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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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sie nicht geheizt werden, sondern nur mit Kami-
nen versehen sind, und daß man in diesen wenig
Feuer macht, des Morgens, des Abends, und
nur bei wahrer Winterkälte, sonst begnügen sich
die weiblichen Bewohner mit ihren ewigen Stov-
chen. Jetzt wird dieses Erdgeschoß meistens der
Wirthschaft (die Küche ist ohnehin darin) und dem
Gesinde eingeräumt; allein die Eltern des jetzigen
Geschlechtes fanden sie noch zur Wohnung sehr be-
quem. Die Mutter meines Freundes * *, eine
Frau, die durch Stand und Vermögen zu jedem
Anspruch berechtigt war, hat diese Zimmer im
Schlosse L. erst vor wenigen Jahren verlassen, wie
sie es ihrem Sohne und seiner Familie einräumte.
Wenn man bei uns einer Frau von Stande so ei-
nen Vorschlag thät! -- In einem Hause, wo
diese Zimmer von der Dienerschaft bewohnt wur-
den, fand ich einige schwäbische Dienstboten, die
seit wenig Jahren aus sehr guten Herrschaftshäu-
sern hieher gekommen waren. Diese Weiber saßen
den ganzen Tag, mit feiner Arbeit beschäftigt, in
diesen Gemächern, und obschon sie mir eingestan-
den, daß sie im Winter von der Kälte litten, drück-
ten sie doch gar nicht den Widerwillen gegen ihre
Wohnung aus, den ich von Leuten erwartet hätte,

ſie nicht geheizt werden, ſondern nur mit Kami-
nen verſehen ſind, und daß man in dieſen wenig
Feuer macht, des Morgens, des Abends, und
nur bei wahrer Winterkaͤlte, ſonſt begnuͤgen ſich
die weiblichen Bewohner mit ihren ewigen Stov-
chen. Jetzt wird dieſes Erdgeſchoß meiſtens der
Wirthſchaft (die Kuͤche iſt ohnehin darin) und dem
Geſinde eingeraͤumt; allein die Eltern des jetzigen
Geſchlechtes fanden ſie noch zur Wohnung ſehr be-
quem. Die Mutter meines Freundes * *, eine
Frau, die durch Stand und Vermoͤgen zu jedem
Anſpruch berechtigt war, hat dieſe Zimmer im
Schloſſe L. erſt vor wenigen Jahren verlaſſen, wie
ſie es ihrem Sohne und ſeiner Familie einraͤumte.
Wenn man bei uns einer Frau von Stande ſo ei-
nen Vorſchlag thaͤt! — In einem Hauſe, wo
dieſe Zimmer von der Dienerſchaft bewohnt wur-
den, fand ich einige ſchwaͤbiſche Dienſtboten, die
ſeit wenig Jahren aus ſehr guten Herrſchaftshaͤu-
ſern hieher gekommen waren. Dieſe Weiber ſaßen
den ganzen Tag, mit feiner Arbeit beſchaͤftigt, in
dieſen Gemaͤchern, und obſchon ſie mir eingeſtan-
den, daß ſie im Winter von der Kaͤlte litten, druͤck-
ten ſie doch gar nicht den Widerwillen gegen ihre
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[232/0246] ſie nicht geheizt werden, ſondern nur mit Kami- nen verſehen ſind, und daß man in dieſen wenig Feuer macht, des Morgens, des Abends, und nur bei wahrer Winterkaͤlte, ſonſt begnuͤgen ſich die weiblichen Bewohner mit ihren ewigen Stov- chen. Jetzt wird dieſes Erdgeſchoß meiſtens der Wirthſchaft (die Kuͤche iſt ohnehin darin) und dem Geſinde eingeraͤumt; allein die Eltern des jetzigen Geſchlechtes fanden ſie noch zur Wohnung ſehr be- quem. Die Mutter meines Freundes * *, eine Frau, die durch Stand und Vermoͤgen zu jedem Anſpruch berechtigt war, hat dieſe Zimmer im Schloſſe L. erſt vor wenigen Jahren verlaſſen, wie ſie es ihrem Sohne und ſeiner Familie einraͤumte. Wenn man bei uns einer Frau von Stande ſo ei- nen Vorſchlag thaͤt! — In einem Hauſe, wo dieſe Zimmer von der Dienerſchaft bewohnt wur- den, fand ich einige ſchwaͤbiſche Dienſtboten, die ſeit wenig Jahren aus ſehr guten Herrſchaftshaͤu- ſern hieher gekommen waren. Dieſe Weiber ſaßen den ganzen Tag, mit feiner Arbeit beſchaͤftigt, in dieſen Gemaͤchern, und obſchon ſie mir eingeſtan- den, daß ſie im Winter von der Kaͤlte litten, druͤck- ten ſie doch gar nicht den Widerwillen gegen ihre Wohnung aus, den ich von Leuten erwartet haͤtte,

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/246>, abgerufen am 29.04.2024.