Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.

Bild:
<< vorherige Seite

Kritische Wälder.
"ges Mitleiden, weil ihnen das Vermögen ver-
"sagt ist, bey ihrer Gelehrsamkeit zugleich das Ver-
"gnügen zu genießen, welches andern ein guter
"Geschmack
gewähret. Spon, unterrichtet in
"den Geheimnissen der Physiognomie, las die
"Denkungsart und die Eigenschaften der Menschen
"auf dem Gesichte, das ihm die Münze vorstellte,
"und Addison, höherer Gedanken fähig, verglich
"die Bilder auf Münzen mit den Gedanken der
"Dichter, und rechtfertigte hiedurch seine Hoch-
"achtung für das Alterthum. Jch wünsche
"meinem
Vaterlande mehrere Nachfolger des letz-
"tern, und ich werde mich freuen, wenn unsre
"Gelehrten künftig
an den Gott der Künste und
"des Geschmacks eben die Bitte thun, die Ajax
"beim Homer an den Jupiter that: "O! Vater
"vertreibe die Nacht, laß es helle werden, und
"gib, daß unsre Augen sehen!"

Alle Hochachtung für Spons Sibyllenweis-
sagungen, für Addisons Vergleichungen, für
unsrer Deutschen Ajaxe Gebet an den Jupiter,
oder für das Gebet des Aegyptischen Cynocepha-
lus,
daß der helle Mond wiederkehre; indessen dünkt
mich doch das "aufrichtige Mitleiden", mit allen
Gelehrten, die nicht, wie Hr. Klotz, an einer Ge-
schichte des Geschmacks der Völker, Zeiten und
Künste, aus Münzen, arbeiten, sehr entbehrlich.
Es wäre umsonst, die Nutzbarkeit des Münzenstu-

dium

Kritiſche Waͤlder.
„ges Mitleiden, weil ihnen das Vermoͤgen ver-
„ſagt iſt, bey ihrer Gelehrſamkeit zugleich das Ver-
„gnuͤgen zu genießen, welches andern ein guter
„Geſchmack
gewaͤhret. Spon, unterrichtet in
„den Geheimniſſen der Phyſiognomie, las die
„Denkungsart und die Eigenſchaften der Menſchen
„auf dem Geſichte, das ihm die Muͤnze vorſtellte,
„und Addiſon, hoͤherer Gedanken faͤhig, verglich
„die Bilder auf Muͤnzen mit den Gedanken der
„Dichter, und rechtfertigte hiedurch ſeine Hoch-
„achtung fuͤr das Alterthum. Jch wuͤnſche
„meinem
Vaterlande mehrere Nachfolger des letz-
„tern, und ich werde mich freuen, wenn unſre
„Gelehrten kuͤnftig
an den Gott der Kuͤnſte und
„des Geſchmacks eben die Bitte thun, die Ajax
„beim Homer an den Jupiter that: „O! Vater
„vertreibe die Nacht, laß es helle werden, und
„gib, daß unſre Augen ſehen!„

Alle Hochachtung fuͤr Spons Sibyllenweiſ-
ſagungen, fuͤr Addiſons Vergleichungen, fuͤr
unſrer Deutſchen Ajaxe Gebet an den Jupiter,
oder fuͤr das Gebet des Aegyptiſchen Cynocepha-
lus,
daß der helle Mond wiederkehre; indeſſen duͤnkt
mich doch das „aufrichtige Mitleiden„, mit allen
Gelehrten, die nicht, wie Hr. Klotz, an einer Ge-
ſchichte des Geſchmacks der Voͤlker, Zeiten und
Kuͤnſte, aus Muͤnzen, arbeiten, ſehr entbehrlich.
Es waͤre umſonſt, die Nutzbarkeit des Muͤnzenſtu-

dium
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0034" n="28"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kriti&#x017F;che Wa&#x0364;lder.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">&#x201E;ges Mitleiden,</hi> weil ihnen das Vermo&#x0364;gen ver-<lb/>
&#x201E;&#x017F;agt i&#x017F;t, bey ihrer Gelehr&#x017F;amkeit zugleich das Ver-<lb/>
&#x201E;gnu&#x0364;gen zu genießen, welches <hi rendition="#fr">andern ein guter<lb/>
&#x201E;Ge&#x017F;chmack</hi> gewa&#x0364;hret. <hi rendition="#fr">Spon,</hi> unterrichtet in<lb/>
&#x201E;den Geheimni&#x017F;&#x017F;en der Phy&#x017F;iognomie, las die<lb/>
&#x201E;Denkungsart und die Eigen&#x017F;chaften der Men&#x017F;chen<lb/>
&#x201E;auf dem Ge&#x017F;ichte, das ihm die Mu&#x0364;nze vor&#x017F;tellte,<lb/>
&#x201E;und <hi rendition="#fr">Addi&#x017F;on,</hi> ho&#x0364;herer Gedanken fa&#x0364;hig, verglich<lb/>
&#x201E;die Bilder auf Mu&#x0364;nzen mit den Gedanken der<lb/>
&#x201E;Dichter, und <hi rendition="#fr">rechtfertigte hiedurch &#x017F;eine Hoch-<lb/>
&#x201E;achtung fu&#x0364;r das Alterthum. Jch wu&#x0364;n&#x017F;che<lb/>
&#x201E;meinem</hi> Vaterlande mehrere Nachfolger des letz-<lb/>
&#x201E;tern, und <hi rendition="#fr">ich werde mich freuen,</hi> wenn <hi rendition="#fr">un&#x017F;re<lb/>
&#x201E;Gelehrten ku&#x0364;nftig</hi> an den Gott der Ku&#x0364;n&#x017F;te und<lb/>
&#x201E;des Ge&#x017F;chmacks eben die Bitte thun, die Ajax<lb/>
&#x201E;beim Homer an den Jupiter that: &#x201E;O! Vater<lb/>
&#x201E;vertreibe die Nacht, laß es helle werden, und<lb/>
&#x201E;gib, daß un&#x017F;re Augen &#x017F;ehen!&#x201E;</p><lb/>
          <p>Alle Hochachtung fu&#x0364;r <hi rendition="#fr">Spons</hi> Sibyllenwei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;agungen, fu&#x0364;r <hi rendition="#fr">Addi&#x017F;ons</hi> Vergleichungen, fu&#x0364;r<lb/>
un&#x017F;rer Deut&#x017F;chen <hi rendition="#fr">Ajaxe</hi> Gebet an den Jupiter,<lb/>
oder fu&#x0364;r das Gebet des Aegypti&#x017F;chen <hi rendition="#fr">Cynocepha-<lb/>
lus,</hi> daß der helle Mond wiederkehre; inde&#x017F;&#x017F;en du&#x0364;nkt<lb/>
mich doch das &#x201E;aufrichtige Mitleiden&#x201E;, mit allen<lb/>
Gelehrten, die nicht, wie Hr. Klotz, an einer Ge-<lb/>
&#x017F;chichte des Ge&#x017F;chmacks der Vo&#x0364;lker, Zeiten und<lb/>
Ku&#x0364;n&#x017F;te, <hi rendition="#fr">aus Mu&#x0364;nzen,</hi> arbeiten, &#x017F;ehr entbehrlich.<lb/>
Es wa&#x0364;re um&#x017F;on&#x017F;t, die Nutzbarkeit des Mu&#x0364;nzen&#x017F;tu-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dium</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0034] Kritiſche Waͤlder. „ges Mitleiden, weil ihnen das Vermoͤgen ver- „ſagt iſt, bey ihrer Gelehrſamkeit zugleich das Ver- „gnuͤgen zu genießen, welches andern ein guter „Geſchmack gewaͤhret. Spon, unterrichtet in „den Geheimniſſen der Phyſiognomie, las die „Denkungsart und die Eigenſchaften der Menſchen „auf dem Geſichte, das ihm die Muͤnze vorſtellte, „und Addiſon, hoͤherer Gedanken faͤhig, verglich „die Bilder auf Muͤnzen mit den Gedanken der „Dichter, und rechtfertigte hiedurch ſeine Hoch- „achtung fuͤr das Alterthum. Jch wuͤnſche „meinem Vaterlande mehrere Nachfolger des letz- „tern, und ich werde mich freuen, wenn unſre „Gelehrten kuͤnftig an den Gott der Kuͤnſte und „des Geſchmacks eben die Bitte thun, die Ajax „beim Homer an den Jupiter that: „O! Vater „vertreibe die Nacht, laß es helle werden, und „gib, daß unſre Augen ſehen!„ Alle Hochachtung fuͤr Spons Sibyllenweiſ- ſagungen, fuͤr Addiſons Vergleichungen, fuͤr unſrer Deutſchen Ajaxe Gebet an den Jupiter, oder fuͤr das Gebet des Aegyptiſchen Cynocepha- lus, daß der helle Mond wiederkehre; indeſſen duͤnkt mich doch das „aufrichtige Mitleiden„, mit allen Gelehrten, die nicht, wie Hr. Klotz, an einer Ge- ſchichte des Geſchmacks der Voͤlker, Zeiten und Kuͤnſte, aus Muͤnzen, arbeiten, ſehr entbehrlich. Es waͤre umſonſt, die Nutzbarkeit des Muͤnzenſtu- dium

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/34
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/34>, abgerufen am 27.04.2024.