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Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.

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Der Fünften Abhandlung

SO ward der Silvio, eh als er es gedacht/
Auf Unempfindligkeit mit Liebes-Garn ümsponnen.
So melde/ wie es doch nun der Dorind ergieng?

Linc. Sie ward bald in das Haus des Silvio gebracht/
Da mit vielen heissen Thränen seine Mutter sie empfing.
Jch hab es ungewiß geschätzt/
Ob ihr solche mehr aus Lust oder aus Betrübnis ronnen.
Sie befand sich zwar ergetzt/
Den Sohn verliebt und Bräutigam zu wissen.
Doch hieß der Nymfen schwere Pein
Sie nicht zum längsten frölich seyn.
Dann/ als Schwieger zweyer Schnuren muste sie zugleiche büssen:
Die eine war nach ihrer Meinung todt/
Und die andre lag für ihr angesprengt durch Todes-Noth.
Cor. Die Amarillis lebt ja nicht?
Linco. Es lautet der Bericht/
Sie solte heute sterben/
Und dieses hieß mich in den Tempel gehn/
Damit ich dem Montan bald gebe zu verstehn/
Daß er könt in seiner Wohnung eine neue Schnur erwerben.
Cor. Dorind ist dann nicht tod?
Linc. Wie todt? ich kan dir
schweren/
Du darffst nicht mehr als sie zu leben dir begehren.
Corisca. Hat sie dann nicht der Pfeil bis auf den Todt verwundt?
Linc. Ein Wehmuth-reiches Wort das machte sie gesund;
Und läge sie dem Todt auch albereit im Rachen/
So wüste Silvio sie lebendig zu machen.
Corisca. Wie hielt er sie so bald/ was brauchet er vor Sachen?
Linco. Es ist mir schlechte Müh
Dir solches kund zu thun. Es stund numehr üm sie
Viel Mann- und Weibes-Volck/ erwegend ihren Schmertzen/
Mit fertigen Händen und zitternden Hertzen.
Doch die Dorinda wolte/
Daß der Silvio alleine ihr die Wunde rühren solte;
Sie sprach/ die starcke Hand/ so mich mit scharffen Pfeilen
Bis auf den Todt verletzt/ vermag mich auch zu heilen.
Es kam darzu/ daß endlich sich
Niemand mehr üm sie befand/
Als
Der Fuͤnften Abhandlung

SO ward der Silvio, eh als er es gedacht/
Auf Unempfindligkeit mit Liebes-Garn uͤmſponnen.
So melde/ wie es doch nun der Dorind ergieng?

Linc. Sie ward bald in das Haus des Silvio gebracht/
Da mit vielen heiſſen Thraͤnen ſeine Mutter ſie empfing.
Jch hab es ungewiß geſchaͤtzt/
Ob ihr ſolche mehr aus Luſt oder aus Betruͤbnis ronnen.
Sie befand ſich zwar ergetzt/
Den Sohn verliebt und Braͤutigam zu wiſſen.
Doch hieß der Nymfen ſchwere Pein
Sie nicht zum laͤngſten froͤlich ſeyn.
Dann/ als Schwieger zweyer Schnuren muſte ſie zugleiche buͤſſen:
Die eine war nach ihrer Meinung todt/
Und die andre lag fuͤr ihr angeſprengt durch Todes-Noth.
Cor. Die Amarillis lebt ja nicht?
Linco. Es lautet der Bericht/
Sie ſolte heute ſterben/
Und dieſes hieß mich in den Tempel gehn/
Damit ich dem Montan bald gebe zu verſtehn/
Daß er koͤnt in ſeiner Wohnung eine neue Schnur erwerben.
Cor. Dorind iſt dann nicht tod?
Linc. Wie todt? ich kan dir
ſchweren/
Du darffſt nicht mehr als ſie zu leben dir begehren.
Coriſca. Hat ſie dann nicht der Pfeil bis auf den Todt verwundt?
Linc. Ein Wehmuth-reiches Wort das machte ſie geſund;
Und laͤge ſie dem Todt auch albereit im Rachen/
So wuͤſte Silvio ſie lebendig zu machen.
Coriſca. Wie hielt er ſie ſo bald/ was brauchet er vor Sachen?
Linco. Es iſt mir ſchlechte Muͤh
Dir ſolches kund zu thun. Es ſtund numehr uͤm ſie
Viel Mann- und Weibes-Volck/ erwegend ihren Schmertzen/
Mit fertigen Haͤnden und zitternden Hertzen.
Doch die Dorinda wolte/
Daß der Silvio alleine ihr die Wunde ruͤhren ſolte;
Sie ſprach/ die ſtarcke Hand/ ſo mich mit ſcharffen Pfeilen
Bis auf den Todt verletzt/ vermag mich auch zu heilen.
Es kam darzu/ daß endlich ſich
Niemand mehr uͤm ſie befand/
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[194/0240] Der Fuͤnften Abhandlung SO ward der Silvio, eh als er es gedacht/ Auf Unempfindligkeit mit Liebes-Garn uͤmſponnen. So melde/ wie es doch nun der Dorind ergieng? Linc. Sie ward bald in das Haus des Silvio gebracht/ Da mit vielen heiſſen Thraͤnen ſeine Mutter ſie empfing. Jch hab es ungewiß geſchaͤtzt/ Ob ihr ſolche mehr aus Luſt oder aus Betruͤbnis ronnen. Sie befand ſich zwar ergetzt/ Den Sohn verliebt und Braͤutigam zu wiſſen. Doch hieß der Nymfen ſchwere Pein Sie nicht zum laͤngſten froͤlich ſeyn. Dann/ als Schwieger zweyer Schnuren muſte ſie zugleiche buͤſſen: Die eine war nach ihrer Meinung todt/ Und die andre lag fuͤr ihr angeſprengt durch Todes-Noth. Cor. Die Amarillis lebt ja nicht? Linco. Es lautet der Bericht/ Sie ſolte heute ſterben/ Und dieſes hieß mich in den Tempel gehn/ Damit ich dem Montan bald gebe zu verſtehn/ Daß er koͤnt in ſeiner Wohnung eine neue Schnur erwerben. Cor. Dorind iſt dann nicht tod? Linc. Wie todt? ich kan dir ſchweren/ Du darffſt nicht mehr als ſie zu leben dir begehren. Coriſca. Hat ſie dann nicht der Pfeil bis auf den Todt verwundt? Linc. Ein Wehmuth-reiches Wort das machte ſie geſund; Und laͤge ſie dem Todt auch albereit im Rachen/ So wuͤſte Silvio ſie lebendig zu machen. Coriſca. Wie hielt er ſie ſo bald/ was brauchet er vor Sachen? Linco. Es iſt mir ſchlechte Muͤh Dir ſolches kund zu thun. Es ſtund numehr uͤm ſie Viel Mann- und Weibes-Volck/ erwegend ihren Schmertzen/ Mit fertigen Haͤnden und zitternden Hertzen. Doch die Dorinda wolte/ Daß der Silvio alleine ihr die Wunde ruͤhren ſolte; Sie ſprach/ die ſtarcke Hand/ ſo mich mit ſcharffen Pfeilen Bis auf den Todt verletzt/ vermag mich auch zu heilen. Es kam darzu/ daß endlich ſich Niemand mehr uͤm ſie befand/ Als

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Zitationshilfe: Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679/240>, abgerufen am 29.04.2024.