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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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unterdessen in der Stube und ließen sich den
Wein wohl schmecken, bis ihnen das Mahl auf¬
getragen wurde. Der Morgen fing schon an zu
dämmern als der verhaßte Denner erschien;
nun wurden die Kisten und Felleisen, die sie auf
ihren Packpferden mitgebracht hatten, geöffnet.
Giorgina hörte, wie sie vieles Geld zählten
und wie die Silbergeschirre klirrten; es schien alles
verzeichnet zu werden. Endlich als es schon lich¬
ter Tag geworden, brachen die Räuber auf, nur
Denner blieb zurück. Er nahm eine freundliche
leutselige Miene an, und sprach zu Giorgina:
"Ihr seid wohl recht erschreckt worden, liebe Frau;
denn Euer Mann scheint Euch nicht gesagt zu
haben, daß er schon seit geraumer Zeit unser
Camerad geworden. Es thut mir in der That leid,
daß er nicht zu Hause gekommen ist; er muß
einen andern Weg eingeschlagen und uns verfehlt
haben. Er war mit uns auf dem Schlosse des
Bösewichts, des Grafen von Vach, der uns
vor zwei Jahren auf alle nur mögliche Weise

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unterdeſſen in der Stube und ließen ſich den
Wein wohl ſchmecken, bis ihnen das Mahl auf¬
getragen wurde. Der Morgen fing ſchon an zu
daͤmmern als der verhaßte Denner erſchien;
nun wurden die Kiſten und Felleiſen, die ſie auf
ihren Packpferden mitgebracht hatten, geoͤffnet.
Giorgina hoͤrte, wie ſie vieles Geld zaͤhlten
und wie die Silbergeſchirre klirrten; es ſchien alles
verzeichnet zu werden. Endlich als es ſchon lich¬
ter Tag geworden, brachen die Raͤuber auf, nur
Denner blieb zuruͤck. Er nahm eine freundliche
leutſelige Miene an, und ſprach zu Giorgina:
„Ihr ſeid wohl recht erſchreckt worden, liebe Frau;
denn Euer Mann ſcheint Euch nicht geſagt zu
haben, daß er ſchon ſeit geraumer Zeit unſer
Camerad geworden. Es thut mir in der That leid,
daß er nicht zu Hauſe gekommen iſt; er muß
einen andern Weg eingeſchlagen und uns verfehlt
haben. Er war mit uns auf dem Schloſſe des
Boͤſewichts, des Grafen von Vach, der uns
vor zwei Jahren auf alle nur moͤgliche Weiſe

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[145/0153] unterdeſſen in der Stube und ließen ſich den Wein wohl ſchmecken, bis ihnen das Mahl auf¬ getragen wurde. Der Morgen fing ſchon an zu daͤmmern als der verhaßte Denner erſchien; nun wurden die Kiſten und Felleiſen, die ſie auf ihren Packpferden mitgebracht hatten, geoͤffnet. Giorgina hoͤrte, wie ſie vieles Geld zaͤhlten und wie die Silbergeſchirre klirrten; es ſchien alles verzeichnet zu werden. Endlich als es ſchon lich¬ ter Tag geworden, brachen die Raͤuber auf, nur Denner blieb zuruͤck. Er nahm eine freundliche leutſelige Miene an, und ſprach zu Giorgina: „Ihr ſeid wohl recht erſchreckt worden, liebe Frau; denn Euer Mann ſcheint Euch nicht geſagt zu haben, daß er ſchon ſeit geraumer Zeit unſer Camerad geworden. Es thut mir in der That leid, daß er nicht zu Hauſe gekommen iſt; er muß einen andern Weg eingeſchlagen und uns verfehlt haben. Er war mit uns auf dem Schloſſe des Boͤſewichts, des Grafen von Vach, der uns vor zwei Jahren auf alle nur moͤgliche Weiſe K

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/153>, abgerufen am 01.05.2024.