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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815.

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bung im Gehen an. Der kleine Friseur hat¬
te mir einen richtigen Fingerzeig gegeben.
Den Mönchen ist eine gewisse schwerfällige
ungelenke Geschwindigkeit im Gehen eigen,
die durch die lange Kleidung, welche die
Schritte hemmt und durch das Streben, sich
schnell zu bewegen, wie es der Cultus erfor¬
dert, hervorgebracht wird. Eben so liegt in
dem zurückgebeugten Körper und in dem
Tragen der Aerme, die niemals herunter¬
hängen dürfen, da der Mönch die Hände,
wenn er sie nicht faltet in die weiten Aer¬
mel der Kutte steckt, etwas so Charakteristi¬
sches, das dem Aufmerksamen nicht leicht
entgeht. Ich versuchte dies Alles abzulegen,
um jede Spur meines Standes zu verwi¬
schen. Nur darinn fand ich Trost für mein
Gemüth, daß ich mein ganzes Leben als aus¬
gelebt möcht' ich sagen, als überstanden an¬
sah, und nun in ein neues Seyn so eintrat,
als belebe ein geistiges Prinzip die neue Ge¬
stalt, von der überbaut selbst die Erinnerung

bung im Gehen an. Der kleine Friſeur hat¬
te mir einen richtigen Fingerzeig gegeben.
Den Moͤnchen iſt eine gewiſſe ſchwerfaͤllige
ungelenke Geſchwindigkeit im Gehen eigen,
die durch die lange Kleidung, welche die
Schritte hemmt und durch das Streben, ſich
ſchnell zu bewegen, wie es der Cultus erfor¬
dert, hervorgebracht wird. Eben ſo liegt in
dem zuruͤckgebeugten Koͤrper und in dem
Tragen der Aerme, die niemals herunter¬
haͤngen duͤrfen, da der Moͤnch die Haͤnde,
wenn er ſie nicht faltet in die weiten Aer¬
mel der Kutte ſteckt, etwas ſo Charakteriſti¬
ſches, das dem Aufmerkſamen nicht leicht
entgeht. Ich verſuchte dies Alles abzulegen,
um jede Spur meines Standes zu verwi¬
ſchen. Nur darinn fand ich Troſt fuͤr mein
Gemuͤth, daß ich mein ganzes Leben als aus¬
gelebt moͤcht' ich ſagen, als uͤberſtanden an¬
ſah, und nun in ein neues Seyn ſo eintrat,
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[216/0232] bung im Gehen an. Der kleine Friſeur hat¬ te mir einen richtigen Fingerzeig gegeben. Den Moͤnchen iſt eine gewiſſe ſchwerfaͤllige ungelenke Geſchwindigkeit im Gehen eigen, die durch die lange Kleidung, welche die Schritte hemmt und durch das Streben, ſich ſchnell zu bewegen, wie es der Cultus erfor¬ dert, hervorgebracht wird. Eben ſo liegt in dem zuruͤckgebeugten Koͤrper und in dem Tragen der Aerme, die niemals herunter¬ haͤngen duͤrfen, da der Moͤnch die Haͤnde, wenn er ſie nicht faltet in die weiten Aer¬ mel der Kutte ſteckt, etwas ſo Charakteriſti¬ ſches, das dem Aufmerkſamen nicht leicht entgeht. Ich verſuchte dies Alles abzulegen, um jede Spur meines Standes zu verwi¬ ſchen. Nur darinn fand ich Troſt fuͤr mein Gemuͤth, daß ich mein ganzes Leben als aus¬ gelebt moͤcht' ich ſagen, als uͤberſtanden an¬ ſah, und nun in ein neues Seyn ſo eintrat, als belebe ein geiſtiges Prinzip die neue Ge¬ ſtalt, von der uͤberbaut ſelbſt die Erinnerung

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/232>, abgerufen am 30.04.2024.