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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 4. Leipzig, 1708.

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Galante und
Roselinde und Sophronille bekla-
gen ihren einsamen Zustand.
C. H. v. H.
MAn weiß nicht was man wil/und wil nicht was man weiß/
Der sinnen uhrwerck wil verwirret in uns gehen/
Der erden sanffte bahn ist spiegel-glattes eis/
Da auch ein amboß nicht kan ohne gleiten stehen.
Was hilfft uns wohl für raht? soll denn das bittre ziel
Der faulen einsamkeit noch länger uns umschlingen?
Treibt das verhängniß denn mit uns nur possenspiel/
Daß frische bäume auch fast todte Knospen bringen?
Der glatte männer-mund schwatzt prächtig uns was vor/
Und Roselinde solls mit Sophronillen glauben/
Doch gönnt man ihnen nur das auge/ nicht das ohr/
Und setzt zum gegensatz auf schrauben wieder schrauben.
Des himmels reiche gunst macht unsern glantz berühmt/
Der worte schmincke schminckt umsonst die reinen glieders
Der Jahre Frühling ists/ der geist und leib beblühmt/
Dafür das alterthum den morschen leib legt nieder/
Der Türckis pralt um uns: die Perl beperlt die Brust:
Die lippen gleichen sich verzuckerten Corallen:
Und der beschneite hals erwecket eine lust/
Die auch den Göttern selbst vor andern muß gefallen:
Hier zeigt der zähne pracht das reine Helffenbein:
Vergoldte Faden sind auf unserm haupt die haare:
Der stirne breites feld trägt weissen Marmelstein:
Rubinen-schmuck beschmückt der brüste theure waare:
Die adern sind voll treu/ nicht minder als von blut:
Es blitzt der augenblitz: die holden wangen lachen:
Die wangen ohne falsch/ auf denen Schnee und glut
Mit keuschem freundlich-seyn zusammen hochzeit machen.
Was aber sagen wir von hochzeit machen viel?
Was nutzt der Rosen-haubt wenn seine Blätter fallen?
Was dient dem lichte licht? der scheibe selbst ein ziel?
Was
Galante und
Roſelinde und Sophronille bekla-
gen ihren einſamen Zuſtand.
C. H. v. H.
MAn weiß nicht was man wil/und wil nicht was man weiß/
Der ſinnen uhrwerck wil verwirret in uns gehen/
Der erden ſanffte bahn iſt ſpiegel-glattes eis/
Da auch ein amboß nicht kan ohne gleiten ſtehen.
Was hilfft uns wohl fuͤr raht? ſoll denn das bittre ziel
Der faulen einſamkeit noch laͤnger uns umſchlingen?
Treibt das verhaͤngniß denn mit uns nur poſſenſpiel/
Daß friſche baͤume auch faſt todte Knoſpen bringen?
Der glatte maͤnner-mund ſchwatzt praͤchtig uns was vor/
Und Roſelinde ſolls mit Sophronillen glauben/
Doch goͤnnt man ihnen nur das auge/ nicht das ohr/
Und ſetzt zum gegenſatz auf ſchrauben wieder ſchrauben.
Des himmels reiche gunſt macht unſern glantz beruͤhmt/
Der worte ſchmincke ſchminckt umſonſt die reinen glieders
Der Jahre Fruͤhling iſts/ der geiſt und leib bebluͤhmt/
Dafuͤr das alterthum den morſchen leib legt nieder/
Der Tuͤrckis pralt um uns: die Perl beperlt die Bruſt:
Die lippen gleichen ſich verzuckerten Corallen:
Und der beſchneite hals erwecket eine luſt/
Die auch den Goͤttern ſelbſt vor andern muß gefallen:
Hier zeigt der zaͤhne pracht das reine Helffenbein:
Vergoldte Faden ſind auf unſerm haupt die haare:
Der ſtirne breites feld traͤgt weiſſen Marmelſtein:
Rubinen-ſchmuck beſchmuͤckt der bruͤſte theure waare:
Die adern ſind voll treu/ nicht minder als von blut:
Es blitzt der augenblitz: die holden wangen lachen:
Die wangen ohne falſch/ auf denen Schnee und glut
Mit keuſchem freundlich-ſeyn zuſammen hochzeit machen.
Was aber ſagen wir von hochzeit machen viel?
Was nutzt der Roſen-haubt wenn ſeine Blaͤtter fallen?
Was dient dem lichte licht? der ſcheibe ſelbſt ein ziel?
Was
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[2/0004] Galante und Roſelinde und Sophronille bekla- gen ihren einſamen Zuſtand. C. H. v. H. MAn weiß nicht was man wil/und wil nicht was man weiß/ Der ſinnen uhrwerck wil verwirret in uns gehen/ Der erden ſanffte bahn iſt ſpiegel-glattes eis/ Da auch ein amboß nicht kan ohne gleiten ſtehen. Was hilfft uns wohl fuͤr raht? ſoll denn das bittre ziel Der faulen einſamkeit noch laͤnger uns umſchlingen? Treibt das verhaͤngniß denn mit uns nur poſſenſpiel/ Daß friſche baͤume auch faſt todte Knoſpen bringen? Der glatte maͤnner-mund ſchwatzt praͤchtig uns was vor/ Und Roſelinde ſolls mit Sophronillen glauben/ Doch goͤnnt man ihnen nur das auge/ nicht das ohr/ Und ſetzt zum gegenſatz auf ſchrauben wieder ſchrauben. Des himmels reiche gunſt macht unſern glantz beruͤhmt/ Der worte ſchmincke ſchminckt umſonſt die reinen glieders Der Jahre Fruͤhling iſts/ der geiſt und leib bebluͤhmt/ Dafuͤr das alterthum den morſchen leib legt nieder/ Der Tuͤrckis pralt um uns: die Perl beperlt die Bruſt: Die lippen gleichen ſich verzuckerten Corallen: Und der beſchneite hals erwecket eine luſt/ Die auch den Goͤttern ſelbſt vor andern muß gefallen: Hier zeigt der zaͤhne pracht das reine Helffenbein: Vergoldte Faden ſind auf unſerm haupt die haare: Der ſtirne breites feld traͤgt weiſſen Marmelſtein: Rubinen-ſchmuck beſchmuͤckt der bruͤſte theure waare: Die adern ſind voll treu/ nicht minder als von blut: Es blitzt der augenblitz: die holden wangen lachen: Die wangen ohne falſch/ auf denen Schnee und glut Mit keuſchem freundlich-ſeyn zuſammen hochzeit machen. Was aber ſagen wir von hochzeit machen viel? Was nutzt der Roſen-haubt wenn ſeine Blaͤtter fallen? Was dient dem lichte licht? der ſcheibe ſelbſt ein ziel? Was

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 4. Leipzig, 1708, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte04_1708/4>, abgerufen am 26.04.2024.