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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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Schloß nicht zu rechter Zeit nach Hause zurück¬
kehrtest und ich mich zu lange bei Deinem Weibe
aufhielt, ist Schuld, daß man mich auffing.
Da! -- nimm die Feile und die Säge, befreie
Dich in künftiger Nacht von den Ketten und durch¬
säge das Schloß der Kerkerthüre; schleiche durch
den Gang! Die äußere Thür linker Hand wird
offen stehn, und draußen wirst Du einen von uns
finden, der Dich weiter geleitet. Halte Dich
gut!" Andres nahm die Säge und die Feile,
die ihm Denner hineinreichte und hob dann
den Stein wieder in die Oeffnung. Er war ent¬
schlossen, das zu thun, wozu ihn die innere
Stimme des Gewissens aufforderte. -- Als es
Tag geworden und der Gefangenwärter hineintrat,
da sagte er, wie er sehnlich wünsche vor den
Richter geführt zu werden, indem er Wichtiges zu
entdecken habe. Noch an demselben Vormittage
wurde sein Verlangen erfüllt, weil man nicht
anders glaubte, als daß Andres neue, bisher noch
unbekannt gebliebene, Frevelthaten der Bande ge¬

Schloß nicht zu rechter Zeit nach Hauſe zuruͤck¬
kehrteſt und ich mich zu lange bei Deinem Weibe
aufhielt, iſt Schuld, daß man mich auffing.
Da! — nimm die Feile und die Saͤge, befreie
Dich in kuͤnftiger Nacht von den Ketten und durch¬
ſaͤge das Schloß der Kerkerthuͤre; ſchleiche durch
den Gang! Die aͤußere Thuͤr linker Hand wird
offen ſtehn, und draußen wirſt Du einen von uns
finden, der Dich weiter geleitet. Halte Dich
gut!“ Andres nahm die Saͤge und die Feile,
die ihm Denner hineinreichte und hob dann
den Stein wieder in die Oeffnung. Er war ent¬
ſchloſſen, das zu thun, wozu ihn die innere
Stimme des Gewiſſens aufforderte. — Als es
Tag geworden und der Gefangenwaͤrter hineintrat,
da ſagte er, wie er ſehnlich wuͤnſche vor den
Richter gefuͤhrt zu werden, indem er Wichtiges zu
entdecken habe. Noch an demſelben Vormittage
wurde ſein Verlangen erfuͤllt, weil man nicht
anders glaubte, als daß Andres neue, bisher noch
unbekannt gebliebene, Frevelthaten der Bande ge¬

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[164/0172] Schloß nicht zu rechter Zeit nach Hauſe zuruͤck¬ kehrteſt und ich mich zu lange bei Deinem Weibe aufhielt, iſt Schuld, daß man mich auffing. Da! — nimm die Feile und die Saͤge, befreie Dich in kuͤnftiger Nacht von den Ketten und durch¬ ſaͤge das Schloß der Kerkerthuͤre; ſchleiche durch den Gang! Die aͤußere Thuͤr linker Hand wird offen ſtehn, und draußen wirſt Du einen von uns finden, der Dich weiter geleitet. Halte Dich gut!“ Andres nahm die Saͤge und die Feile, die ihm Denner hineinreichte und hob dann den Stein wieder in die Oeffnung. Er war ent¬ ſchloſſen, das zu thun, wozu ihn die innere Stimme des Gewiſſens aufforderte. — Als es Tag geworden und der Gefangenwaͤrter hineintrat, da ſagte er, wie er ſehnlich wuͤnſche vor den Richter gefuͤhrt zu werden, indem er Wichtiges zu entdecken habe. Noch an demſelben Vormittage wurde ſein Verlangen erfuͤllt, weil man nicht anders glaubte, als daß Andres neue, bisher noch unbekannt gebliebene, Frevelthaten der Bande ge¬

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/172>, abgerufen am 01.05.2024.