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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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Lüge auspreßte. Er rief Gott und die Heiligen
an, die Wahrheit seiner Aussage und seine gänz¬
liche Unschuld an dem Tode des geliebten Herrn
zu bekräftigen.

"So ist hier," fuhr der Graf von Vach fort,
"ein unerklärliches Geheimniß im Spiele. Ich
selbst, Andres, war von Deiner Unschuld über¬
zeugt, unerachtet vieles wider Dich sprach; denn
ich wußte ja, daß Du von Jugend auf der treuste
Diener meines Oheims gewesen bist, und ihn
selbst einmal in Neapel mit Gefahr Deines Le¬
bens aus Räuberhänden errettet hast. Allein nur
noch gestern haben mir die beiden alten Jäger
meines Oheims Franz und Nikolaus geschwo¬
ren, daß sie Dich leibhaftig unter den Räubern
gesehen und genau bemerkt hätten, wie Du selbst
meinen Oheim niederstrecktest." Andres wurde
von den peinlichsten, schrecklichsten Gefühlen durch¬
bohrt; es war ihm, als wenn der Satan selbst seine
Gestalt angenommen habe, um ihn zu verderben;
denn auch Denner hatte ja sogar im Kerker davon

Luͤge auspreßte. Er rief Gott und die Heiligen
an, die Wahrheit ſeiner Ausſage und ſeine gaͤnz¬
liche Unſchuld an dem Tode des geliebten Herrn
zu bekraͤftigen.

„So iſt hier,“ fuhr der Graf von Vach fort,
„ein unerklaͤrliches Geheimniß im Spiele. Ich
ſelbſt, Andres, war von Deiner Unſchuld uͤber¬
zeugt, unerachtet vieles wider Dich ſprach; denn
ich wußte ja, daß Du von Jugend auf der treuſte
Diener meines Oheims geweſen biſt, und ihn
ſelbſt einmal in Neapel mit Gefahr Deines Le¬
bens aus Raͤuberhaͤnden errettet haſt. Allein nur
noch geſtern haben mir die beiden alten Jaͤger
meines Oheims Franz und Nikolaus geſchwo¬
ren, daß ſie Dich leibhaftig unter den Raͤubern
geſehen und genau bemerkt haͤtten, wie Du ſelbſt
meinen Oheim niederſtreckteſt.“ Andres wurde
von den peinlichſten, ſchrecklichſten Gefuͤhlen durch¬
bohrt; es war ihm, als wenn der Satan ſelbſt ſeine
Geſtalt angenommen habe, um ihn zu verderben;
denn auch Denner hatte ja ſogar im Kerker davon

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[168/0176] Luͤge auspreßte. Er rief Gott und die Heiligen an, die Wahrheit ſeiner Ausſage und ſeine gaͤnz¬ liche Unſchuld an dem Tode des geliebten Herrn zu bekraͤftigen. „So iſt hier,“ fuhr der Graf von Vach fort, „ein unerklaͤrliches Geheimniß im Spiele. Ich ſelbſt, Andres, war von Deiner Unſchuld uͤber¬ zeugt, unerachtet vieles wider Dich ſprach; denn ich wußte ja, daß Du von Jugend auf der treuſte Diener meines Oheims geweſen biſt, und ihn ſelbſt einmal in Neapel mit Gefahr Deines Le¬ bens aus Raͤuberhaͤnden errettet haſt. Allein nur noch geſtern haben mir die beiden alten Jaͤger meines Oheims Franz und Nikolaus geſchwo¬ ren, daß ſie Dich leibhaftig unter den Raͤubern geſehen und genau bemerkt haͤtten, wie Du ſelbſt meinen Oheim niederſtreckteſt.“ Andres wurde von den peinlichſten, ſchrecklichſten Gefuͤhlen durch¬ bohrt; es war ihm, als wenn der Satan ſelbſt ſeine Geſtalt angenommen habe, um ihn zu verderben; denn auch Denner hatte ja ſogar im Kerker davon

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/176>, abgerufen am 30.04.2024.