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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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schuld des Angeklagten. Man führe ihn sogleich
nach dem Gefängnisse zurück." Denner hatte
alles von der Leiter herab ruhig angesehen; als
aber der Richter diese Worte gesprochen, da rollten
seine glühenden Augen, er knirschte mit den Zäh¬
nen, er heulte in wilder Verzweiflung, daß es
gräßlich, wie der namenlose Jammer des wüthenden
Wahnsinns, durch die Lüfte hallte: "Satan,
Satan! Du hast mich betrogen -- weh mir!
weh mir! es ist aus -- aus -- Alles verloren!"
Man brachte ihn von der Leiter herab, er fiel
zu Boden und röchelte dumpf: "ich will alles be¬
kennen -- ich will alles bekennen!" Auch seine
Hinrichtung wurde verschoben und er ins Gefäng¬
niß zurückgeführt, wo ihm jedes Entspringen
unmöglich gemacht worden. Der Haß seiner
Wächter war die beste Schutzwehr gegen die
Schlauheit seiner Verbündeten. -- Wenige Au¬
genblicke nachher, als Andres bei dem Gefan¬
genwärter angekommen, lag Giorgina in sei¬
nen Armen. "Ach Andres, Andres," rief

ſchuld des Angeklagten. Man fuͤhre ihn ſogleich
nach dem Gefaͤngniſſe zuruͤck.“ Denner hatte
alles von der Leiter herab ruhig angeſehen; als
aber der Richter dieſe Worte geſprochen, da rollten
ſeine gluͤhenden Augen, er knirſchte mit den Zaͤh¬
nen, er heulte in wilder Verzweiflung, daß es
graͤßlich, wie der namenloſe Jammer des wuͤthenden
Wahnſinns, durch die Luͤfte hallte: „Satan,
Satan! Du haſt mich betrogen — weh mir!
weh mir! es iſt aus — aus — Alles verloren!“
Man brachte ihn von der Leiter herab, er fiel
zu Boden und roͤchelte dumpf: „ich will alles be¬
kennen — ich will alles bekennen!“ Auch ſeine
Hinrichtung wurde verſchoben und er ins Gefaͤng¬
niß zuruͤckgefuͤhrt, wo ihm jedes Entſpringen
unmoͤglich gemacht worden. Der Haß ſeiner
Waͤchter war die beſte Schutzwehr gegen die
Schlauheit ſeiner Verbuͤndeten. — Wenige Au¬
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[172/0180] ſchuld des Angeklagten. Man fuͤhre ihn ſogleich nach dem Gefaͤngniſſe zuruͤck.“ Denner hatte alles von der Leiter herab ruhig angeſehen; als aber der Richter dieſe Worte geſprochen, da rollten ſeine gluͤhenden Augen, er knirſchte mit den Zaͤh¬ nen, er heulte in wilder Verzweiflung, daß es graͤßlich, wie der namenloſe Jammer des wuͤthenden Wahnſinns, durch die Luͤfte hallte: „Satan, Satan! Du haſt mich betrogen — weh mir! weh mir! es iſt aus — aus — Alles verloren!“ Man brachte ihn von der Leiter herab, er fiel zu Boden und roͤchelte dumpf: „ich will alles be¬ kennen — ich will alles bekennen!“ Auch ſeine Hinrichtung wurde verſchoben und er ins Gefaͤng¬ niß zuruͤckgefuͤhrt, wo ihm jedes Entſpringen unmoͤglich gemacht worden. Der Haß ſeiner Waͤchter war die beſte Schutzwehr gegen die Schlauheit ſeiner Verbuͤndeten. — Wenige Au¬ genblicke nachher, als Andres bei dem Gefan¬ genwaͤrter angekommen, lag Giorgina in ſei¬ nen Armen. „Ach Andres, Andres,“ rief

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/180>, abgerufen am 01.05.2024.