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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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"Ach lieber Herr!" schrie Andres auf im höch¬
sten Jammer, "so wahr Gott im Himmel lebt,
so wie ich dereinst selig zu sterben hoffe, ich bin
unschuldig. Ihr habt mich ja gekannt von früher
Jugend her; wie sollte ich, der ich niemals Un¬
rechtes gethan, solch ein abscheulicher Bösewicht
geworden seyn? -- denn ich weiß wohl, daß Ihr
mich für einen verruchten Räuber und Theilneh¬
mer an der Frevelthat haltet, die auf dem Schlosse
meines geliebten unglücklichen Herrn verübt wor¬
den ist. Aber ich bin unschuldig bei meinem Le¬
ben und meiner Seligkeit!" "Nun" sagte der alte
Förster, "wenn Du unschuldig bist, so wird das
an den Tag kommen, mag auch noch so viel wi¬
der Dich sprechen. Deines Knaben und des Be¬
sitzthums, was Du zurücklässest, will ich mich ge¬
treulich annehmen, so daß, wenn Deine und
Deines Weibes Unschuld erwiesen, Du den Jun¬
gen frisch und munter und Deine Sachen unver¬
sehrt wiederfinden sollst." Das Geld nahm der
Commissarius des Gerichts in Beschlag. Unter¬

„Ach lieber Herr!“ ſchrie Andres auf im hoͤch¬
ſten Jammer, „ſo wahr Gott im Himmel lebt,
ſo wie ich dereinſt ſelig zu ſterben hoffe, ich bin
unſchuldig. Ihr habt mich ja gekannt von fruͤher
Jugend her; wie ſollte ich, der ich niemals Un¬
rechtes gethan, ſolch ein abſcheulicher Boͤſewicht
geworden ſeyn? — denn ich weiß wohl, daß Ihr
mich fuͤr einen verruchten Raͤuber und Theilneh¬
mer an der Frevelthat haltet, die auf dem Schloſſe
meines geliebten ungluͤcklichen Herrn veruͤbt wor¬
den iſt. Aber ich bin unſchuldig bei meinem Le¬
ben und meiner Seligkeit!“ „Nun“ ſagte der alte
Foͤrſter, „wenn Du unſchuldig biſt, ſo wird das
an den Tag kommen, mag auch noch ſo viel wi¬
der Dich ſprechen. Deines Knaben und des Be¬
ſitzthums, was Du zuruͤcklaͤſſeſt, will ich mich ge¬
treulich annehmen, ſo daß, wenn Deine und
Deines Weibes Unſchuld erwieſen, Du den Jun¬
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Commiſſarius des Gerichts in Beſchlag. Unter¬

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[152/0160] „Ach lieber Herr!“ ſchrie Andres auf im hoͤch¬ ſten Jammer, „ſo wahr Gott im Himmel lebt, ſo wie ich dereinſt ſelig zu ſterben hoffe, ich bin unſchuldig. Ihr habt mich ja gekannt von fruͤher Jugend her; wie ſollte ich, der ich niemals Un¬ rechtes gethan, ſolch ein abſcheulicher Boͤſewicht geworden ſeyn? — denn ich weiß wohl, daß Ihr mich fuͤr einen verruchten Raͤuber und Theilneh¬ mer an der Frevelthat haltet, die auf dem Schloſſe meines geliebten ungluͤcklichen Herrn veruͤbt wor¬ den iſt. Aber ich bin unſchuldig bei meinem Le¬ ben und meiner Seligkeit!“ „Nun“ ſagte der alte Foͤrſter, „wenn Du unſchuldig biſt, ſo wird das an den Tag kommen, mag auch noch ſo viel wi¬ der Dich ſprechen. Deines Knaben und des Be¬ ſitzthums, was Du zuruͤcklaͤſſeſt, will ich mich ge¬ treulich annehmen, ſo daß, wenn Deine und Deines Weibes Unſchuld erwieſen, Du den Jun¬ gen friſch und munter und Deine Sachen unver¬ ſehrt wiederfinden ſollſt.“ Das Geld nahm der Commiſſarius des Gerichts in Beſchlag. Unter¬

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/160>, abgerufen am 01.05.2024.