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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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stet oder nicht. Ihr Trauerspiel ist ganz nach dem
Muster des französischen in Alexandrinern gedich-
tet, welches ihnen bei ihrer reichen Sprache, und
der wunderbaren Freiheit, Worte zusammen zu
ziehen und abzukürzen, sehr leicht wird -- auch
noch durch den Umstand, daß sie viel weniger wie
wir an edeln und unedeln Ausdrücken mäkeln, wo-
durch der Geschmack endlich eine so kränkliche Zart-
heit erhalten kann, daß er das Gemüth wahrhaft
quält, indem er die Empfindung durch das Ge-
ringfügigste stört. Ich spreche hier nicht von den
heillosen Reminiscenzen, die den Deutschen bei
der holländischen Sprache aufschrecken, sondern
von der Berechtigung oder Gewohnheit der hollän-
dischen Dichter gleiche Worte, wie der Ausrufer,
oder die Kindermuhme zu brauchen. In den mei-
sten Fällen glaube ich, daß dieser Gebrauch heil-
sam ist, indem er die Energie der Sprache erhält,
und ich möchte sogar meinen, daß diese Störung
-- wäre der Dichter übrigens im Stande Begei-
sterung zu erregen -- gar nicht eintreten würde.
Das Süjet des Original-Trauerspiels ist oft aus
der vaterländischen Geschichte genommen -- und
welchen Reichthum schöner Züge, würdig den En-
keln zum Beispiel aufgestellt zu werden, enthält

ſtet oder nicht. Ihr Trauerſpiel iſt ganz nach dem
Muſter des franzoͤſiſchen in Alexandrinern gedich-
tet, welches ihnen bei ihrer reichen Sprache, und
der wunderbaren Freiheit, Worte zuſammen zu
ziehen und abzukuͤrzen, ſehr leicht wird — auch
noch durch den Umſtand, daß ſie viel weniger wie
wir an edeln und unedeln Ausdruͤcken maͤkeln, wo-
durch der Geſchmack endlich eine ſo kraͤnkliche Zart-
heit erhalten kann, daß er das Gemuͤth wahrhaft
quaͤlt, indem er die Empfindung durch das Ge-
ringfuͤgigſte ſtoͤrt. Ich ſpreche hier nicht von den
heilloſen Reminiſcenzen, die den Deutſchen bei
der hollaͤndiſchen Sprache aufſchrecken, ſondern
von der Berechtigung oder Gewohnheit der hollaͤn-
diſchen Dichter gleiche Worte, wie der Ausrufer,
oder die Kindermuhme zu brauchen. In den mei-
ſten Faͤllen glaube ich, daß dieſer Gebrauch heil-
ſam iſt, indem er die Energie der Sprache erhaͤlt,
und ich moͤchte ſogar meinen, daß dieſe Stoͤrung
— waͤre der Dichter uͤbrigens im Stande Begei-
ſterung zu erregen — gar nicht eintreten wuͤrde.
Das Suͤjet des Original-Trauerſpiels iſt oft aus
der vaterlaͤndiſchen Geſchichte genommen — und
welchen Reichthum ſchoͤner Zuͤge, wuͤrdig den En-
keln zum Beiſpiel aufgeſtellt zu werden, enthaͤlt

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[210/0224] ſtet oder nicht. Ihr Trauerſpiel iſt ganz nach dem Muſter des franzoͤſiſchen in Alexandrinern gedich- tet, welches ihnen bei ihrer reichen Sprache, und der wunderbaren Freiheit, Worte zuſammen zu ziehen und abzukuͤrzen, ſehr leicht wird — auch noch durch den Umſtand, daß ſie viel weniger wie wir an edeln und unedeln Ausdruͤcken maͤkeln, wo- durch der Geſchmack endlich eine ſo kraͤnkliche Zart- heit erhalten kann, daß er das Gemuͤth wahrhaft quaͤlt, indem er die Empfindung durch das Ge- ringfuͤgigſte ſtoͤrt. Ich ſpreche hier nicht von den heilloſen Reminiſcenzen, die den Deutſchen bei der hollaͤndiſchen Sprache aufſchrecken, ſondern von der Berechtigung oder Gewohnheit der hollaͤn- diſchen Dichter gleiche Worte, wie der Ausrufer, oder die Kindermuhme zu brauchen. In den mei- ſten Faͤllen glaube ich, daß dieſer Gebrauch heil- ſam iſt, indem er die Energie der Sprache erhaͤlt, und ich moͤchte ſogar meinen, daß dieſe Stoͤrung — waͤre der Dichter uͤbrigens im Stande Begei- ſterung zu erregen — gar nicht eintreten wuͤrde. Das Suͤjet des Original-Trauerſpiels iſt oft aus der vaterlaͤndiſchen Geſchichte genommen — und welchen Reichthum ſchoͤner Zuͤge, wuͤrdig den En- keln zum Beiſpiel aufgeſtellt zu werden, enthaͤlt

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/224>, abgerufen am 29.04.2024.