foͤrmigen Jamben nicht mahlen laſſen;
er behandelt alſo ſein Thema, wie er die
Freiheit, die Burg der Traͤgheit
und andre Gegenſtaͤnde behandelte, phi-
loſophiſch. Schildernde Lehrgedichte ſind
ſeine Jahreszeiten: denn mit Empfindung
zur Lehre muß eine Gegend geſchildert wer-
den, wenn ſie als Poeſie in die Seele des
Hoͤrenden wirken ſoll; eine Kunſt, die alle

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[96/0115] Thomſon, wie unſer Geßner und Kleiſt, ein liebenswuͤrdiger Name. Er- funden hatte er ſeine Gedichtart nicht, ob ſein Verehrer Aikin ihm gleich dieſen Ruhm zuſchreibt; in Milton u. a. lag ſie, vielleicht in einem Keime, der kuͤnftig einer noch ſchoͤneren Entwickelung faͤhig iſt, laͤngſt da. Thomſon aber hat den Keim uͤberlegend erzogen; deſſen gebuͤhret ihm die Ehre. Zu gut wußte er ſelbſt, daß Jahrszeiten ſich in Worten und ein- foͤrmigen Jamben nicht mahlen laſſen; er behandelt alſo ſein Thema, wie er die Freiheit, die Burg der Traͤgheit und andre Gegenſtaͤnde behandelte, phi- loſophiſch. Schildernde Lehrgedichte ſind ſeine Jahreszeiten: denn mit Empfindung zur Lehre muß eine Gegend geſchildert wer- den, wenn ſie als Poeſie in die Seele des Hoͤrenden wirken ſoll; eine Kunſt, die alle Nach-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/115>, abgerufen am 29.04.2024.