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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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lachte die Gestalt, daß es im Kerker widergellte,
und verschwand im dicken Dampf. Andres er¬
wachte endlich aus dumpfer Betäubung, er ver¬
mochte sich aufzurichten vom Lager; aber wie ward
ihm, als er sah, daß das Stroh, was unter
seinem Haupte gelegen, sich stärker und stärker
zu rühren begann und endlich weggeschoben wurde.
Er gewahrte, daß ein Stein aus dem Fußboden von
unten herausgedrängt worden und hörte mehrmals
seinen Namen leise rufen. Er erkannte Denner's
Stimme und sprach: "Was willst Du von mir?"
Laß mich ruhen, ich habe mit Dir nichts zu
schaffen! "Andres," sprach Denner, "ich
bin durch mehrere Gewölbe gedrungen, um Dich
zu retten; denn, wenn Du auf den Richtplatz
kommst, von dem ich errettet wurde, bist Du
verloren. Bloß um Deines Weibes willen, die
mir mehr angehört, als Du wohl denken magst,
helfe ich Dir. Du bist ein muthloser Feigling.
Was hat Dir nun Dein erbärmliches Läugnen
gefruchtet? Blos, daß Du vom Vachschen

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lachte die Geſtalt, daß es im Kerker widergellte,
und verſchwand im dicken Dampf. Andres er¬
wachte endlich aus dumpfer Betaͤubung, er ver¬
mochte ſich aufzurichten vom Lager; aber wie ward
ihm, als er ſah, daß das Stroh, was unter
ſeinem Haupte gelegen, ſich ſtaͤrker und ſtaͤrker
zu ruͤhren begann und endlich weggeſchoben wurde.
Er gewahrte, daß ein Stein aus dem Fußboden von
unten herausgedraͤngt worden und hoͤrte mehrmals
ſeinen Namen leiſe rufen. Er erkannte Denner's
Stimme und ſprach: „Was willſt Du von mir?“
Laß mich ruhen, ich habe mit Dir nichts zu
ſchaffen! „Andres,“ ſprach Denner, „ich
bin durch mehrere Gewoͤlbe gedrungen, um Dich
zu retten; denn, wenn Du auf den Richtplatz
kommſt, von dem ich errettet wurde, biſt Du
verloren. Bloß um Deines Weibes willen, die
mir mehr angehoͤrt, als Du wohl denken magſt,
helfe ich Dir. Du biſt ein muthloſer Feigling.
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[163/0171] lachte die Geſtalt, daß es im Kerker widergellte, und verſchwand im dicken Dampf. Andres er¬ wachte endlich aus dumpfer Betaͤubung, er ver¬ mochte ſich aufzurichten vom Lager; aber wie ward ihm, als er ſah, daß das Stroh, was unter ſeinem Haupte gelegen, ſich ſtaͤrker und ſtaͤrker zu ruͤhren begann und endlich weggeſchoben wurde. Er gewahrte, daß ein Stein aus dem Fußboden von unten herausgedraͤngt worden und hoͤrte mehrmals ſeinen Namen leiſe rufen. Er erkannte Denner's Stimme und ſprach: „Was willſt Du von mir?“ Laß mich ruhen, ich habe mit Dir nichts zu ſchaffen! „Andres,“ ſprach Denner, „ich bin durch mehrere Gewoͤlbe gedrungen, um Dich zu retten; denn, wenn Du auf den Richtplatz kommſt, von dem ich errettet wurde, biſt Du verloren. Bloß um Deines Weibes willen, die mir mehr angehoͤrt, als Du wohl denken magſt, helfe ich Dir. Du biſt ein muthloſer Feigling. Was hat Dir nun Dein erbaͤrmliches Laͤugnen gefruchtet? Blos, daß Du vom Vachſchen L 2

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/171>, abgerufen am 01.05.2024.