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Hübner, Johann: Poetisches Handbuch. Leipzig, 1696.

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der-Sächsisches Histörgen in einen Vers
bringen/ und gedachte das nachfolgende be-
kandte Genus zu brauchen.

Ein liebes Mädgen saß im Grünen/
Und hatte was zu nehen für:
Amando kam sie zu bedienen/
Und fragte/ was macht sie allhier?
Sie sprach: -- --
Jch warte meines Dinges.

XLVI. Doch als ich merckte/ daß mir der
letzte Reim zu Kopffe wachsen wolte/ so er-
griff ich ein ander genus, und ich sehe nicht/
was der materie abgegangen ist.

Ein angenehmes Mädgen saß
Und hatte was zu nehen:
Amando fragte: wie kömmt das/
Daß ich sie hier soll sehen?
Sie sprach: was fragt mein Herr nach mir?
Jch armes Mädgen sitze hier/
Und warte meines Dinges.

XLVII. Jn Betrachtung dieser leichten
und practicablen Vortheile lasse ich mich
nicht bereden/ daß die Reime den Erfindun-
gen einigen Abbruch thun. Ja ich wil im
Gegentheil behaupten/ daß die Reime viel-
mehr die schönste Gelegenheit zu artigen in-
vention
en an die Hand geben.

XLVIII. Ein eintziges Exempel wird
meine Meinung Sonnenklar machen. Ein
gewisser Poete war im Begriff nachfol-
genden Vers zu machen:

Nach
b 5

der-Saͤchſiſches Hiſtoͤrgen in einen Vers
bringen/ und gedachte das nachfolgende be-
kandte Genus zu brauchen.

Ein liebes Maͤdgen ſaß im Gruͤnen/
Und hatte was zu nehen fuͤr:
Amando kam ſie zu bedienen/
Und fragte/ was macht ſie allhier?
Sie ſprach: ‒‒ ‒‒
Jch warte meines Dinges.

XLVI. Doch als ich merckte/ daß mir der
letzte Reim zu Kopffe wachſen wolte/ ſo er-
griff ich ein ander genus, und ich ſehe nicht/
was der materie abgegangen iſt.

Ein angenehmes Maͤdgen ſaß
Und hatte was zu nehen:
Amando fragte: wie koͤmmt das/
Daß ich ſie hier ſoll ſehen?
Sie ſprach: was fragt mein Herr nach mir?
Jch armes Maͤdgen ſitze hier/
Und warte meines Dinges.

XLVII. Jn Betrachtung dieſer leichten
und practicablen Vortheile laſſe ich mich
nicht bereden/ daß die Reime den Erfindun-
gen einigen Abbruch thun. Ja ich wil im
Gegentheil behaupten/ daß die Reime viel-
mehr die ſchoͤnſte Gelegenheit zu artigen in-
vention
en an die Hand geben.

XLVIII. Ein eintziges Exempel wird
meine Meinung Sonnenklar machen. Ein
gewiſſer Poete war im Begriff nachfol-
genden Vers zu machen:

Nach
b 5
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[25/0029] der-Saͤchſiſches Hiſtoͤrgen in einen Vers bringen/ und gedachte das nachfolgende be- kandte Genus zu brauchen. Ein liebes Maͤdgen ſaß im Gruͤnen/ Und hatte was zu nehen fuͤr: Amando kam ſie zu bedienen/ Und fragte/ was macht ſie allhier? Sie ſprach: ‒‒ ‒‒ Jch warte meines Dinges. XLVI. Doch als ich merckte/ daß mir der letzte Reim zu Kopffe wachſen wolte/ ſo er- griff ich ein ander genus, und ich ſehe nicht/ was der materie abgegangen iſt. Ein angenehmes Maͤdgen ſaß Und hatte was zu nehen: Amando fragte: wie koͤmmt das/ Daß ich ſie hier ſoll ſehen? Sie ſprach: was fragt mein Herr nach mir? Jch armes Maͤdgen ſitze hier/ Und warte meines Dinges. XLVII. Jn Betrachtung dieſer leichten und practicablen Vortheile laſſe ich mich nicht bereden/ daß die Reime den Erfindun- gen einigen Abbruch thun. Ja ich wil im Gegentheil behaupten/ daß die Reime viel- mehr die ſchoͤnſte Gelegenheit zu artigen in- ventionen an die Hand geben. XLVIII. Ein eintziges Exempel wird meine Meinung Sonnenklar machen. Ein gewiſſer Poete war im Begriff nachfol- genden Vers zu machen: Nach b 5

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Zitationshilfe: Hübner, Johann: Poetisches Handbuch. Leipzig, 1696, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huebner_handbuch_1696/29>, abgerufen am 28.04.2024.