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Hübner, Johann: Poetisches Handbuch. Leipzig, 1696.

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Nach der Schönheit Dulcimene,
Sieht ja sonst dein Angesicht:
Nun du bist vor allen schöne;
Doch du siehst dich selber nicht:
Und bey so bestalten Dingen/
Bistu allzu unvergnügt:
Darum mustu darnach ringen
Wie man deines gleichen kriegt.

XLIX. Der Autor dachte wunder was
er vor einen schönen Vers gemacht hätte:
Als sich aber ein guter Freund über die Un-
deutligkeitder letzten Zeile beschwerte/ so
war er auf eine Verbesserung bedacht/ und
kam erstlich nur in der fünfften und sech-
sten Zeile auf zwey andre Reime:

Und bey so bestalten Sachen
Jst dein Wunsch stets unerfüllt:

L. Dieselben beyden Wörter gaben fol-
gende invention an die Hand/ die ich nicht
loben wolte/ wenn sie nicht ein Meister der
heutigen Poeten vor etwas artiges erklä-
ret hätte:

Nach der Schönheit Dulcimene,
Sieht ja sonst dein Angesicht:
Nun du bist vor allen schöne;
Doch du siehst dich selber nicht:
Und bey so bestalten Sachen
Jst dein Wunsch stets unerfüllt:
Dannenhero laß die machen/
Weistu was? Dein Ebenbild.

LI. Eben so mag es einem andern gu-
ten Freunde gegangen seyn/ welcher diesen
nicht übel gerathnen Vers gemachet hat:

Das
Nach der Schoͤnheit Dulcimene,
Sieht ja ſonſt dein Angeſicht:
Nun du biſt vor allen ſchoͤne;
Doch du ſiehſt dich ſelber nicht:
Und bey ſo beſtalten Dingen/
Biſtu allzu unvergnuͤgt:
Darum muſtu darnach ringen
Wie man deines gleichen kriegt.

XLIX. Der Autor dachte wunder was
er vor einen ſchoͤnen Vers gemacht haͤtte:
Als ſich aber ein guter Freund uͤber die Un-
deutligkeitder letzten Zeile beſchwerte/ ſo
war er auf eine Verbeſſerung bedacht/ und
kam erſtlich nur in der fuͤnfften und ſech-
ſten Zeile auf zwey andre Reime:

Und bey ſo beſtalten Sachen
Jſt dein Wunſch ſtets unerfuͤllt:

L. Dieſelben beyden Woͤrter gaben fol-
gende invention an die Hand/ die ich nicht
loben wolte/ wenn ſie nicht ein Meiſter der
heutigen Poeten vor etwas artiges erklaͤ-
ret haͤtte:

Nach der Schoͤnheit Dulcimene,
Sieht ja ſonſt dein Angeſicht:
Nun du biſt vor allen ſchoͤne;
Doch du ſiehſt dich ſelber nicht:
Und bey ſo beſtalten Sachen
Jſt dein Wunſch ſtets unerfuͤllt:
Dannenhero laß die machen/
Weiſtu was? Dein Ebenbild.

LI. Eben ſo mag es einem andern gu-
ten Freunde gegangen ſeyn/ welcher dieſen
nicht uͤbel gerathnen Vers gemachet hat:

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[26/0030] Nach der Schoͤnheit Dulcimene, Sieht ja ſonſt dein Angeſicht: Nun du biſt vor allen ſchoͤne; Doch du ſiehſt dich ſelber nicht: Und bey ſo beſtalten Dingen/ Biſtu allzu unvergnuͤgt: Darum muſtu darnach ringen Wie man deines gleichen kriegt. XLIX. Der Autor dachte wunder was er vor einen ſchoͤnen Vers gemacht haͤtte: Als ſich aber ein guter Freund uͤber die Un- deutligkeitder letzten Zeile beſchwerte/ ſo war er auf eine Verbeſſerung bedacht/ und kam erſtlich nur in der fuͤnfften und ſech- ſten Zeile auf zwey andre Reime: Und bey ſo beſtalten Sachen Jſt dein Wunſch ſtets unerfuͤllt: L. Dieſelben beyden Woͤrter gaben fol- gende invention an die Hand/ die ich nicht loben wolte/ wenn ſie nicht ein Meiſter der heutigen Poeten vor etwas artiges erklaͤ- ret haͤtte: Nach der Schoͤnheit Dulcimene, Sieht ja ſonſt dein Angeſicht: Nun du biſt vor allen ſchoͤne; Doch du ſiehſt dich ſelber nicht: Und bey ſo beſtalten Sachen Jſt dein Wunſch ſtets unerfuͤllt: Dannenhero laß die machen/ Weiſtu was? Dein Ebenbild. LI. Eben ſo mag es einem andern gu- ten Freunde gegangen ſeyn/ welcher dieſen nicht uͤbel gerathnen Vers gemachet hat: Das

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Zitationshilfe: Hübner, Johann: Poetisches Handbuch. Leipzig, 1696, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huebner_handbuch_1696/30>, abgerufen am 28.04.2024.