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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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großen Spiegelscheiben die Waaren aufs zierlichste
ausgestellt sind. Größere Häuser haben eiserne
Balustraden vor der Thür, hinter denen saubere
Bänke stehen. Außer dieser Aehnlichkeit mit Bern,
der soliden Bauart der Häuser, bei ihrer Klein-
heit -- denn viele haben nur drei Fenster in der
Breite -- habe ich manche Schweizersitte in Hol-
land wieder gefunden, und manche nationelle
Aehnlichkeit, die wohl unerklärlich ist, wenn wir,
gescheuten Leuten zu Folge, dem Klima so viel Ein-
fluß auf die Bildung der Menschen einräumen.
Die Schweizer standen immer in holländischen
Kriegsdiensten, aber eben so in französischen, in
spanischen -- warum nahmen sie von den Hollän-
dern so viel, von den andern Nationen so wenig
an? machte die Aehnlichkeit der Regierungsform
die Amalgamation mit ihren Sitten leichter, oder
war eine Grundähnlichkeit in ihrem Karakter vor-
handen? ich finde ihre Ansichtsweise, ihre Art zu
genießen, ihre Art sich fremdes anzueignen, oder
zu verwerfen, sehr übereinstimmend. Nur einen
großen Vortheil haben die Holländer voraus, eine
eigne Sprache, die sie mit Recht lieben, die sie
kultiviren, in der Volk und Gebildete sprechen,
der sie sich gegen den deutschen Sprachverwandten

G 2

großen Spiegelſcheiben die Waaren aufs zierlichſte
ausgeſtellt ſind. Groͤßere Haͤuſer haben eiſerne
Baluſtraden vor der Thuͤr, hinter denen ſaubere
Baͤnke ſtehen. Außer dieſer Aehnlichkeit mit Bern,
der ſoliden Bauart der Haͤuſer, bei ihrer Klein-
heit — denn viele haben nur drei Fenſter in der
Breite — habe ich manche Schweizerſitte in Hol-
land wieder gefunden, und manche nationelle
Aehnlichkeit, die wohl unerklaͤrlich iſt, wenn wir,
geſcheuten Leuten zu Folge, dem Klima ſo viel Ein-
fluß auf die Bildung der Menſchen einraͤumen.
Die Schweizer ſtanden immer in hollaͤndiſchen
Kriegsdienſten, aber eben ſo in franzoͤſiſchen, in
ſpaniſchen — warum nahmen ſie von den Hollaͤn-
dern ſo viel, von den andern Nationen ſo wenig
an? machte die Aehnlichkeit der Regierungsform
die Amalgamation mit ihren Sitten leichter, oder
war eine Grundaͤhnlichkeit in ihrem Karakter vor-
handen? ich finde ihre Anſichtsweiſe, ihre Art zu
genießen, ihre Art ſich fremdes anzueignen, oder
zu verwerfen, ſehr uͤbereinſtimmend. Nur einen
großen Vortheil haben die Hollaͤnder voraus, eine
eigne Sprache, die ſie mit Recht lieben, die ſie
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[99/0113] großen Spiegelſcheiben die Waaren aufs zierlichſte ausgeſtellt ſind. Groͤßere Haͤuſer haben eiſerne Baluſtraden vor der Thuͤr, hinter denen ſaubere Baͤnke ſtehen. Außer dieſer Aehnlichkeit mit Bern, der ſoliden Bauart der Haͤuſer, bei ihrer Klein- heit — denn viele haben nur drei Fenſter in der Breite — habe ich manche Schweizerſitte in Hol- land wieder gefunden, und manche nationelle Aehnlichkeit, die wohl unerklaͤrlich iſt, wenn wir, geſcheuten Leuten zu Folge, dem Klima ſo viel Ein- fluß auf die Bildung der Menſchen einraͤumen. Die Schweizer ſtanden immer in hollaͤndiſchen Kriegsdienſten, aber eben ſo in franzoͤſiſchen, in ſpaniſchen — warum nahmen ſie von den Hollaͤn- dern ſo viel, von den andern Nationen ſo wenig an? machte die Aehnlichkeit der Regierungsform die Amalgamation mit ihren Sitten leichter, oder war eine Grundaͤhnlichkeit in ihrem Karakter vor- handen? ich finde ihre Anſichtsweiſe, ihre Art zu genießen, ihre Art ſich fremdes anzueignen, oder zu verwerfen, ſehr uͤbereinſtimmend. Nur einen großen Vortheil haben die Hollaͤnder voraus, eine eigne Sprache, die ſie mit Recht lieben, die ſie kultiviren, in der Volk und Gebildete ſprechen, der ſie ſich gegen den deutſchen Sprachverwandten G 2

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/113>, abgerufen am 29.04.2024.