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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816.

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Wahrheit meiner Reue erkennen. Fern von
mir ist der Gedanke schnöder Heuchelei, fern
von mir jede ehrgeizige Absicht, das Volk
zu täuschen auf verruchte Weise. -- Ver¬
gönnt es dem büßenden Mönche, o hochhei¬
liger Herr! daß er in kurzen Worten sein
verbrecherisches Leben, aber auch das, was
er in der tiefsten Reue und Zerknirschung
begonnen, Euch enthülle!" -- So fing ich an,
und erzählte nun, ohne Namen zu nen¬
nen und so gedrängt als möglich, meinen
ganzen Lebenslauf. Aufmerksamer und auf¬
merksamer wurde der Pabst. Er setzte sich
in den Lehnstuhl, und stützte den Kopf in
die Hand; er sah zur Erde nieder, dann fuhr
er plötzlich in die Höhe; die Hände über
einander geschlagen und mit dem rechten Fuß
ausschreitend, als wolle er auf mich zutre¬
ten, starrte er mich an mit glühenden Au¬
gen. Als ich geendet, setzte er sich aufs neue.
"Eure Geschichte, Mönch Medardus! fing
er an: ist die verwunderlichste die ich je¬

mals

Wahrheit meiner Reue erkennen. Fern von
mir iſt der Gedanke ſchnoͤder Heuchelei, fern
von mir jede ehrgeizige Abſicht, das Volk
zu taͤuſchen auf verruchte Weiſe. — Ver¬
goͤnnt es dem buͤßenden Moͤnche, o hochhei¬
liger Herr! daß er in kurzen Worten ſein
verbrecheriſches Leben, aber auch das, was
er in der tiefſten Reue und Zerknirſchung
begonnen, Euch enthuͤlle!“ — So fing ich an,
und erzaͤhlte nun, ohne Namen zu nen¬
nen und ſo gedraͤngt als moͤglich, meinen
ganzen Lebenslauf. Aufmerkſamer und auf¬
merkſamer wurde der Pabſt. Er ſetzte ſich
in den Lehnſtuhl, und ſtuͤtzte den Kopf in
die Hand; er ſah zur Erde nieder, dann fuhr
er ploͤtzlich in die Hoͤhe; die Haͤnde uͤber
einander geſchlagen und mit dem rechten Fuß
ausſchreitend, als wolle er auf mich zutre¬
ten, ſtarrte er mich an mit gluͤhenden Au¬
gen. Als ich geendet, ſetzte er ſich aufs neue.
„Eure Geſchichte, Moͤnch Medardus! fing
er an: iſt die verwunderlichſte die ich je¬

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[256/0264] Wahrheit meiner Reue erkennen. Fern von mir iſt der Gedanke ſchnoͤder Heuchelei, fern von mir jede ehrgeizige Abſicht, das Volk zu taͤuſchen auf verruchte Weiſe. — Ver¬ goͤnnt es dem buͤßenden Moͤnche, o hochhei¬ liger Herr! daß er in kurzen Worten ſein verbrecheriſches Leben, aber auch das, was er in der tiefſten Reue und Zerknirſchung begonnen, Euch enthuͤlle!“ — So fing ich an, und erzaͤhlte nun, ohne Namen zu nen¬ nen und ſo gedraͤngt als moͤglich, meinen ganzen Lebenslauf. Aufmerkſamer und auf¬ merkſamer wurde der Pabſt. Er ſetzte ſich in den Lehnſtuhl, und ſtuͤtzte den Kopf in die Hand; er ſah zur Erde nieder, dann fuhr er ploͤtzlich in die Hoͤhe; die Haͤnde uͤber einander geſchlagen und mit dem rechten Fuß ausſchreitend, als wolle er auf mich zutre¬ ten, ſtarrte er mich an mit gluͤhenden Au¬ gen. Als ich geendet, ſetzte er ſich aufs neue. „Eure Geſchichte, Moͤnch Medardus! fing er an: iſt die verwunderlichſte die ich je¬ mals

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/264>, abgerufen am 14.05.2024.